NICHTRAUCHERSCHUTZ: Der Nebel lichtet sich

Es war, als hätte der Gesundheitsminister in ein Wespennest gestochen. Als Mars Di Bartolomeo Ende vergangenen Jahres ankün-digte, das Rauchverbot auch auf Cafés und Diskotheken auszuweiten, gab es einen gewaltigen Aufschrei.

 Zahlreiche Raucher beschwerten sich in den Internetforen von „wort.lu“ und „RTL“. Auch die Gastronomen ereiferten sich über diesen Eingriff in die „unternehmerische Freiheit“. Ihr Argument: Da die meisten Kunden Raucher sind, gefährde ein Rauchverbot zahlreiche Existenzen. Bei „Facebook“ gründete sich sich die Gruppe „D’Wiirtsleit géint d’Fëmmverbuet“, die mittlerweile knapp 3.700 Mitglieder zählt. Unter diesen sind aber nicht nur Gastronomen, sondern auch zahlreiche rauchende Kunden, für die „de Patt an d’Zigarett“ einfach zusammengehören. Doch mittlerweile scheint der Plan, den blauen Dunst aus den Gaststätten zu verbannen, wieder von der Tagesordnung verschwunden zu sein. „Fir eis huet d’Fëmmverbuet a Caféën an Diskothéiken ëmmer nach absolut Prioritéit, mee aus der Politik héiert ee guer näischt méi“, beschwert sich Marie-Paule Prost-Heinisch von der „Fondation luxembourgeoise contre le cancer“ gegenüber der „Woxx“. Dabei ist das Koalitionsabkommen vom Juli 2009, so Prost-Heinisch, eindeutig. Denn dort sei die Umsetzung des „Plan tabac“ verabredet worden, und der sehe nun mal den lückenlosen Nichtraucherschutz in der Gastronomie vor. Die „Fondation“ hofft nun auf einen neuen Anlauf nach der Sommerpause.

Vielleicht kommt die Diskussion in Luxemburg aber auch durch einen Vorgang in Deutschland wieder in Fahrt. Denn am Sonntag können knapp zehn Millionen Wahlberechtigte in Bayern darüber abstimmen, wie der Nichtraucherschutz im Freistaat in Zukunft geregelt sein soll. Urheber des Plans eines Volksentscheids über das Rauchverbot ist die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP), eine grün-konservative Gruppierung, die zwar noch nie den Einzug in ein Landesparlament geschafft hat, in Bayern aber in den Kommunen relativ stark verankert ist. Bayern ist eines der wenigen Bundesländer, in denen die Bürger über den Weg eines Volksbegehrens Einfluss auf die Gesetzgebung nehmen können. Allerdings ist die Hürde ziemlich hoch. Denn um ein politisches Begehren überhaupt erst den Bürgern zur Abstimmung vorlegen zu können, müssen sich innerhalb von zwei Wochen zehn Prozent der Wahlberechtigten in eine Liste in ihrer Gemeinde eintragen. Die Forderung der ÖDP nach einem lückenlosen Rauchverbot unterschrieben 1,3 Millionen Menschen, und damit rund 300.000 mehr, als eigentlich notwendig gewesen wären. Bei der Abstimmung am Sonntag genügt die einfache Mehrheit für das „Ja“, um den Volksentscheid zu geltendem Recht zu machen. Bei einer Mehrheit für das „Nein“ bleibt das derzeitige Gesetz, das mit seinen zahlreichen Ausnahmen der Sachlage in Luxemburg ähnelt, weiter bestehen.

Gewinnt das „Ja“, dann wäre das eine ziemliche Klatsche für die regierende CSU und ihren Ministerpräsidenten Horst Seehofer. Der hatte 2006, als er noch Verbraucherschutzminister in Berlin war, sehr offensiv für einen verbesserten Nichtraucherschutz geworben. Doch die Regierung verzichtete darauf, über das Arbeitsrecht die Beschäftigten im Gastgewerbe vor Tabakqualm zu schützen. Die Parteien knickten vor den Tabakkonzernen ein, die eine rauchfreie Gastronomie um jeden Preis verhindern wollen. Die Tabaklobby in Deutschland sichert sich seit Jahren den Einfluss auf die Parteien, indem sie Parteitage sponsort und dort mit eigenen Ständen vertreten ist. Die Tabakkonzerne zahlen Geld dafür, dass sich Spitzenpolitiker vor Werbeständen mit Vertretern der Tabakindustrie ablichten lassen. Nicht nur CDU/CSU und FDP, sondern auch die SPD wird großzügig bedacht. So hat das SPD-Blatt „Vorwärts“ seit Anfang letzten Jahres 95.000 Euro für Zigarettenanzeigen erhalten. Johannes Spatz von der Organisiation „Forum Rauchfrei“ sieht darin eine verschleierte Parteienfinanzierung.

Die verschleierte Parteienfinanzierung

Wegen der Untätigkeit der Regierung wird der Nichtraucherschutz nun über das Gaststättengesetz geregelt, das aber steht unter der Gestaltungshoheit der Bundesländer. Die ursprünglichen Gesetze wurden im Juli 2008 vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt, weil die obersten Richter in ihnen eine Benachteiligung kleiner Kneipen erblickten, die keinen separaten Raucherraum einrichten können. Das Verfassungsgericht schrieb vor, dass man entweder ein Rauchverbot ohne Ausnahmen – also auch ohne Raucherräume – einführen oder aber weiterhin das Rauchen in kleinen Kneipen zulassen müsse – vorausgesetzt, dort werden keine Speisen angeboten. Die Bundesländer entschieden sich – unter massivem Druck der Tabakkonzerne – für die zweite Variante. Cafés und Bars sind lediglich verpflichtet, am Eingang einen Hinweis anzubringen, ob es sich um ein Raucher- oder ein Nichtraucherlokal handelt. Diese Lösung wird übrigens auch von der Luxemburger Wirtsleuten favorisiert. Doch in Deutschland kann man beobachten, dass die Regelung nicht funktioniert. In Berlin, einer Stadt mit 3,4 Millionen Einwohnern, hat der Autor dieser Zeilen bislang kaum ein rauchfreies Café entdeckt. Selbst in vielen Restaurants, in denen das Rauchen eigentlich verboten ist, werden am späteren Abend die Aschenbecher auf die Tische gestellt. Da die für Kontrollen zuständigen Ordnungsämter ihre Arbeit um 22 Uhr einstellen, herrscht ab dann Anarchie und überall wieder dicke Luft. Beschwerden werden vom Ordnungsamt konsequent ignoriert ? ein Gesetz mit zu vielen Ausnahmen sei gar nicht kontrollierbar, so die zuständigen Stellen. Auch deswegen kämpft die ÖDP für einen Nichtraucherschutz ohne Ausnahmen. In Bayern wurde das ursprünglich sehr strenge Nichtrauchschutzgesetz nach der von der CSU verlorenen Landtagswahl 2008 wieder gelockert. Die CSU ließ sich von der Tabaklobby einreden, dass das Rauchverbot schuld sei an den historischen Verlusten der Christsozialen. Diese glaubten das nur zu gern, blieb es ihnen so doch erspart, sich weitere Gedanken über die wahren Ursachen für das Debakel zu machen. Zusammen mit dem neuen Koalitionspartner FDP erlaubte der neue Ministerpräsident Horst Seehofer wieder das Rauchen in Nebenräumen von Restaurants, in Kneipen sowie in Festzelten.

Doch das sorgte nun wiederum für einen Sturm der Entrüstung bei den 75 Prozent Nichtrauchern, so dass die ÖDP ihre Chance für ein erfolgreiches Volksbegehren witterte. Während der zweiwöchigen Eintragungsfrist bildeten sich teilweise lange Schlangen vor den Rathäusern. Die Menschen strömten herbei und unterschrieben für ein totales Rauchverbot in der Gastronomie, von dem die CSU doch glaubte, dass die Menschen es nicht wollten.

Vor dem Volksentscheid am Sonntag wird mit harten Bandagen gekämpft. Ein „Aktionsbündnis für Freiheit und Toleranz“ hat Bayern in den vergangenen Wochen mit seinen „Nein“-Plakaten zugeklebt. Die Initiatoren wehren sich gegen die angeblich drohende „Verbotsgesellschaft“. Der Verein wird finanziert von den Zigarettenherstellern, den Brauereien sowie den Aufstellern von Zigarettenautomaten. Dem Bündnis stehen  615.000 Euro zur Verfügung, von denen allein 150.000 Euro vom „Deutschen Zigarettenverband“ stammen. Hinter dem Ruf nach „Toleranz“ verbirgt sich also lediglich die Angst vor finanziellen Einbußen, die ein konsequenter Nichtraucherschutz mit sich führen würde. Die „Ja“-Seite, die außer von der ÖDP auch von der SPD, den Grünen, der Deutschen Krebshilfe, der Landesärztekammer sowie dem Bayerischen Landessportbund unterstützt wird, hat nur etwa 110.000 Euro zur Verfügung, die hauptsächlich aus Spenden stammen. Initiator Sebastian Frankenberger von der ÖDP spricht deshalb auch von einem Kampf „David gegen Goliath“.

Die Gastronomen haben sich – wie in Luxemburg auch – bereitwillig vor den Karren der Tabakkonzerne spannen lassen. Dabei geben Zahlen aus dem Ausland durchaus Anlass, den angeblichen Zusammenhang von Rauchverboten und Kneipensterben kritisch zu sehen. Schon vor vier Jahren veröffentlichte die Süddeutsche Zeitung (SZ) unter dem Titel „Das Rauchverbot enttäuscht seine Kritiker“ eine Zusammenstellung aus Ländern, in denen es schon weitreichende Rauchverbote gab. Das Ergebnis der SZ: Nach der Einführung der Gesetze sind die Umsätze in der Gastronomie nicht etwa gesunken, sondern sogar gestiegen. So verbuchte die Stadt New York in den ersten 12 Monaten nach der Einführung des Rauchverbots im April 2003 um 8,7 Prozent höhere Steuereinnahmen aus dem Gaststättenbereich. Die Lokale konnten offensichtlich viele neue Kunden gewinnen, die vorher die verrauchten Räume gemieden hatten.

Wie auch immer der Volksentscheid ausgeht – beide Seiten sind überzeugt davon, dass das Resultat Signalwirkung für ganz Deutschland haben wird. Sollten die Bürger in Bayern das strenge Rauchverbot der ÖDP ablehnen, wäre der Nichtraucherschutz in Deutschland wohl auf Jahre hinaus erledigt. Falls sich jedoch das „Ja“ durchsetzt, dann würde der Flickenteppich aus 16 verschiedenen Ländergesetzen endgültig ad absurdum geführt. Denn dann wäre das Rauchen in den Kneipen im bayerischen Neu-Ulm verboten, auf der anderen Donauseite, im baden-württembergischen Ulm, aber weiterhin erlaubt. Mit einer deutlichen Mehrheit für den Nichtraucherschutz könnten die Bayern dafür sorgen, dass in der Politik vielleicht doch der Mut zu dem Versuch wächst, über den Arbeitnehmerschutz eine bundeseinheitliche Regelung herbeizuführen. Das würde dann auch Mars Di Bartolomeo sicherlich mit Interesse beobachten.

Claude Kohnen arbeitet als freier Journalist und lebt in Berlin.


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