INSTALLATIONEN: Russische Puppe

Wer das Mudam nur selten besucht, kann durchaus an Daniel Burens Installation – schon wegen ihrer schieren Größe – einfach vorbeigehen, ohne sie überhaupt als ausgestellte Arbeit wahrzunehmen. Architektur in der Architektur, ein Pavillon als kleiner Zwilling des sonst offenen Grand Hall, dort hineingestellt wie bei einer Matjroschka: die kleine Puppe in die Größere.

Die Diskussion, inwiefern das Design von Alltagsgegenständen oder die Gestaltung eines Gebäudes durch den Architekten als Kunst zu beurteilen ist, füllt Bände der Kunstkritik. Oft wird hier angeführt, dass Kunst reflexiv, kritisch, gar welterzeugend zu sein habe und dies auf Dekor nicht zutreffe. Mit dem Minimalismus und besonders der beginnenden „Institutional Critique“ in den 60er Jahren erscheint diese Gegenüberstellung heute allerdings als obsolet. Besonders die Kritik an den ausstellenden Institutionen und die daraus entstandene neue Sicht auf die Präsentation und auch auf die Kunst an sich öffnete neue Wege. So wurde etwa die Beleuchtung der ausgestellten Arbeiten selbst – sonst eine zwar wichtige, aber kaum gewürdigte Nebensache – in den künstlerischen Blickpunkt gerückt.

Einer der Vorreiter dieser Bewegung ist Daniel Buren, der bei der „documenta 5“ 1972 in Kassel quasi eine Ikone des Ausstellungsdesigns geschaffen hat, als er ausgewählte Wände der Ausstellung mit einer Streifentapete überzog. Beginnend als Maler hat er sich schließlich in erster Linie der Konzeptkunst zugewandt und sich bei seinen Arbeiten in situ an dem „vor Ort“ gegebenen Umfeld orientiert. So ist es nicht mehr das Kunstwerk selbst, das den Blick des Betrachters auf sich ziehen soll, sondern es bildet den Rahmen, der dem Betrachter das Sehen erst ermöglichen möchte. Diese Haltung wird besonders deutlich bei seinen im Luxemburger Stadtgebiet aufgestellten Skulpturen, die den Postkartenblick „auf die Altstadt in ihrem pittoresken Charakter unterstreichen“ sollen. Mit der aktuellen Ausstellung folgte der 72jährige einer Einladung des Mudam und des Centre Pompidou-Metz, „hier wie dort eine auf die jeweiligen Räumlichkeiten antwortende Arbeit zu konzipieren“. In Luxemburg hat er sich der Architektur des Mudam angenommen und dessen Pavillon im Grand Hall im Maßstab 1:1 neu realisiert und interpretiert. Fast wirkt es so als hätte Architekt Ieoh Ming Pei diese Möglichkeit bei seinem Entwurf bereits vor Augen gehabt. Buren macht auf diese Weise den Ausstellungsraum selbst zum ausgestellten Objekt und zeigt so die Bedeutung der Architektur als Kunstform, verweist aber auch auf die Dominanz, die moderne Museen und Galerien gegenüber den präsentierten Arbeiten entwickelt haben. Dabei hat er freilich keine reine Kopie geschaffen, sondern aus der Sicht des Malers eigene Akzente gesetzt. Wie kaum anders zu erwarten liegt sein Hauptaugenmerk hierbei auf der Dachkonstruktion, die er bunt reproduziert hat. So entsteht im Inneren seines Pavillons ein imposantes Zusammenspiel aus Farbe und Licht, das gemeinsam mit dem Schattenwurf der Balken und Träger den Blick nach oben fordert. Dies wird noch unterstrichen durch einige wenige von den für Buren typischen Streifen, die er zwar effektiv, aber derart sparsam einsetzt, dass sie hier auch die Bedeutung einer Signatur erhalten.

Um Daniel Burens in den Bann schlagende Installation wirklich genießen und auf sich wirken lassen zu können, sollte man sich für den Besuch allerdings einen sonnigen Tag aussuchen und eventuell einen steifen Hals einkalkulieren.

Bis zum 22. Mai im Mudam.


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