MALEREI: Ruhende Blicke

Manchen Bildern sieht man die Geduld an, mit der sie gemacht worden sind, die Sorgfalt und Konzentration. Der 1958 in Südkorea geborene Moon-Pil Shim hat seine Arbeiten derart entwickelt, dass sich diese Geduld auch schleichend auf den Betrachter überträgt. Er ist kein Vorreiter oder Provokateur, er überzeugt durch Leichtigkeit. Im Zentrum seiner Arbeit steht die abstrahierende Linie, das Spiel mit Licht und Schatten und vor allem mit der Wahrnehmung des Betrachters.

Moon-Pil Shim lebt und arbeitet bereits seit 1995 in Frankreich und ist auch in Luxemburg kein gänzlich Unbekannter mehr. Bereits vor einem Jahr wollte die Galerie Simoncini Arbeiten von ihm ausstellen, damals machte allerdings der Umzug der Galerie dem Vorhaben einen Strich durch die Rechnung. In der aktuellen Ausstellung wird nun ein Rückblick auf Shims Arbeit der letzten zehn Jahre gezeigt. Dadurch wird deutlich, dass er bei allen Unterschieden in der Technik immer „seiner“ horizontalen Linie treu geblieben ist.

Einen Grund dafür mag man in seinen „lettres“ erkennen. Briefe in koreanischer Schrift, die er sowohl auf eine Leinwand als auch auf die darüber liegende Plexiglasscheibe gedruckt hat. Nebenbei wird der horizontale Aufbau des Textes durch leichte Farbnuancen auf der Leinwand noch unterstrichen, und somit mutiert ein Text zum Schatten des anderen. Dieses Spiel mit der Transparenz findet sich auch in seinen großformatigen Arbeiten. Bei diesen dient die Plexiglasscheibe in noch stärkerem Maße als Farbträger, aber auch dazu den Blick auf den Hintergrund frei zu geben.

So werden einmal die Linien zu Lamellen einer Jalousie oder in Anlehnung an seine „lettres“ zu verschwommenen, ineinander fließenden Schriftzeichen. Den Zeilenzwischenraum erzeugt er dabei durch vorsichtiges Auskratzen des Farbauftrags auf dem Plexiglas. Zusammen mit der Leinwand entsteht so das Spiel aus Licht und Schatten – und zwischen Bild und Betrachter. Shim verstärkt diesen Effekt noch dadurch, dass diese Bilder monochrom sind, er aber mit Nuance in der Tönung und verschiedenen Helligkeitsstufen arbeitet.

Bei anderen Bildern geht er noch einen Schritt weiter und setzt mehrere Plexiglasscheiben übereinander ein. So schafft er dank großflächiger Farbauftragungen Reflexionen auf der weißen Leinwand, mit faszinierenden, wechselnden Farbübergängen. Und auch wenn er ebenfalls mit Linien arbeitet, werden diese hier zu Grenzen, die sich als Horizont geradezu aufdrängen.

Dass Shim nach eigenem Bekunden auch Interesse an der Plastik hat, zeigen nicht allein die drei von ihm bearbeiteten Abluftrohre, die zwischen seinen Bildern aufgestellt sind, sondern auch einige andere Werke, bei denen er verstärkt am Material selbst gearbeitet hat. So eine Serie von drei Arbeiten, die bei ihrem Anblick so viel Mühelosigkeit ausstrahlen, dass man sich zu erinnern glaubt, etwas Ähnliches in der Grundschule gemacht zu haben. Horizontale, eng beieinander liegende, feine Schnitte in leicht gewölbtem weißen Papier, durch deren Schlitze der bunte Hintergrund hindurch scheint. Vergegenwärtigt man sich die Präzision und die ruhige Hand, die hier am Werke war, wird der Gedanke an die Grundschule allerdings schnell verdrängt.

Zum anderen aber eine Arbeit, die unscheinbar neben dem Eingang hängt und auf den ersten Blick leicht unbeeindruckt abgetan wird. Hier ist Shim sein Spiel mit Licht, Schatten und Reflexion am besten gelungen. Und vor allem sein Spiel mit der Wahrnehmung des Betrachters.

In der Galerie Simoncini, noch bis zum
13. März.


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