Die LSAP-Minister Asselborn und Schmit betonen den humanen Charakter ihres Entwurfs zum neuen Asylgesetz. Dabei steht er in der Tradition von Luc Friedens Abschiebepolitik und entspricht ganz den Harmonisierungsbestrebungen der EU.
Ibrahim Ejiofor* ist spät dran. Der Nigerianer ist zwar schon vor halb neun im Immigrationsministerium in der Avenue Monterey. Doch andere warten bereits im Erdgeschoss, bis sie aufgerufen werden – Asylbewerber wie er. Sie sind aus unterschiedlichen Anlässen gekommen. Im Ministerium wird ihnen eine Unterkunft zugeteilt, erhalten sie Taschengeld oder eine Busfahrkarte. Eines verbindet sie: Sie warten auf einen Bescheid, ob sie in Luxemburg bleiben dürfen oder nicht.
Ibrahims Geschichte klingt abenteuerlich. In Nigeria habe er nicht mehr bleiben können. Er sei vor dem ethnischen Konflikt in dem bevölkerungsreichsten Land Afrikas geflohen, dem seit 1999 mehr als 10.000 Menschen zum Opfer gefallen sind. Über Umwegen sei er in Luxemburg gelandet. Dort bestünden gute Chancen aufgenommen zu werden, habe man ihm gesagt. Doch mittlerweile plagen Ibrahim Zweifel: „Es gibt wenig Hoffnung.“ Seine Asylprozedur läuft, Ausgang ungewiss.
Im Warteraum des Ministeriums sitzen Menschen aus allen Herren Ländern: KosovarInnen, RussInnen, LiberianerInnen, NigerianerInnen … Im selben Gebäude, nur ein paar Stockwerke höher, haben Außen- und Immigrationsminister Jean Asselborn und der delegierte Minister Nicolas Schmit am Donnerstag vergangener Woche eine Gesetzesvorlage vorgestellt, mit der das Asylgesetz von 1996 reformiert werden soll. Das 96er-Gesetz weise Defizite auf, sagte Schmit. Mit der neuen Version verfolge man nicht zuletzt das Ziel, die Asylprozedur zu beschleunigen.
Schnellere Verfahren aber hatte bereits ein Gesetzentwurf von Justizminister Luc Frieden im April als Schwerpunkt. Den Weg durch die Instanzen schaffte er allerdings nicht. Mit der neuen Regierung wechselte auch die Zuständigkeit für Zuwanderung und Asyl vom Justiz- in das neu geschaffene Immigrationsministerium. „Neue Besen kehren bekanntlich gut“, frohlockte das Tageblatt und lobte die Initiative der beiden LSAP-Minister Asselborn und Schmit. Das Luxemburger Wort griff sogar in die Mottenkiste der Fernsehgeschichte und nannte den Gesetzesvorschlag nach einer US-Krimiserie „hart aber herzlich“.
Beim größten Teil der Luxemburger Medien kam das Duo Asselborn/Schmit mit ihrem Vorhaben gut an: „Herzlich, aber entschlossen“ nannten die beiden Minister das Motto ihrer Asylpolitik. Der Gesetzentwurf sei in der Tat anspruchsvoller als der des Justizministers, urteilt Asti-Präsident Serge Kollwelter. Nun seien auch die Rechte der AsylbewerberInnen im Gesetz festgeschrieben: das Recht auf juristischen Beistand und auf einen Dolmetscher etwa sowie besondere Regeln für Minderjährige. Frieden ging es dagegen vor allem um eine schnelle Abschiebung. Die Asylverfahren dauern in der Regel zwischen zwei und drei Jahren. Die beschleunigte Variante wäre nach sechs Monaten abgeschlossen, und zwar nicht durch weniger Einspruchsrechte, sondern durch mehr Personal in den zuständigen Behörden.
Leere Schale
Einer weiteren Neuerung zufolge sollen AsylbewerberInnen, die ein Jahr in Luxemburg leben, künftig hier auch arbeiten dürfen. Asti-Chef Kollwelter begrüßt dies, weist aber zugleich darauf hin, dass die Arbeitserlaubnis für AsylbewerberInnen auf eine EU-Direktive zurückgeht. Darin wird eine Aufenthaltsdauer von sechs bis zwölf Monaten vorausgesetzt. „Luxemburg reizt den Spielraum voll aus“, sagt Kollwelter und fügt hinzu: „Wenn gleichzeitig die Asylprozedur nur noch sechs Monate dauern soll, profitiert kaum jemand von der Regelung. Die wäre dann eine leere Schale.“
Überhaupt sollen mit dem neuen Gesetz mehrere EU-Direktiven in nationales Recht übernommen werden: unter anderem die Direktiven zur „protection temporaire“ von 2001, zu den „conditions d’accueil“ (2003) und jener zu den Minimalstandards für AsylbewerberInnen, um den Flüchtlingsstatus zu erlangen (2004). Luxemburg folgt damit den europaweiten Harmonisierungsbestrebungen der Asylpolitik. In den meisten Ländern der EU wurde das Asylrecht drakonisch verschärft. Der Grundtenor: schnellere Prozeduren, mehr Lager und effizientere Abschiebungen. Nach dieser Devise brachte zuletzt die Regierung in Österreich – dem Land mit den nach Zypern meisten AsylbewerberInnen pro Kopf in Europa – eine Gesetzesinitiative auf den Weg.
Auch in Luxemburg soll weiter abgeschoben werden, und zwar „solche, die das Asylrecht missbrauchen und gegen Recht und Ordnung verstoßen“, erklärte Schmit. Dies gelte auch für jene, die bereits in einem anderen EU-Land Asyl beantragt hatten. Die AsylbewerberInnen sollen seinen Worten nach möglichst in eine geschlossene Auffangstruktur gesteckt werden. Wie eine solche genau aussehen wird und welcher Standort für das „Centre de rétention“ vorgesehen ist, steht noch nicht fest. Schmit will sich erst noch entsprechende „Modelle“ im Ausland anschauen. „Von außen sieht es wie ein Gefängnis aus, von innen jedoch ganz anders“, so der Minister, der zugleich betonte, dass eine Ghettoisierung von AsylbewerberInnen verhindert werden müsse. Als wäre nicht gerade eine geschlossene Anstalt ein Ghetto par excellence.
Das hindert Schmit nicht daran, die luxemburgische Asylpraxis als immer noch „extrem liberal und extrem tolerant“ zu bezeichnen. Er verweist dabei darauf, dass Luxemburg das einzige Land in der EU mit steigenden Asylbewerberzahlen sei. Von 2001 bis 2003 stiegen diese von 687 auf 1.549, ähnlich viele werden für 2004 erwartet (in ganz Europa waren es nach UNHCR-Angaben 2003 etwa 20 Prozent weniger Asylanträge als im Vorjahr). Für die Luxemburger Regierung Zeit zum bremsen, um nicht gerade während sie den EU-Ratsvorsitz inne hat aus dem harmonischen EU-Konzert auszuscheren. Amnesty international fordert hingegen, Luxemburg solle die Präsidentschaft nutzen, um mehr für den Flüchtlingsschutz und für die Einhaltung der Menschenrechte zu kämpfen.
Dass es auch weniger restriktiv geht, bewies die belgische Regierung diese Woche, indem sie rund 10.000 AsylbewerberInnen ein dauerhaftes Bleiberecht in Aussicht stellte. Innenminister Patrick Dewael versprach, vor allem so genannte Altfälle zu regeln, die seit vier und mehr Jahren auf eine Entscheidung warten.
Im Vergleich zu Belgien geht man in Luxemburg dagegen eher halbherzig mit dem Bleiberecht um: So sollen nach den Worten von Außenminister Asselborn nur jene Flüchtlingsfamilien, die mindestens seit 1. August 2001 im Großherzogtum leben, ein Bleiberecht erhalten – soweit ihre Kinder eine Sekundarschule besuchen oder in der Berufsausbildung sind. Anderen droht dagegen, bei einem negativem Asylbescheid, nach wie vor die Abschiebung, notfalls in einen so genannten sicheren Drittstaat. Auch dies wäre nur die Umsetzung einer EU-Direktive.
*Name von der Redaktion geändert