FOTOGRAFIE: Festgeeiste Erinnerungen

Ein verlassenes Haus und ein verlorenes Lebensgefühl, das hat Armand Quetsch in seinen minimalistischen Stillleben verewigt.

Wohnzimmerausschnitte, bei denen dem Austellungsbesucher der Geruch von Kölnisch Wasser und der Altherrenduft „Tabac“ in den Sinn kommen, hat der in Brüssel lebende Luxemburger Fotograf Armand Quetsch auf Fotopapier gebannt. Es ist eine Welt, in der es noch kein Ikea oder Wegwerfnippes gab, das Telefon, das man sich in den siebziger Jahren leistete, noch eine Lebensanschaffung darstellte. In der Blumengestecke aus Kunstäpfeln, Plastikrosen und Getreideähren über Jahrzehnte ihren angestammten Platz hatten und wie Gebrauchsgegenstände gepflegt wurden. Eine Welt, in der es noch Nachtspeicherheizungen gab, in der gehäkelte Kissen auf dem Sofa liegen und ein vertrockneter Buchsbaumstrauch hinter dem Kruzifix steckt. Es sind Dokumente einer Welt, die von der Globalisierung nie berührt wurde.

Schlicht „Nickla“ hat Quetsch seine Fotoserie genannt, die zur Zeit im CNA zu besichtigen ist. Es ist eine Hommage an seinen 89-jährigen Großonkel und an dessen Leben auf einem kleinen Gut in der belgischen Provinz. Dieser Großonkel hat sein Leben immer im engen Radius seiner Behausung geführt – nur jetzt im Alter, mußte er sie verlassen. Und von diesem Verlassen, dem leer stehenden Haus erzählen auch die Fotos von Quetsch.

In klassischem Aufnahmeverfahren mit analogem Fotoapparat und Stativ hat Quetsch einzelne Elemente der Wohnung seines Großonkels fixiert. Es ist keine Gesamtansicht der Wohnung, sondern es sind die kleinen Nebensächlichkeiten, die bei Quetsch das verloren gehende Lebensgefühl einfangen: Ein blank polierter Duschkopf vor einer 70er-Jahre-Blumentapete, leere Kleiderbügel in einem Einbauschrank, das Nachtschränkchen mit der Häkeldecke. Wie festgeeist wirken die einzelnen Elemente gerade dadurch, dass die Fotos überbelichtet sind. Als ob das Blitzlicht, das längst Vergangene in einer Art Momentaufnahme wieder gegenwärtig machen könnte.

Auch den Großonkel selbst hat Quetsch in seiner alten Lebensumgebung ein letztes Mal abgelichtet. Es ist ein Bild, das vom Weggehen erzählt: Nickla sitzt in seiner alten Wohnung. Sein Schatten zieht sich über die Wand, an der noch ein Erinnerungsfoto der Familie hängt. Hut und Schal hängen am Mantelhackenl und den Gehstock hat der alte Herr aufbruchbereit in der Hand. Ein Abschied aus dem alten Leben, ein Dokument einer verlorenen Zeit.

Rund dreißig Farbbilder hat Armand Quetsch in dem alten Haus gemacht: insgesamt eine sehenswerte Ausstellung, die schon ein bisschen Melancholie aufkommen lässt.

Iim CNA noch bis zum 2. Februar


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