GRUPPENAUSSTELLUNG: Vier Künstler. Vier Stile. Ein Atelier.

Ein gewagtes Experiment funktioniert derzeit in den Räumen des Ateliers „Beim Engel“. Lässt der Besucher sich darauf ein, so fließen die unterschiedlichen Handschriften der vier Künstler zusammen und bilden ein buntes Ganzes. Darauf gründet nicht zuletzt das Konzept von „Artmix“, das 2005 als Projekt des Luxemburger Kulturministeriums und des Kulturdezernats Saarbrücken aus der Taufe gehoben wurde. Bildende Künstler aus verschiedenen Ländern sollten hier eine Begegnungsplattform erhalten, sich durch ihre Kunststile inspirieren und „gemeinsam grenzüberschreitend Kunst schaffen“.

Zum Beispiel indem sie den Raum nutzen, wie Letizia Romanini, die mit den Dimensionen spielt, sie auslotet, um dann Fäden quer durch den gesamten Raum zu spinnen. Die bekennende Sammlerin nutzt natürliche Stoffe, die sie im Alltag findet, wie Kreide, Stecknadeln, Fugen oder Reißzwecke. Es seien „Linien, die schon da sind und hier materialisiert werden“ erläutert sie ihre Raum-Installation, während sie ihre Sammlung menschlischer Nägel in einem Glas präsentiert. Letztlich gehe es doch immer darum, angezogen oder abgestoßen zu werden: „Setzt man einen Stoff des menschlichen Körpers ein, geht der Ekel irgendwann verloren“, so Romanini.

Klare Ölfarben und figürliche Malerei mit klassischen 1950er Jahre Motiven setzt hingegen Chantal Maquet ein. Ihr Stil erinnert an Edward Hopper. Schon während sie für ihre Diplomarbeit über die Geschichte ihrer Großmutter recherchierte, war Maquet klar, dass Frauenbilder sie interessieren. „Segen der Arbeit“, ein Gemälde, das sie 2012 anfertigte, zeigt vier erwerbstätige Frauen in einer Fabrik in selbstbewusster Pose beim Kaffee trinken. Aus ihren Bildern spricht die schrittweise Emanzipation der Frau. Ihr Augenmerk bei der ArtMix-Residenz in Luxemburg legt Maquet auf Porträtmalerei. Nachdem sie die Wachen vor dem Großherzoglichen Palast gemalt hat, wird sie ihre Künstlerresidenz dazu nutzen, das Galeriepublikum zu porträtieren. Unter dem Motto „You look at me – I look at you“ dreht sie den Spieß um.

Unkonventionell und provokativ sind die Arbeiten von Alexander Minor. Der gebürtige Ukrainer hat mit klassischer Malerei begonnen und setzt seit je her auf Schriftzeichen, die er in seine Kunstwerke einflicht. Das Tagebuch, das die vier Künstler während ihrer Residenz füllen sollen, um ihren Schaffensprozess zu dokumentieren, hat er mit Brandlöchern versehen. „Ich bin in der Malereiklasse, sehe mich aber eher als konzeptuellen Künstler. Ein Jahr lang habe ich Bullshit gemalt, bis ich etwas gefunden habe, das mich inspiriert.“ Minor inspirieren Alltagsgegenstände. Pissoirs ebenso wie Flaggen. Mit Ölfarben mischt er die Farben der Nationalflaggen auf einem Tableau in Originalgröße zusammen und lässt sie verschmelzen. Die Luxemburger Fahne präsentiert sich nach seiner Abmischung in Beige-Lila. Auf seinen Reisen fotografierte er Hotelzimmer ab, dokumentierte damit die Spuren, die er hinterließ. Mit einem Skalpell ritzt Minor sein eigenes Motiv in die Siebanlagen von Pissoirs und provoziert bewusst etwa durch Aufschriften wie „schwarz“ und „weiß“. Minor spielt mit bekannten Größen der Kunstszene, indem er ihre Kunstwerke verfremdet. Künstlerische Intervention in ein schon vorhandenes Kunstwerk wird bei ihm zur Methode, ob er nun den Schriftzug der Internetplattform „Youtube“ abwandelt, Heiligenbilder zu einer Installation anhäuft oder ein Kunstwerk Maurizio Cattelans, der in „Ein perfekter Tag“ seinen Galeristen an die Tapete gekleistert hatte, aus Pappmaché ausgehöhlt nachbildet.

Viel stärker mysteriös als provokativ muten schließlich Vera Kattlers Ölbilder an. Immer wieder meint man darin schemenhaft Tierfiguren zu erkennen. Aus Aquarellflecken werden bei näherem Hinsehen Nagetiere oder ein schwarzer Rabe. Kattler hat aus der Not eine Tugend gemacht, indem sie eine Installation in einer Ecke eines Schatten werfenden Raums befestigte und den Effekt nutzt. Die grundverschiedenen Stile der vier Künstler wirken so als Summe ihrer Teile.

In der Galerie Beim Engel, bis zum 17. November.


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