KOALITION: Neuer Besen

Die neoliberalen Sprüche des zu-künftigen Premiers lösen bei der LSAP Existenzängste aus. Doch sind die Widersprüche bei der CSV nicht minder groß.

„De séchere Wee“. Mit diesem Spruch ist die CSV in der Vergangenheit gleich mehrfach zu Landes- und Kommunalwahlen angetreten. Mit „Juncker um Tour“ fuhr sie 2009 ein Wahlresultat ein, mit dem sie sich souverän unter drei Mitstreiterparteien eine als Koalitionspartner aussuchen konnte. Von Jean-Claude Juncker stammt der Spruch des „natürlichen Koalitionspartners“ LSAP. Denn das Modell Luxemburg war vor allem durch eines gekennzeichnet: den berühmten sozialen Frieden. Die CSV verstand es seit jeher, in den eigenen Reihen sowohl Exponenten der Arbeitgeberschaft als auch der Gewerkschaften heimisch werden zu lassen. Der sichere Weg hieß: Wir halten es mit den Großen, damit für die Kleinen möglichst viel abfällt.

Trotz aller OECD-Studien und sonstiger Mahnungen stand Juncker am Anfang seiner Amtszeit als Premier fest zum Erhalt der Luxemburger Eigenarten, wie der automatischen Indexanpassung und der regelmäßig vorzunehmenden Angleichung des Mindestlohns an die Entwicklung der Löhne insgesamt.

Den Index hatte Juncker 2006 allerdings schon einmal, vorübergehend, zur Disposition gestellt. Damals noch mit Einwilligung der Gewerkschaften, die sich dafür das Einheitsstatut bei den privaten ArbeitnehmerInnen erstritten.

In diesem Jahr wurde die „Modulation“ erneut und diesmal ohne Gegenleistung, durchgesetzt. Die LSAP stimmte der Änderung zu, wohl auch, weil sie weiß, dass sie nur auf Abruf mit im Regierungsboot sitzt. Zwar wird man, solange unpopuläre Dossiers gerade von sozialistischen MinisterInnen abgearbeitet werden, bei der CSV wohl kaum auf den aktuellen Koalitionspartner verzichten wollen. Aber das Index-Votum, das nicht ohne Gegenstimme, aus den Reihen der LSAP zustande kam, war sicherlich das Äußerste, was sich diese Partei selber zumuten konnte.

Die nächste Bastion heißt Mindestlohn. Der ist zugegebenermaßen in Luxemburg sehr viel höher als bei den Nachbarn. Die Logik der Angleichung von unten stößt unausweichlich an eine Grenze, die die Wettbewerbsfähigkeit von Betrieben, die vor allem unqualifizierte ArbeiterInnen beschäftigen, gefährden. Noch hält die Koalition Juncker-Asselborn an der Anpassung des Mindestlohns fest.

Doch stagnierende oder rückläufige Mindestlöhne werden, anders als bisher von der CSV versprochen, die Schere zwischen Reich und Arm weiter aufgehen lassen. Frieden setzt dafür auf Almosen in Form von Gutscheinen für Bedürftige. Der hohe Umverteilungsetat ist ihm schon lange ein Dorn im Auge. Er soll auf das Wesentliche begrenzt werden. Eine andere, weil progressive, Steuerpolitik – bis hin zu Negativsteuern – steht nicht zur Debatte.

Nun aber häufen sich die Indizien, dass der gegenwärtige Premier definitiv reif ist für einen hauptamtlichen Job in Brüssel. Den Angriff auf den Mindestlohn überlässt er vorsorglich seinem Nachfolger, der sich als Sparkommissar gibt und als Finanzminister von sich behauptet, der erste zu sein, der seinen Minister-KollegInnen Ausgabenkürzungen vorschreiben muss.

In einer kürzlich vor dem Ingenieursverein gehaltenen Rede verlangte der Minister von allen Akteuren einen zweijährigen Denkprozess für die Anpassung des Luxemburger Modells an das neue internationale Umfeld. Das Ergebnis soll der Regierung, die aus den Wahlen 2014 hervorgehen wird, als Richtschnur dienen. Auf diese Weise lässt Frieden sich das Mandat für die erste Wahl, die er als CSV-Spitzenkandidat bestreiten wird, nicht vom Parlament oder von seiner Partei erteilen, sondern von den Wirtschaftsführern. Sein Vorwurf an seine PolitikerkollegInnen: Ihn treibe die Sorge um, dass die Politik nicht den Mut für die notwendigen Entscheidungen aufbringt.

Die geharnischte Reaktion des Koalitionspartners LSAP ist demnach weniger ein Anzeichen für eine Auseinanderbrechen der Koalition als vielmehr ein bloßes Vorgeplänkel des nächsten Wahlkampfs. Der LSAP-Fraktionsführer hat dabei weniger den zukünftigen Premier im Visier als dessen Partei, die nicht ohne Stolz das „S“ im Namen führt. Die CSV muss selbst abschätzen, ob der Weg, den Frieden gehen will, dem Sicherheitsbedürfnis der eigenen Klientel gerecht wird


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