FOTOGRAFIE/MALEREI: Ta-buh!!!

Der Tabubruch als Thema einer Ausstellung ist alles andere als originell – die beiden Künstler Sandrine Monteiro und Grégory Beauséjour haben es trotzdem versucht.

Es gehört eine Menge Selbstbewusstsein dazu, als Künstler auf der ersten eigenen Ausstellung Tabubrüche anzukündigen. Der Schuss kann schnell nach hinten losgehen, gilt es doch, Tabus erst einmal als solche zu erkennen. Man ist gezwungen, die Lücke in der sozialen Kommunikation wahrzunehmen, die durch den tabuisierten Gegenstand oder Handlung ausgefüllt werden. Dazu ist es notwendig, sich von der Gesellschaft zu distanzieren und sie von außen zu betrachten. Aus diesem Blickwinkel, kann man tatsächlich den Finger in die Wunde legen. Und wer nicht aufmerksam genug beobachtet hat, zeigt nur auf eine abgeheilte Narbe.

Engagement und der aufklärerische Elan der Jugend spiegeln sich in der Ausstellung, die derzeit unter dem Titel „Tabou…che“ in der Galerie Terres Rouges in der Escher Kulturfabrik gezeigt wird. Präsentiert werden Arbeiten, größtenteils Fotografien, von Sandrine Monteiro und Grégory Beauséjour, die, beide in Luxemburg beheimatet, eng zusammengearbeitet haben und sich gegenseitig als Ideengeber und Ausführer unterstützten. Die Wahl der Themen ist größtenteils klassisch, dadurch aber nicht weniger originell. Allerdings wirken einige Motive doch fast überholt, etwa ihr Umgang mit der Religion.

Dass diese speziell im katholisch geprägten Luxemburg einen hohen Stellenwert hat, zeigte wieder einmal der große Menschenauflauf anlässlich der gerade beendeten Oktave. Doch auch unter diesen Massen wird sich wohl kaum einer finden, der sich durch die Darstellung einer Frau am Kreuz in irgendeiner Weise provoziert fühlt. Auch wenn dieses Foto zu Gedankenspielen einladen mag, ist es doch überschattet von den Ereignissen der letzten Wochen. In Anbetracht des Sumpfes, in dem die katholische Kirche steckt und der Tabus die von ihren Würdenträgern selbst gebrochen worden sind, wäre es wohl zweckdienlicher gewesen, ein Kind an das Kreuz zu schlagen. Und auch das Foto einer moslemischen Frau, die gefangen hinter ihrem Schleier durch einen eisernen Vorhang blickt, bezieht höchstens Stellung, ist aber mitnichten ein Tabubruch. Dazu hängt dieses Bild am falschen Ort.

Anders sieht es aus bei ihrem in beruhigenden Farben gehaltenen Bild einer Selbstmörderin, die sich im Wald erhängte und um deren Füße nun der Wind zu spielen scheint. Denn die Gesellschaft tut sich immer noch schwer mit Selbstmördern. Allein schon das Wort „Selbstmord“ charakterisiert das Tabu, spricht Mord doch für Heimtücke, Grausamkeit und niedrige Beweggründe.

Besondere Aufmerksamkeit verdient allerdings eine Fotografie mit dem Titel „Kut Woman“. Es verstört auf den ersten Blick wegen seiner Kombination aus Ästhetik und dem sich kaum erschließenden Motiv. Erst in Verbindung mit dem Titel wird daraus der Unterleib einer Frau, züchtig verhüllt in einen karierten Slip. Blut und Rasierklinge erinnern zuerst an die immer noch üblichen Beschneidungen afrikanischer Frauen. Erst danach erschließt sich ein Zusammenhang mit den Perversionen des Schönheitswahns und dem neuen Trend der Vagina-Verjüngung.

Schon wegen dieses einen Bildes lohnt sich der Besuch. Die beiden Künstler haben sich hohe Ziele gesteckt und auch wenn sie die Latte das ein oder andere Mal gerissen haben oder die große Provokation ausgeblieben ist, haben sie es doch geschafft den Finger oft genug dahin zu legen, wo es weh tut.

Bis zum 21. Mai in der Galerie Terre Rouges


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