„Kann es Liebe sein?“ heißt eine von den jungen, in Berlin lebenden Kuratoren Nora Mayr und Gilles Neiens konzipierte Ausstellung, die momentan im Ratskeller des Cercle Cité in Luxemburg zu sehen ist. Premiere feierte die Wanderausstellung im Grimmuseum in Berlin-Kreuzberg, einer gemeinnützigen Plattform zur Förderung zeitgenössischer Kunstformen. Endstation ist nächsten Monat während der sogenannten Vienna Art Week, wo die Exponate im Künstlerhaus – k/haus genannt – in der österreichischen Hauptstadt zu sehen sein werden.
Die Ausstellung widmet sich thematisch dem „Problembegriff“ Liebe und seinen ästhetisch-künstlerischen Rezeptionsmöglichkeiten – wobei seitens des Kuratorenduos eine „Aufmerksamkeitsverschiebung vom Intellekt hin zum Gefühl“ beabsichtigt ist. Dass die romantische Utopie der wechselseitigen Liebe auch in Zeiten totaler Ökonomisierung und Spektakularisierung, freudloser Zwangskommunikation und hemmungsloser Selbstdarstellung noch über eine beachtliche Restwärme verfügt, das versucht „Kann es Liebe sein?“ auf ebenso widersprüchliche wie eindringliche Art zu beweisen.
Zuerst einmal: Ein leidenschaftlicher Zungenschlag kann auch ein immaterieller Kunstbeitrag, und somit ein subversiver Akt der Eroberung hierarchisierter, sakralisierter Ausstellungsräumlichkeiten sein. Eine Art Trojaner, wenn man so will. Hatte nicht der ehemalige Vorsitzende der Jungsozialisten Gerhard Schröder es vorgemacht und „Ich will hier rein!“ gerufen, heftig an den Gitterstäben des Kanzleramtes rüttelnd?
In der Video-Performance „The Kiss“ der Österreicherin Maria Anwander erleben wir, wie die Künstlerin eine leere Museumswand – und zwar keine x-beliebige, sondern die des New Yorker Metropolitan Museum of Modern Art – wachküsst und anschließend mit einem Titelschild versieht. Der lange Marsch durch die Institutionen, nur ein Spaziergang durchs MOMA?
In der Travestie-Nummer des aus Singapur stammenden Neu-Berliners Ming Wong, der sein Land auf der vorvergangenen Biennale von Venedig vertrat, wird die als Hommage ans Autorenkino eines R. W. Fassbinder angelegte Video-Performance „Lerne Deutsch mit Petra Von Kant“ – ganz im Sinne der Appropriation Art – zu einer Reflexion übers Fremdsein, die Angst vor Ablehnung, die sexuelle Neuerfindung. Durch die aufgedonnerte melodramatische Atmosphäre des „Camp“ gewinnt das Video eine Fragilität, die es meilenweit von der treuherzigen Weltumarmungsrhetorik und den Selbstinszenierungen der Social Media abhebt, die es zugleich zu parodieren scheint.
Katharina Lackners „Very bright inside“ dagegen, das sind zwei Nachttischlampen, die zueinander in Stellung gebracht werden und sich mit ihren paar Watt unentwegt anstrahlen und aufwärmen – schöner und einfacher kann man das Thema Liebe/Zuneigung nicht illustrieren, auch wenn hier natürlich haufenweise Parameter ausgeblendet sind.
Armand Quetsch widmet sich in seiner Fotoinstallation dem Nexus Familie, spielt mit Unschärfen, Formaten und Belichtungsdifferenzen, stellt subtile Bezüge zwischen den Fotografien her. Von diesen Bildern geht eine eigentümliche Ruhe, aber auch ein Gefühl von Trauer und Verlust aus.
Letizia Romanini spürt in „Auf die Nase fallen“ (Papierflieger, gefaltet, in Tinte getaucht und wie Badezimmerfliesen an die Wand geklebt) der Liebe in dem Akt der Wiederholung, des vergeblichen Abmühens nach. Ein Anrennen gegen Umstände und Widerstände, das fast schon heroische – im Sinne von Camus‘ Sisyphus-Mythos – Züge trägt.
Bis zum 11. November im Ratskeller des Cercle Cité.
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