POLITIKERCHECK.LU: Mehr Transparenz mit einem Klick?

Das politische System und seine Wirren durchschaubar machen – dieses Ziel verfolgt die „Politiker Check asbl“. Ein Blick auf ein Projekt, das frischen Wind in die Beziehung zwischen Wählerschaft und Politik bringen will.

Eine Frage an die/den LieblingsabgeordneteN? Eine Kritik an die Adresse eines Regierungsmitglieds?
Politikercheck.lu versucht den Dialog zwischen der Bevölkerung und der politischen Klasse auf direktem Weg zu ermöglichen.

Transparenz und Politik, zwei Wörter, die nur selten in einem Atemzug genannt werden, es sei denn im negativen Sinne. Für die meisten Bürger ist der Politikbetrieb eine Welt für sich. Indem man wählen geht, bestimmt man zwar die Volksvertreter, aber was dann geschieht, entzieht sich häufig der Kenntnis. Viele Entscheidungen werden hinter verschlossenen Türen getroffen und sind so für die Bürger nur schwer nachvollziehbar. Für diejenigen, die sich aktiv an der Demokratie beteiligen wollen, ist es oft schwierig, diesen Vorsatz zu verwirklichen. Wer einem Volksvertreter sein Anliegen vortragen will, muss sich in Geduld fassen.

Hier sieht politikercheck.lu ihre Aufgabe. Diese Internetseite, die 2009 gegründet wurde, setzt auf den direkten Austausch. „Sie überwindet“, so Jerry Weyer, zuständig für die Presse- und Redaktionsarbeit des Projekts, „den Graben zwischen den Bürgern und den Abgeordneten“. Dies geschieht dadurch, dass sich Interessierte über die Plattform direkt und ohne Zeitverlust an bestimmte PolitikerInnen wenden können. An denen ist es ist dann, zu entscheiden, ob und wie sie die an sie gerichteten Fragen beantworten. Hinter jedem Politikernamen wird aufgelistet, wie viele Fragen dem Betreffenden bislang schon gestellt wurden und wie viele er (oder ein Helfer) beantwortet hat. Angesprochen werden können die Abgeordneten in Luxemburg und im EU-Parlament, die Minister der Regierung sowie Gemeinderäte. Bei näherem Betrachten der Antworten wird ersichtlich, dass die Verfahrensweisen der einzelnen Politiker ziemlich ungleich sind. Es gibt welche, die sehr ausführliche Antworten geben, oft auch versehen mit Links oder Verweisen auf Gesetzestexte. Einige beschränken sich allerdings auf Standardfloskeln, die für den Fragesteller wenig hilfreich sind.

Um einen Dialog auf Augenhöhe und einen respektvollen Umgang miteinander zu gewährleisten, gibt es einen Moderations-Codex. Beleidigende oder sonstwie unter Niveau liegende Äußerungen können mit seiner Hilfe herausgefiltert werden, gleiches gilt für Fragen mit Bezug auf das Privatleben der Politiker. Vor kritischen Fragen, die ja der eigentliche Zweck dieser Internetplattform sind, schützt dies die Politiker allerdings nicht. Des Weiteren veröffentlicht politikercheck.lu Informationen und Grafiken zum Abstimmungsverhalten der einzelnen Volksvertreter. Es lässt sich also zurückverfolgen, wie ein bestimmter Abgeordneter in einer bestimmten Situation abgestimmt hat. Die Plattform fungiert so als eine Art „virtuelles Wählergedächtnis“ – alle Aussagen sowie die Informationen zum Abstimmungsverhalten bleiben gespeichert. Dies ermöglicht es den Interessierten, jederzeit auf sie zuzugreifen und sich so ein eigenes Bild zu machen. Jerry Weyer sieht es als wichtig an, dass die Aussagen der Politiker sich mit deren Verhalten im Einklang befinden. Das jederzeit mögliche öffentliche Feedback zwinge die Politiker, ihr Verhalten beziehungsweise ihre Meinungsänderung zu erklären.

Austausch auf Augenhöhe

Das Angebot von politikercheck.lu wird durch einen Blog ergänzt. Hier werden die Tätigkeit der verschiedenen politischen Akteure sowie aktuelle Entwicklungen und Positionen zu Themen wie Bürgerbeteiligung, Transparenz etc. behandelt. Die Gründer wollen mit dieser Initiative ihrer Vision von einer Demokratie, die durch aktives Mitmachen und nicht passives Zuschauen geprägt ist, ein Stück näher kommen. Ihrer Meinung nach können sich die Bürger aber nur dann mit ihrer Gesellschaft, dem Staatswesen, identifizieren, wenn ein unkomplizierter und direkter Dialog mit den Volksvertretern möglich ist.

Hinter politikercheck.lu steckt eine Gruppe politisch Interessierter. Die Idee zu der Plattform kam ihnen während eines geselligen Abends. Freiheit und Demokratie seien hohe Güter, die das Engagement des Einzelnen erfordern – so ihr Ansatzpunkt. Es wird einem schwer gemacht aktiv zu werden und mit den Volksvertretern in Kontakt zu treten. Mit ihrem Projekt wollten die Gründer einen Beitrag zur Behebung dieser Schwierigkeit leisten. Bei der Verwirklichung griff ihnen „Abgeordnetenwatch.de“ aus Deutschland, das auch als Vorbild diente, unter die Arme. Die deutsche Plattform wurde 2004 gegründet. Sie deckt mehrere politische Organe, wie den Bundestag, das EU-Parlament, acht Landtage und sowie einige Kommunen ab. Bis Ende Oktober 2011 gingen nach eigenen Angaben auf der Seite 123.494 Fragen an die Politiker ein; während deren Reaktion mit 100.530 Antworten etwas schwächer ausfiel.

Ein wichtiges Erfordernis bei der Realisierung eines solchen Projekts ist die Beteiligung unterschiedlicher Gruppen. Auch politikercheck.lu würde ohne die Beteiligung der Bürger und Politiker nicht funktionieren. Jerry Weyer schätzt das Feedback von beiden Seiten als überwiegend positiv ein. Durch die Reaktionen und die über 740 Fragen, die sie bisher erhalten haben, sehen sie ihre Annahme bestätigt, dass die Bürger an einer solchen Form des Austauschs und der Auseinandersetzung zum Thema Politik interessiert sind, ihnen bisher aber meist die Möglichkeit dazu gefehlt hat. Im Gegensatz zu den sozialen Netzwerken sind die Diskussionen frei von beleidigenden und unangebrachten Äußerungen. Ein Aspekt der Austauschplattform, den die Politiker sehr zu schätzen wissen, so Jerry Weyer. Auch können die Politiker hier ihre Meinungen zu den Fragen unverstellt zum Ausdruck bringen. Wie weit sie dies auch tatsächlich tun, hängt wohl von ihrer Rolle in der Politik ab. Ein Oppositionspolitiker ist eben weniger als etwa ein Regierungsmitglied an Kompromisse gebunden.

Die Motivation auf Seiten der Volksvertreter zur Beantwortung ist zudem konjunkturellen Schwankungen ausgesetzt. So legten im Wahljahr die Kandidaten einen besonderen Eifer an den Tag. Nun da der ganz normale Politikalltag am Laufen ist, hat der Einsatz bei den meisten doch etwas nachgelassen.

Politikercheck.lu gibt es seit mittlerweile drei Jahren, ein passender Moment also, um ein Fazit zu ziehen. Die Initiatoren betrachten die Gründung der Internetplattform als Erfolg. Den Beleg dafür sehen sie in dem großen Andrang im Vorfeld der Wahlen sowie in der Anzahl und Art der anderweitig eintreffenden Fragen. Politikercheck.lu will sich aber auf dem Erreichten nicht ausruhen. Jerry Weyer verweist in diesem Zusammenhang auf die jüngsten Affären um zwischen Wirtschaft und Politik bestehende Verflechtungen, die bei den Bürgern Misstrauen schaffen. Seiner Meinung nach ist es deshalb wichtig, dass sich politikercheck.lu weiterhin für den Dialog zwischen allen Akteuren stark macht.

Neues im Wahljahr 2014

„Ein direkter Austausch zwischen den Bürgern und den Politikern wird immer wichtiger werden“, so die Prognose von Jerry Weyer. Dabei meint er nicht nur sein eigene Plattform, sondern auch die Kommunikation über die sozialen Netzwerke. Zahlreiche Politiker präsentieren sich auf solchen Netzwerken und kommunizieren über sie mit der Wählerschaft. Der Vorteil der Austauschplattform sieht er darin, dass es dort einen neutralen Moderator gibt, der eingreifen kann, wenn die Sachlichkeit der Diskussion in Gefahr gerät. Anderseits steht der Auftritt des Politikers hier im Zusammenhang mit seiner Funktion als Volksvertreter. In den sozialen Netzwerken ist er hingegen auch als Privatperson präsent. Bei Politkercheck.lu steht, wie die Bezeichnung Austauschplattform andeutet, der Dialog zwischen den Betroffenen im Mittelpunkt. Soziale Netzwerke eignen sich eher für die Imagepflege. Hier findet mehr Einwegkommunikation als ein wirklicher Austausch statt.

2014 stehen hierzulande wieder Wahlen an, eine ideale Gelegenheit um das Angebot der politikercheck.lu zu erweitern. Anfang des kommenden Jahres wird die Plattform einige weitere Funktionen hinzubekommen. Ziel ist es, die Bedienung der Seite einfacher zu gestalten sowie mehr Interaktivität zu gewährleisten. Desweiteren gibt es Pläne, die kommunale Ebene verstärkt in das Projekt miteinzubeziehen. Jerry Weyer unterstreicht, dass besonders in der Gemeindepolitik der Dialog zwischen Bürgern und Politikern von Bedeutung ist. Außerdem hat das Team sich bereits an die Arbeit gemacht, um pünktlich zu den Wahlen wieder einen Kandidatencheck präsentieren zu können.

Tut sich also etwas in Sachen Transparenz in Luxemburg, und falls ja, welchen Anteil wird politikercheck.lu daran haben? Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob die Bevölkerung überhaupt bereit ist für mehr Transparenz, oder ob sie wie bisher – mangels Möglichkeiten oder auch Interesse – eher als stiller Beobachter fungiert. Seit jüngst in Fällen wie der „Bommeleeër“- und der „Spëtzeldéngscht“-Affäre Ungereimtheiten ans Licht kamen, scheint sich langsam ein gewisses Bewusstsein zu entwickeln. Politikercheck.lu ist in der Hinsicht sicherlich ein sinnvolles Projekt. Doch um die Tagespolitik tatsächlich positiv beeinflussen zu können, muss die Plattform es schaffen, ihre Basis zu verbreitern. Bleibt es, wie bislang, bei einer überschaubaren Zahl an Fragestellern, die einen großen Teil der Fragen online stellt, werden die kontrollierten Politiker den recht hohen Aufwand der einzelnen Beantwortung mit dem Impakt bei den Wahlbürgern abwägen und eventuell anderen Instrumenten und Methoden den Vorzug geben.


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