„Utopia“ ist der Titel des 1516 von Thomas Morus in lateinischer Sprache verfassten philosophischen Dialogs über eine ferne und „ideale“ Gesellschaft. Als Gegenentwurf zum Genre der Utopie gelten die so genannten Dystopien, in denen es um fiktionale, zukünftige Gesellschaftsformen geht, die sich zum Negativen hin entwickeln. Gerade mit Hilfe pessimistischer Zukunftsbilder wollen Autoren oder Künstler auf bedenkliche Entwicklungen der Gegenwart aufmerksam machen. Dunkle Visionen stehen zurzeit auch im Mudam in der Ausstellung „I’ve Dreamt About“ im Mittelpunkt. Sie gehört zu den regelmäßig stattfindenden Ausstellungen des Mudam in denen Werke der eigenen Sammlung gezeigt werden.
So sind die mit äußerster Sorgfalt ausgearbeiteten Zeichnungen des englischen Künstlers Steven C. Harvey finstere Visionen einer technisierten Welt: Überdimensionierte Hubschrauber, zum Teil mit religiösen Symbolen versehen, so wie ausufernde Kolosse aus Stahl mit riesigen Laderampen beherrschen die Szenarien. Mensch und Tier scheinen hilflos in dieser Welt der totalen Technik gefangen zu sein. Schon immer hat Harvey die absurden Bedingungen unseres Daseins auszudrücken versucht.
Ebenso düster sind die schematischen Gouache-Malereien von Chad McCail – auch wenn sie weniger auf die Dominanz der Technik als vielmehr auf die Perversität des Menschen an sich eingehen. McCail thematisiert in einer unmittelbaren und einfachen, visuellen Sprache menschliche Lebensumstände vom Standpunkt der Macht, der Sehnsucht und der Unschuld. Er entwirft eine dystopische Gesellschaft, die durch repressive soziale Kontrolle charakterisiert ist. In seinen Bildern scheinen vermummte Gestalten dem einzelnen Indviduum jegliche Freiheit geraubt zu haben, in McCails Welt von scheint jegliche Kommunikation eingeschränkt.
Gesellschaftliche Entwürfe und ihre Errosion stehen auch im Mittelpunkt der Kollagen-Reihe „Lenin-Art“ oder „Leniniana“ des zentralasiatischen Künstlers Vyacheslav Akhunov. Er gehört zu den typischen Vertretern jener Künstlergeneration, die die stürmischen Zeiten der Stagnation und des Zerfalls der Sowjetunion, der Perestroika und der Unabhängigkeit der postsowjetischen Republiken bewusst miterlebt haben. In seinen Werken versinken somit auch die Symbolträger der Sowjetunion oder die Tempel ihrer Macht wie der Kreml in einer trostlos-leeren Landschaft.
Bedrohlich und schaurig zugleich wirkt auch die Installation von Yves Netzhammer: Hier steht nur ein Paar Schuhe in der Mitte eines Raumes. Von den Schuhen spannen sich schwarze Schnürsenkel zu den sie umgebenden Wänden. Ein Spinnennetz, dem der Künstler den Titel „Reservat“ gegeben hat.
Eine andere Installation, die beeindruckt, ist das Werk „If I Had Known“ von Julien Grossmann. Auf einem Tisch lässt Grossmann ein leeres 16 mm-Tonband über geometrisch angebrachte Spulen laufen. Grossmann untersucht in seinem Werk die unterschwelligen Mechanismen von Bild- und Tonträgern, indem er ihre greifbare Präsenz unterstreicht und ihr narratives Vermögen in theatralischen Settings hinterfragt: Statt ihrer eigentlichen Funktion der auditiven Vermittlung nachzukommen, wird das Band hier zum ästhetischen Leerlauf.
Unter dem Ausstellungstitel „I’ve Dreamt About“ hat das Mudam insgesamt eine breite Pallette seiner KünstlerInnen mit den unterschiedlichsten Ansätzen subsumiert. Auch wenn einige Werke zum Nachdenken anregen oder überraschen, sind dennoch so manche Arbeiten schwer zu entschlüsseln. Weder über den Künstler selbst, noch über die Bedeutung der ausgestellten Arbeit im Kontext seiner allgemeinen Herangehensweise erfährt der Besucher irgend etwas. Eigentlich schade.
Zu sehen noch bis zum 4. März.
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