Als „skandalös“ bezeichnet Greenpeace das Urteil der Cour administrative zur Sotel-Leitung. Die Firma Sotel hatte gegen die Gemeinde Sanem geklagt, die 2010 die Baugenehmigung für die so genannte Cattenom-Leitung verweigert hatte, doch das Tribunal administratif hatte im vergangenen November dem Bürgermeister recht gegeben. Dieser hatte sich seinerzeit auf den Bebauungsplan (PAG) berufen, der – wegen der Strahlungsbelastung – eine Mindestdistanz von 50 Metern zwischen Hochspannungsleitungen und Wohnhäusern vorsieht – die Sotel-Trasse reicht viel näher heran. Doch die Cour administrative – in einer sehr breiten Auslegung ihres Interpretationsspielraums – befand, die PAG-Regelung beruhe auf einer ministeriellen Vorgabe. Diese aber beziehe sich nur auf Freileitungen und nicht auf die von Sotel vorgesehene unterirdische Verlegung. Diese Unterscheidung wird zwar im Bebauungsplan nicht gemacht, doch das Gericht überging den Buchstaben der PAG-Regelung, um ihrem Geist zu folgen – oder dem, was es dafür hielt. Weil aber der Bürgermeister es versäumt hatte, bei der Verweigerung der Genehmigung auch andere Begründungen anzuführen, schlussfolgert die Cour – nun wieder ganz eng in ihrer Auslegung – dass diese Entscheidung hinfällig sei. In einem Kommuniqué erinnert Greenpeace daran, dass die Impaktstudie zur Leitung die Strahlungsbelastung durch eine unterirdische Leitung nicht als viel geringer einschätzte. Die Auslegung der Cour administrative aber könnte dazu führen, dass der Strahlenschutz bei unterirdischer Verlegung gänzlich ausgesetzt ist. „Das Gericht schützt die Interessen der Konzerne und der Regierung, statt die der Bürger“, so Greenpeace. Es handle sich um ein „politisches Urteil“, und es gehe den Richtern darum, „mit allen Mitteln die Anbindung des Luxemburger Stromnetzes an das französische zu erreichen, um Atomstrom zu importieren“. Energieminister Etienne Schneider reagierte nicht minder heftig: Die Vorwürfe von Greenpeace seien „absoluter Quatsch“, sagte er gegenüber RTL. Weder sei Druck auf die Justiz ausgeübt worden, noch könne er die Angst vor der elektromagnetischen Strahlung teilen. Außerdem gehe es nicht darum, mit dieser Leitung Atomstrom aus Frankreich zu importieren. Letzteres ist eine ziemlich dreiste Behauptung, denn der gleiche Schneider hatte vor ein paar Monaten erklärt, die Leitung senke die Kosten für den Import dieses Stroms und diese Kostensenkung sei wichtig für den Erhalt der Arbeitsplätze in der Stahlindustrie (woxx 1153).
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