Der Künstler Pol Pierart macht aus einem Wort gleich zwei. Die Slogans, die er vor Alltagsobjekte drapiert, sind eine Art sozialkritische Poesie.
„C’est devenir complètement vous“. Ein Foto zeigt den belgischen Künstler Pol Pierart in Frontalaufnahme und auf seiner Stirn prangt dieser Satz, eine Abwandlung der gebräuchlichen Wendung: „C’est à devenir complète-ment fou“. Das Selbstporträt von Pierart gehört zu jenen kleinformatigen Schwarz-Weiß-Fotos und Super-8-Film-ausschnitten, in denen der Künstler selbst als Akteur vorkommt und mit seinem stoischen Gesichtsausdruck fast ein wenig an Buster Keaton, erinnert. Gerade dieser Gegensatz macht denn auch einen Teil der Ironie von Pierarts Arbeit aus, die zurzeit in der Galerie „Nei Liicht“ in Düdelingen zu sehen ist – nämlich das Zusammenspiel von Komödie und Tragödie in seinen anekdotischen Darstellungen.
Pierart soll in seiner Kindheit Comics geliebt haben, und diese Leidenschaft hat er sich insofern bewahrt, als es ihm auch heute noch um Wortspiele und um eine direkte Interaktion mit der Umwelt geht. Der Künstler verändert den Sinngehalt bekannter Sprüche, Slogans oder Maximen auf unerwartete Weise, indem er Wörter oder Buchstaben handschriftlich hinzufügt oder weglässt und so eine doppelte Lesart erzeugt. Er inszeniert diese Wortspiele vor der Kulisse seines täglichen Umfeldes, indem er kleine Schrifttafeln mit doppeldeutigen Slogans vor Objekten seiner unmittelbaren Umgebung aufbaut, und so einen neuen Sinn erzeugt. Dabei kehren immer die gleichen symbolischen Objekte wieder: ein kleines Plastikskelett, ein Stoffteddy, ein Globus oder ein Kreuz. In einem weiteren Schritt filmt oder fotografiert er dann diese Szenerien, wobei die Verbindung des Wortes mit dem Bild sehr bedeutsam ist. „C`est le spectateur qui fait le travail“, meint Pierart. So laden die Schwarz-Weiß-Abzüge im Postkartenformat den Betrachter zum Entziffern ein, zum Nachdenken über den von ihm inszenierten Doppelsinn, der teils trivial, teils frivol oder poetisch ist. Aber immer irgendwie überraschend. Etwa das Foto, wo er in einen Globus die Botschaft gesteckt hat: „Je veux descendre“ oder das Bild seines Schattens an einer Wand, den er mit dem Schriftzug „Monsieur tout le m’honte“ versehen hat. Seine Herangehensweise wirkt vor allem deshalb sympathisch, weil sie unprätentiös ist und die Welt eines jeden widerspiegelt. So meinte Pierart einmal: „Je ne parle pas de l’art mais des préoccupations de tout un chacun.“
Gegenüber den eher anekdotischen Fotos sind seine gemalten Spruchbänder von großer Nüchternheit und fokussieren auf das Wesentliche: Pol Pierart hat hier seine Wortspiele mit schwarzer Farbe in ungelenken Großbuchstaben auf monochrome Leinwände aufgemalt, die ungerahmt an der Wand hängen. Mit seinen Wortkonstruktionen spielt er auch auf allgemeine soziale Missstände an: So liest man auf einem schmutzig roten Hintergrund das teils in fetter und teils in sich auflösender Schrift verfasste Wort „EXIsTera“ oder das in Klein und Großbuchstaben verfasste „DEceVOIR“ sowie das „mORDRE“. Insgesamt eine sehenswerte Ausstellung.
In der Galerie Nei Liicht noch bis zum
18. März
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