INSTALLATION: I am, I am to come, I was

So ganz inspiriert scheint die japanische Künstlerin Sushan Kinoshita, die zurzeit im Mudam zu sehen ist, nicht gewesen zu sein: Für ihre Ausstellung „Stick Empathy“ verwendete sie Elemente früherer Installationen, außerdem Fundstücke und Tonspuren. Einen Teil der Arbeit hat ihr Hund erledigt, der von Spaziergängen unterschiedlich große Äste mit nach Hause brachte, die die Künstlerin einfach waagerecht untereinander an die weiße Wand gehängt hat. Dann hat sie die Raumteiler im Mudam durchtrennt, so dass ein Kontinuum zwischen den einzelnen Räumen entsteht und der Besucher die Räume nun einmal anders herum durchwandeln kann.

Und sonst? Sonst ist da noch der Text, angelehnt an Gertrude Stein, die berühmte Kunstsammlerin, legendäre Gastgeberin und bedeutende Vertreterin der klassischen literarischen Moderne, den Sushan Kinoshita irgendwo in die Mitte der Wand geritzt hat. Ein Text aus einem von Steins frühen Theaterstücken, in dem es um Perspektivenwechsel geht. Aus installierten Lautsprechern in einem anderen Raum tönen tautologische Sätze à la „Rose is a rose is a rose is a rose“ – experimentelle Gedankenblöcke, die Gertrude Stein bekannt gemacht haben, da sie sich mit ihnen über sprachliche und literarische Konventionen hinwegsetzte: Wiederholungen, fließendes Auseinanderlaufen, sprachliche Assoziationen, zerhackendes Staccato. Und was haben diese Tautologien mit Sushan Kinoshita zu tun? Die Texte funktionieren wie das Kinderspiel „Stille Post“, so die Künstlerin. An verschiedenen Orten im Raum und jeweils von einem anderen Sprecher vorgetragen, setzten sie neue Akzente. Auch ein auf die Wand projiziertes Video eines Theaterstücks habe mit dem Phänomen der Verschiebung zu tun. Allerdings nicht mit Raum- oder Textverschiebungen, sondern mit dem Phänomen, zur falschen Zeit am richtigen Ort zu sein, wie die Künstlerin in einem Interview erläutert.

Das Gefühl, zur falschen Zeit am richtigen Ort zu sein, befällt einen auch als Besucher: Kinoshita, die an der Musikhochschule in Köln zeitgenössisches Musiktheater studiert hat und auch als Schauspielerin und Regisseurin aktiv war, führt dem Besucher ihre, an sich löbliche, unhierarchische, offene Arbeitsweise vor, die hier aber nur ein unverständliches Nebeneinander von Objekten und Klängen zum Ergebnis hat. Die Ausstellung besteht gewissermaßen aus einzelnen kleinen Darbietungen, die für sich stehen und doch kein Ganzes ergeben. Zur Kontemplation oder Assoziation regen die Arbeiten der Japanerin nicht an.

Auch die Erläuterungen, die das Mudam in dem ausliegenden Miniguide zu der minimalistischen Rauminstallation der Japanerin gibt, sind mehr als karg. Hat Kunst eigentlich noch einen Sinn, wenn es ihr nicht mehr gelingt, sich mitzuteilen oder wenn das Mitgeteilte einfach belanglos ist? Laut dem Philosophen Hegel ist die Kunst an ihrem Ende angelangt, wenn sie sich so ins Begriffliche vergeistigt hat, dass ihre Materialität überflüssiger Ballast geworden ist. Kunst geht auf in Philosophie. Im Hinblick auf die Konzeptualität von Werken bedeutet das, mit Werken konfrontiert zu sein, die etwas über das Zeigen sagen, sowie Werken, die sagen, daß sie etwas über das Zeigen sagen, oder Werken, die etwas sagen, was vom Gezeigten verschieden ist, und Werken, die etwas über das Sagen sagen, und schließlich Werken, die sagen, daß Werke nichts zu sagen haben. Irgendwie scheint das oder einiges davon bei „Stick Empathy“ der Fall zu sein.

Zu sehen im Mudam bis zum 22. Mai.


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