ROUD-WÄISS-BLO UNI: Master of Luxembourg

Luxemburg stellt zweifelsohne eine sprachliche Ausnahmesituation in Europa dar. Dies wird ab kommenden Herbst eines der Themen einer neuen Hochschul-disziplin an der Universität Luxemburg sein.

Wer Luxemburgisch-Lehrer werden will, kann an der Uni „Lëtzebuergesch als Friemsprooch” belegen. Seit neustem wird auch der Master „Lëtzebuerger Studien” angeboten.

„Ausschlaggebend für Luxemburg schließlich ist die Tatsache, dass es im Grunde genommen nicht ein zweisprachiges, sondern ein dreisprachiges Land ist. Denn der Dialekt, der sonstwo nur die Umgangssprache eines Volkes bildet, hat für den Luxemburger die Bedeutung einer wirklichen Muttersprache?. Das erkannte bereits 1909 Batty Weber, damaliger Chefredakteur der „Luxemburger Zeitung?. Ein Jahrhundert später ist Luxemburgisch immer noch in aller Munde: als Muttersprache der Mehrheit der in Luxemburg ansässigen Bevölkerung und als staatlich anerkannte Nationalsprache sowie mündliche Amtssprache neben den beiden offiziellen, im Schriftverkehr benutzten Amtssprachen Deutsch und Französisch. Der letztere Status wurde dem Luxemburgischen aber erst vor 25 Jahren, im Sprachengesetz von 1984, zuerkannt. Es hat dadurch einen höheren Stellenwert erlangt, den es sich bis heute erhalten konnte.

Ein weiterer symbolischer Schritt zur Aufwertung der Sprache steht kurz bevor: Noch in diesem Jahr wird die Universität einen Master-Studiengang rund um das „Lëtzebuergesch“ anbieten. Bereits bei der Gründung der Universität 2003 war ein der luxemburgischen Sprache gewidmeter hochschuleigener Forschungsbereich vorgesehen, und 2006 wurde das „Laboratoire de linguistique et de littératures luxembourgeoises“ auf die Beine gestellt. Dieses Laboratoire beschäftigt sich mit literatur- und sprachwissenschaftlichen Aspekten des Luxemburgischen im mehrsprachigen Kontext und ist Teil der interdisziplinären „Unité de recherche identités, politiques, sociétés, espaces“ (IPSE). Zu den besonders erwähnenswerten Forschungsprojekten dieser Einrichtung gehören unter anderem der „Luxemburgische Familiennamenatlas“ und das Online-Wörterbuch „LexicoLux“.

„Mit den neuen Medien hat das Luxemburgische eine große Plattform gewonnen. Alle SMS, E-Mails, Blogs oder Foren werden auf Luxemburgisch geschrieben.“

Weil diese Aktivitäten jedoch als nicht ausreichend angesehen wurden, gibt es ab dem kommenden Wintersemester den neuen postgradualen Studiengang „Master en langues, cultures, médias ? Lëtzebuerger Studien“. „Die Beweggründe dafür waren, dass man etwas anbieten wollte, das nicht nur auf Luxemburgisch allein, sondern auf die Situation der Sprachen in Luxemburg, der Literatur in Luxemburg und der Medien in Luxemburg eingeht“, erklärt Dr. Mélanie Wagner, wissenschaftliche Angestellte der „Section d’études luxembourgeoises“. Dieser Master geht über die Luxemburgistik, die Sprach- und Literaturwissenschaft des Luxemburgischen, hinaus, da auch deutsche und französische Literatur aus Luxemburg sowie kulturelle und medienbezogene Aspekte der Thematik vermittelt werden. Zusätzlich können die Forschungsergebnisse des „Laboratoire de linguistique et de littératures luxembourgeoises“ nun auch in den universitären Unterricht transferiert werden. „Die Zahl der Luxemburgisch-Sprecher und -Lerner steigt an, weil immer mehr Leute sich in Kurse einschreiben und daran interessiert sind, Luxemburgisch als Fremdsprache zu lernen. Mit den neuen Medien hat das Luxemburgische eine große Plattform gewonnen, auf der es als Schriftsprache funktioniert. Alle SMS, E-Mails, Blogs oder Foren werden auf Luxemburgisch geschrieben.“, bemerkt Dr. Wagner. Dieser Studiengang stelle die Antwort auf die zunehmende Verwendung der luxemburgischen Sprache dar, weshalb auch die mit diesem Master eröffneten Berufschancen breit gefächert seien: angefangen von Verwendungen in kulturellen Institutionen bis zum künftigen „Professeur de la langue luxembourgeoise“, einer seit Mai diesen Jahres existierenden neuen Berufsform im Luxemburger Sekundarschulsystem.

Aus sprachwissenschaftlicher Sicht ist allerdings immer noch nicht geklärt, ob Luxemburgisch eine Sprache oder ein Dialekt ist. Ursprünglich handelt es sich um eine moselfränkische Varietät des Westmitteldeutschen mit zahlreichen Lehnwörtern aus dem Standardfranzösischen. „Auf politischer oder sozialer Ebene ist es ganz klar eine Sprache, weil sie die Nationalsprache Luxemburgs ist und die Luxemburger sie als ihre Muttersprache sehen“, argumentiert Dr. Wagner. In der Tat stiftet eine auf nationaler Ebene gesprochene Sprache ein Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb eines Landes und ist Mittel der Identifikation mit der eigenen Nation und der Abgrenzung zu anderen Nationen. Gleichzeitig formt und prägt sie die nationale Gesellschaft. Dr. Wagner kann dies für das Luxemburgische nur bestätigen: „Wenn man im Alltag zurechtkommen möchte, braucht man zwar vor allem Französisch oder Deutsch. Wenn man sich aber sozialisieren und mehr Kontakt zu Luxemburgern haben möchte, ist Luxemburgisch ein deutlicher Vorteil.“

Nicht nur muss das Bewerbungsschreiben für den Master auf Luxemburgisch abgefasst sein, sondern auch die Lehrveranstaltungen sollen zur Hälfte auf Luxemburgisch abgehalten werden.

Auch als „Integrationssprache“ soll das „Lëtzebuergesch“ eine größere Rolle spielen. Denn eine der Bedingungen für den Erwerb der luxemburgischen Staatsbürgerschaft ist ein Sprachtest. „Da viele ausländische Mitbürger hier zur Schule gegangen sind, haben sie meist auch Luxemburgisch gelernt, und so wird es auch von Generation zu Generation eine immer häufiger benutzte Sprache innerhalb der Familie.“ erläutert Dr. Wagner. Insbesondere seit der neuen Gesetzesregelung vom vergangenen Jahr, die eine doppelte Staatsbügerschaft ermöglicht, unterziehen sich immer mehr ausländische Mitbürger dem Sprachtest, um sich so als luxemburgischer Staatsbürger zu identifizieren und rechtlich anerkannt zu werden.

Voraussetzung dafür, sich im Master „Lëtzebuerger Studien“ einzuschreiben, ist allerdings nicht die luxemburgische Staatsbürgerschaft, sondern der Nachweis guter Sprachkenntnisse. Denn nicht nur muss das Bewerbungsschreiben auf Luxemburgisch abgefasst sein, sondern auch die Lehrveranstaltungen sollen zur Hälfte auf Luxemburgisch abgehalten werden. Der Stundenplan für das erste Studienjahr ist bereits auf der Internetseite der Universität einsehbar, während der Aufbau des Unterrichts im zweiten Jahr sich noch in der Planung befindet. Geplant sei dieser Studiengang zwar schon seit langem, doch um einen Master-Studiengang auf die Beine zu stellen, brauche man Zeit, erklärt Dr. Wagner. „Dass es uns aber sehr wichtig ist, sieht man daran, dass wir die Ausbildung mit Zertifikat ?Lëtzebuerger Sprooch a Kultur‘ haben, die wir dieses Jahr zum dritten Mal anbieten.“ Diese Zusatzausbildung ist unterhalb des Bachelor-Niveaus angesiedelt, setzt aber das Abitur voraus. Gedacht ist sie vor allem für diejenigen, die Luxemburgisch als Fremdsprache unterrichten wollen und die somit ein anerkanntes Zertifikat erwerben können.

An den Schulen in Luxemburg wurde „Lëtzebuergesch“ bisher nur als Nebenfach und in homöopathischen Dosen unterrichtet, außerdem ist es in keinem der anderen Fächer die schriftliche Unterrichtssprache. Das ist wohl nicht zuletzt der Grund dafür, dass die meisten Luxemburger sich in Sachen Rechtschreibung ihrer eigenen Sprache den Titel „Master of Disaster“ geben können. Ob die neugebackenen „Masters of Luxembourg“, die in zwei Jahren in den Klassenzimmern der Gymnasien ihr Debut geben werden, dem entgegenwirken können, bleibt abzuwarten. Ein Schritt nach vorne ist die Neuerung allemal, und wie Staatsminister Jean-Claude Juncker in seiner Rede vom August 2004 sagte: „Déi Modernitéit an der Moderniséierung déi mer wellen, dat ass déi, déi am Changement d’Chance vum ?bleiwe wat mer sinn‘ gesäit. ?Mir welle bleiwe wat mer sinn‘, jo, an dofir musse mer eis änneren, upassen, adaptéiren, evoluéieren.“


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