Dass Papier als Kommunikationsunterlage interessant für die Modewelt war, zeigt eine Ausstellung im Mudam.
Flauschige Flokatis, ergonomische Sofas und Kleider aus Papier: Das Design der sechziger Jahre revolutionierte die Möbel- und Modewelt. Darunter der Minirock: Vielen zu kurz, und zu gewagt. Doch der superkurze Rock der britischen Modedesignerin Mary Quants war erst der Anfang. Die Welt wurde bunter und vieles bestand aus neuen Materialien. Kleider aus Kunststofffasern – eigentlich für die Armee oder die Raumfahrt entwickelt – trugen Mann und Frau plötzlich auf der Haut. Aber auch die Mode von der Stange entstand, kostengünstige Kleidung für den kleinen Geldbeutel. Kein Wunder also, dass es Kleider aus Papier gab, die man mit Klebeband und Schere umgestalten konnte, anzog – und dann einfach wegwarf.
Einen Einblick in die Mode aus Papierstoffen bietet eine Ausstellung im Mudam, die lautmalerisch fast so klingt als ob man gerade Papier zerreißen würde: „RRRIPP!! Paper Fashion“. Dabei sind nicht nur einige originelle historische Exemplare der Papierkleider zu sehen. Nein, die kleine Ausstellung bietet auch einen Einblick in die Geschichte der Papierkleider bis zu den Kreationen aktueller Haute-Couture-Designer. Eigentümer der ausgestellten Schmuckstücke ist die griechische Kulturorganisation „Atopos“, deren eigenwillige Gründer seit 2003 rund 400 Exemplare zur größten Papierkleider-Sammlung der Welt zusammengetragen haben.
In „Papier gewickelt“ und „entblättert“ hat man sich jedoch nicht erst in den sechziger Jahren. Historisch gesehen, gab es schon sehr früh in China und Japan eine Tradition, gewebte Stoffe aus Papiergarn herzustellen. Bestes Beispiel hierfür ist der „Kamiko“, ein buddhistisches Mönchsgewand oder der „Shifu“, ein Stoff, der wahrscheinlich schon im 16. Jahrhundert hergestellt wurde. Hier wurden Papierblätter, unter anderem die Seiten alter Rechnungsbücher in Streifen geschnitten, manuell oder am Spinnrad zu Fäden gedreht und verwebt.
Dagegen waren die Zeitungskleider, die in den 1960er Jahren geschaffen wurden nicht aus vorgefundenen Papierresten – auch wenn die Modeschöpfer der Zeit bewusst den Zeitungsdruck als Designmotiv aufgriffen. Papier war schon immer ein Mittel zur Kommunikation. So wundert es nicht, dass in den 60ern die Kleider zu Werbezwecken oder gar zum Wahlkampf benutzt wurden. Beliebt waren auch modische Miniröcke in psychedelischen Mustern, inspiriert von der Kunstrichtung „Op-Art“, wovon das Mudam eine bunte Auswahl zeigt. Auch wenn es geradezu vorprogrammiert war, dass diese schrille Mode nicht lange anhalten würde, feierte sie dennoch auch später unter vielfachen Formen ein Revival. Über die explosionsartige Entwicklung der Fliestechnologie seit den 60ern hinweg, konnte sich im Alltag – etwa in Form von Schutzkleidung für Handwerker – vor allem „Tyvek“ durchsetzen. Auf den ersten Blick könnte man dieses Material, bestehend aus zusammengepressten Polyethylenfasern, leicht mit Papier verwechseln. Allerdings ist es widerstandsfähiger und waschbar. Dieser Stoff ist heute noch durchaus sehr beliebt bei Modedesignern – wovon die Mudam-Ausstellung eine Kostprobe liefert. So hat der amerikanische Fotograf Travis Hutchison Motive der New Yorker Fetischszene auf Miniröcke aus Tyvek übertragen lassen. Die Röcke werden so zu Zeitdokumenten gesellschaftlicher Entwicklungen.
Aber auch das Papier selbst kam in der Modeszene wieder zum Einsatz. Ein beeindruckendes Beispiel hierfür sind die skulpturalen Kleider und Origami-Outfits der schwedischen Designerin Sandra Backlund. Ein ganz anderer Weg ging der Japaner Kosuke Tsumura mit seinem Mantel „The Final Home“: In Anbetracht der steigenden Obdachlosenzahl in Tokio hatte er die Idee einen Nylonmantel mit über vierzig Taschen herzustellen, die sich zum Schutz vor Kälte mit Zeitungen ausstopfen ließen.
Eine sehenswerte Ausstellung über die Möglichkeiten von Papier.
Zu sehen im Mudam noch bis zum 2. Februar 2009.
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