GRUPPENAUSSTELLUNG: Venedig sehen und … wiederkommen

von | 19.10.2012

Die am vergangenen Wochenende im Mudam eröffnete Ausstellung „Atelier Luxembourg – The Venice Biennale Projects 1988-2011“ bietet die einmalige Gelegenheit, dem luxemburgischen „Kunstwollen“ der vergangenen 25 Jahre, eingebettet in einen internationalen Kontext, nachzuspüren. Die Retrospektive zeigt die seit 1988 geleisteten zwölf Biennale-Beiträge Luxemburgs – auf zwei Stockwerke verteilt – und, im Falle der ortsbezogenen Installationen, seit Mitte der Neunzigerjahre die dominierende Kunstform, mitunter aufwändig rekonstruiert. Vorher war Luxemburg ja, mit Ausnahme des Jahres 1956, als Joseph Kutter und Auguste Trémont am Canal Grande gastierten, in Venedig nicht vertreten.

Kurator Enrico Lunghi hat sich ganz unaufgeregt und behutsam didaktisch für eine vierteilige Präsentation entschieden: den Beitrag an sich; eine Vitrine mit Plänen, Skizzen, Katalogseiten, Fotos aus den Privatarchiven der nominierten KünstlerInnen; ein Video-Interview; einen knappen Ausstellungstext an der Wand …

Angeleiert wurde das „Unternehmen Venedig“ eigentlich erst durch die Künstlerin Patricia Lippert, die sich beim damaligen Kulturminister Robert Krieps für eine luxemburgische Beteiligung stark machte. So kam es, dass Lippert, zusammen mit ihrem Kollegen Moritz Ney, 1988 zu diesem international exponierten Außenposten der einheimischen Kunstszenen geschickt wurde – als Kosmonautin auf Mission. Wir schreiben die späten 1980er, noch ganz im Zeichen einer wiederentdeckten, „heftigen“ Figuration, und so standen bereits die ersten drei Biennalen aus Luxemburger Sicht (nach Lippert mit ihrem erdfarbenen Primitivismus und Ney mit seinen „Brücke“-verliebten Holzplastiken und Gouachen, waren dies Marie-Paule Feiereisen sowie Jean-Marie Biwer/Bertrand Ney) durchaus „im Trend der Zeit“. Fast zeitgleich, nämlich 1989, wurde die Fondation Grand-Duc Jean – als Mudam-schaffende Instanz – von der Regierung ins Leben gerufen.

Irgendwie, so macht es die Ausstellung en filigrane deutlich, war da etwas im Kommen, international auch, im Zuge hereinbrechender Globalisierungsgewalten, das die eine oder andere „Gegenwartsanpassung“ im traditionsgemäß – zumindest in Kunstfragen – schlafmützig nach Paris schielenden Luxemburg unumgänglich machte.

1995 dann, im ersten Kulturjahr, ließ sich der gerne urbanistisch-interventionistisch räsonierende Konzeptkünstler Bert Theis für seinen Beitrag in einer Grauzone zwischen dem belgischen und niederländischen Pavillon nieder. Länder ohne eigenen Pavillon hatten bis dato im denkbar ungeeigneten Padiglione Italia zusammen ausgestellt, aber auch dieser war 1995 vom damaligen Biennale-Chef Jean Clair requiriert worden. Durch diesen mit viel Chuzpe ausgeführten Akt der Selbstermächtigung entstand ein gewisser „Buzz“, der sich auch in der internationalen Presse niederschlug.

Aber das war natürlich nichts im Vergleich zum Jahr 2003, als die noch nahezu unbekannte Su-Mei Tse, die kurz zuvor in der Düdelinger Galerie Dominique Lang ausgestellt hatte, mit ihrer multimedialen Installation „Air Conditioned“ mit dem Goldenen Löwen für die beste nationale Teilnahme ausgezeichnet wurde. Nach Simone Decker (1999) und Doris Drescher (2001) war dies die dritte Ausstellung in der nun offiziell unter luxemburgischer Flagge segelnden Ca‘ del Duca am Canal Grande, deren Topographie für knifflige bis poetische In-situ-Arbeiten wie gemacht scheint.

Zwei Beiträge verdienen es, besonders hervorgehoben zu werden, nicht zuletzt weil sie doch etwas aus dieser Logik von Raumdenken und Kontextualität ausbrechen bzw. sie nicht in den Mittelpunkt stellen. Da wäre zum einen
Antoine Prums Kunstfilm „Mondo Veneziano: High Noon in the Sinking City“ zu nennen, eine köstliche Parodie auf das Kunstmilieu, die in verquastem Kuratorenwelsch, wie in einem René-Pollesch-Stück, ein wildes Zapping durch sämtliche Handbücher der Ausstellungspraxis wagt. Als Kulisse dient ein Faux-Venedig, nämlich die verlassene Filmkulisse am Rande von Esch/Alzette.

Zum anderen muss die Video- und Sound-Installation „Collision Zone“ von Gast Bouschet und Nadine Hilbert erwähnt werden, die unter Zuhilfenahme von Day-for-Night-Filtern das danteske Panoptikum einer schmutzigen Randzone, nämlich der „Festung Europa“, ausbreitet und von einer unterschwelligen Gewalt dermaßen durchtränkt ist, dass man nur sprachlos davorstehen kann. Ganz große Kunst!

Im kommenden Jahr wird die junge „surdouée“ Catherine Lorent, in Berlin lebende Künstlerin, Kunsthistorikerin, Performerin und Musikerin, Luxemburg auf der 55. Venediger Biennale vertreten.

Im Mudam, bis zum 24. Februar 2013.

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