„Ecotone“ will ans Limit gehen. Die Fotoausstellung im CNA Düdelingen lotet Spannungsfelder und Gegensätze aus und erzeugt so eine stille Melancholie.
Sie fallen auf, die in dichte, weiße Netze eingesponnenen Bäume und Sträucher. Verantwortlich für das gespenstische Szenario sind die Raupen der Gespinstmotten. Ihre dichten Fadenzelte haben die beiden Luxemburger KünstlerInnen Gast Bouschet und Nadine Hilbert in blaues Licht getaucht und vor dem Hintergrund eines modernen Bürogebäudes fotografiert. Hier prallen Mikro- und Makrokosmos, Natur und die vom Mensch erschaffenen kühlen Gebäudeinfrastrukturen aufeinander – Gegensätze, die existentielle Fragen aufwerfen. Um diese Fragen und die Spannungsfelder, aus denen sie hervorgehen geht es in der CNA-Fotoausstellung „Ecotone“. So der Titel der Ausstellung, die rund sieben Künstler verschiedener Generation und unterschiedlicher Herkunft versammelt.
Der Begriff „Ecotone“ stammt ursprünglich aus der Ökologie und bezeichnet Übergangsbereiche zwischen verschiedenen Lebensräumen wie etwa die Säume zwischen Wald und Offenland. Komplexe Grenzbiotope oder so genannte Ökotone finden sich aber nicht alleine in der Natur, sondern vor allem in den Spannungsfeldern zwischen Politik, Wissenschaft, Wirtschaft, Medien und Marketing. Die Ausstellung will Fotos versammeln auf denen Lebensbereiche zueinander in Spannung treten, in denen Grauzonen und Übergänge thematisiert werden. Wie etwa auf den Bildern „The Blue Room“ des amerikanischen Fotografen Eugene Richards. Dieses Mal ist es nicht das Elend, der Krebs oder die Drogensucht, die im Mittelpunkt seiner Bilder stehen – so wie in seinen vohergehenden Arbeiten – , sondern die Weiten des amerikanischen Westens. Auf seinen Streifzügen hat Richards verlassene Anwesen und sich im Verfall befindende Häuser fotografiert. Überbleibsel erzählen von den ehemaligen Bewohnern: Ein mit Schnee bedecktes Bett, eine Treppe im Garten, eine Zigarette, die den Abdruck eines Lippenstifts trägt. Seine Bilder entsprechen der Thematik des Ecotone, weil hier Übergänge thematisiert werden: Die Witterung und die Natur überlagern und zersetzen die leer stehenden Wohnungen. Die Bilder sind Meditationen über Verlust und Erinnerung.
Ganz anders hier die konzeptuelle Arbeit der jungen Luxemburger Künstlerin Justine Blau: Aus dem Internet hat sie Naturbilder heruntergeladen, ausgeschnitten und sie zu einem riesigen dreidimensionalen Landschaftsbild zusammengeklebt: Zum Spannungsfeld werden hier Wunschvorstellungen, die mit der Realität kollidieren. Viel persönlicher ist die Herangehensweise des amerikanischen Fotografen Jim Goldberg. Unter dem Titel „Raised by Wolfes“, verbindet er Objekte sowie geschriebene Zeugnisse mit Bildern von Jugendlichen, die auf der Straße leben. Seine Arbeit thematisiert die Übergangsphase der Jugendlichen, die sich unwohl in ihrer eigenen Haut fühlen und sich dennoch in einer Gesellschaft behaupten müssen, von der sie abgelehnt werden. Sie werfen Fragen der sozialen Hierarchie auf, des Zugangs zur Gesellschaft und den Grenzen der Konsumgesellschaft.
Vielseitig sind die Bilder von „Ecotone“. Auch wenn sich die Aufnahmen nicht alle auf den ersten Blick unter der gegebenen Thematik subsumieren lassen, ist ihnen doch eine gewisse Melancholie eigen. Die Melancholie der Zwischenräume, des Verlassenseins und der Nicht-Erfüllung.
„Ecotone“ im CNA Düdelingen, noch bis zum 28. Februar.
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