Kooperationsgesetz: Gebremster Antrieb

Luxemburg ist Musterschüler in Sachen Entwicklungshilfe. Und das, obwohl die entsprechenden Gesetzesgrundlagen immer etwas der Realität hinterherhinken.

Um es vorweg zu sagen: Das vergangene Woche in der Abgeordnetenkammer deponierte Gesetz zur reform der Entwicklunsghilfe hat, anders als seine Vorgänger von 1985 und 1996, nicht den Anspruch, die Luxemburger Kooperationspolitik umzukrempeln. Es geht in erster Linie darum, einen gewissen Sprachgebrauch an eine sich wandelnde Welt anzupassen. Außerdem ist das Gesetz nach dem Motto „so wenig Vorgaben wie nötig, soviel Freiraum wie möglich“ gestrickt. Das wird den Akteuren der hiesigen Entwicklungspolitik – dem Ministerium für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe, der Entwicklungsagentur Lux-Development und den Entwicklungshilfe-ONGs – sicher entgegenkommen. Sie ziehen bislang weitgehend am selben Strang und haben, die rezenten Krisenjahre ausgenommen, immer mit einem realen Wachstum der zur Verfügung stehenden Mittel gelebt.

So ist der Wunsch der Gesetzesautoren, am bestehenden Text möglichst wenig herumzudoktern, auf den ersten Blick verständlich. Doch kann diese Haltung auch unerwünschte Folgen haben: Ein wenig ambitioniertes Gesetz könnte bei Änderung der politischen Großwetterlage dazu führen, dass einige der Prinzipien, die der aktuellen Politik zugrunde liegen, auf einmal nicht mehr gelten, weil sie nirgendwo verbindlich verbrieft sind. Vage Formulierungen erhöhen auch nicht unbedingt die Transparenz der geleisteten Arbeit. Und sie entmachten tendenziell das Parlament, dessen Kontrollfunktion ja vor allem darin besteht, dass es das Erreichte an den beschlossenen Vorgaben misst.

Doch anscheinend tickt Luxemburg etwas anders. Tatsächlich hat die Luxemburger Entwicklungshilfe, zumindest was ihren Umfang anbelangt, Vorbildcharakter und das ohne strenge gesetzliche Vorgaben. Nimmt man alle Formen der Entwicklungshilfe zusammen, so hat Luxemburg 2009 fast 298 Millionen Euro an Entwicklungshilfe geleistet und damit erstmals das Ziel von einem Prozent des Bruttosozialproduktes überschritten.

Als die sozialistischen Abgeordneten Lydie Err und Marc Angel – damals aus der Opposition heraus – 2002 einen Gesetzesvorschlag zur Reform der Entwicklungshilfe einreichten, taten sie dies exakt aus folgendem Grund: Die Aktivitäten des Kooperationsministeriums sollten in ihrer Zielsetzung und ihrer Ausführung genauer beschrieben werden. Und: Als sie noch Staatssekretarin für Entwicklungshilfe war, musste Lydie Err feststellen, dass in ihrem Ministerium sich einiges improvisiert und frei von Strategie ausnahm.

Das Err/Angel Vorhaben ereilte zunächst dasselbe Schicksal wie viele andere von Abgeordneten initiierte Gesetzesinitiativen: Es geriet in Vergessenheit. Doch im letzten Jahr geschah das Unerwartete, und der Staatsrat ließ sich einen sogar recht wohlgesinnten „Avis“ entlocken. Das zwang die amtierende Ministerin zum Handeln, die denn auch gleich verkündete, dass man kurz davor stehe, eine eigene Reform einzureichen. Auf einmal war es sogar so eilig, dass man keine Zeit mehr fand, die Zivilgesellschaft bei der Ausarbeitung des Textes mit einzubeziehen.

Immerhin: Noch vor Ende des Jahres 2010 wurde der Regierungsrat mit einem Reformtext befasst, der jetzt nach einigen Anpassungen als Gesetzesvorschlag vorliegt. Der Text beschränkt sich, wie erwähnt, auf lediglich textliche Umänderungen des zurzeit geltenden Gesetzes aus dem Jahre 1996.

Anders als in der Err/Angel Vorlage wird keine umfassende Beschreibung der Grundlagen und der Instrumente der Kooperationspolitik versucht. Nur die etwas genauere und umfangreichere Beschreibung des jährlich der Abgeordnetenkammer vorzulegenden Entwicklungshilfeberichts hat Einlass in den Reformvorschlag gefunden. Dagegen bleiben wichtige Akteure, wie etwa die inzwischen ganz in staatlichen Besitz übergegangene Agentur Lux-Development, auch weiterhin unerwähnt. Dabei hat sich die Rolle von Lux-Development in den letzten Jahren so stark verändert, dass ohne sie die bilaterale Entwicklungshilfe Luxemburg gar nicht möglich wäre – 2009 wurden mit 83 Millionen Euro rund 44 Prozent der bilateralen Hilfe über Lux-Development abgewickelt.


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