OSTERN 2.0: Ein Papst zum Herunterladen

Religiöse Apps und frömmelnde Videokanäle begleiten gläubige Nutzer durch den Alltag.

Jeden Mittwoch um zehn ist es soweit: Dann erscheint der Papst in einem Fenster über dem Petersplatz. Die Gläubigen reisen zum Teil von weither an, um die Generalaudienz mitzuerleben. Seit Januar können sie auch zuhause bleiben und einfach ihr Smartphone einschalten. Der Vatikan bietet eine Papst-App an, welche die Auftritte live und in voller Länge überträgt.

Der Start der App fiel noch in die Amtszeit Benedikts XVI. Damals war aus dem Vatikan zu hören, dass die katholische Kirche in der „digitalen Arena“ gegenwärtig sein müsse. Was natürlich auch für Franziskus, den neuen Papst gilt. Bei seiner Wahl war die App ebenfalls dabei. Sie verkündete am 13. März, dass weißer Rauch aus der Sixtinischen Kapelle aufsteigt.

Im Netz wimmelt es von religiösen Apps. Schon beim Aufstehen geht es los: „Lord Jesus Widget“ weckt mit Glockengeläut, einem Vaterunser und Herz-Jesu-Bildern, die über den Bildschirm laufen. Wem das zu kitschig ist, der startet lieber mit den „Herrnhuter Losungen“, eine Sammlung von kurzen Bibeltexten aus dem Alten und Neuen Testament, die sich auch mit Facebook-Freunden teilen lassen.

Buße per Smartphone

„Erzähl Gott, wie du dich heute fühlst“ – lautet die Anweisung auf „I Talk to God“. Nutzer haben die Auswahl zwischen 74 verschiedenen Gemütslagen – wütend, ängstlich, überarbeitet, fröhlich, stolz. Passend dazu wird eine Bibelstelle eingeblendet. Bei Liebeskummer erscheint Psalm 147,3: „Er heilt, die zerbrochenen Herzens sind, und verbindet ihre Wunden.“

„Confession. A Roman Catholic App“ ist für reuige Sünder gedacht. Die Nutzer sollen ankreuzen, gegen welche der Zehn Gebote sie verstoßen haben. Aber nicht nur Stehlen und Ehebrechen gehören zum Sündenregister, sondern auch Masturbieren und das Tragen unzüchtiger Kleidung. Sind alle Vergehen angekreuzt, schlägt die App ein Bußgebet vor. Die Sündenliste ist auch ausdruckbar – als Erinnerungsstütze für den Gang zum Beichtvater.

Andere Apps lotsen Gläubige per Google Maps zur nächsten Kirche, schicken – gegen Bezahlung – ein Ave Maria zum Himmel oder machen Mitbeter ausfindig. Der „Tithe Calculator“ (tithe, der Zehnte) kümmert sich um profane Dinge: Er rechnet – auf Basis des individuellen Einkommens – die Kirchensteuer aus.

Die komplette Bibel passt in ein Smartphone, etwa die „BasisBibel“ mit ihren multimedialen Sacherklärungen. Ein Nutzer findet diese „cool“: Er könne alle Infos sehen, ohne ein Bibellexikon wälzen zu müssen. Die Volxbibel-App soll „kirchenferne Jugendliche“ ansprechen. Sie verpackt die Frohe Botschaft in Jugendjargon: „Gott liebte die Menschen ohne Ende, dass er sogar bereit war, seinen einzigen Sohn für sie wegzugeben, damit sie nicht vor die Hunde gehen.“

Auch Muslime praktizieren ihren Glauben per App. Zum Beispiel lauschen sie den 114 Suren des Korans. Oder sie schalten den „Mekka Compass“ ein: Diese App zeigt die genaue Richtung für die täglichen fünf Gebete. „Ramadan Times“ wird nur im Fas-
tenmonat gebraucht. Die Gläubigen sehen auf dem Bildschirm, wann sie wieder essen und trinken dürfen. Es erscheint sogar einen Countdown bis zur nächsten Mahlzeit.

Buddhisten können per App digitale Gebetsmühlen in Gang setzen. Allerdings nicht überall: In China werden die Apps, die den Namen des Dalai Lama tragen, aus dem Verkehr gezogen.

Manchmal überwinden Apps auch Distanzen. Ein Hindu muss sich eigentlich am Ufer des Ganges befinden, um bei Ganga Aarti, einer Feuerzeremonie, dabei zu sein. Mit der Aarti-App lassen sich aber überall die Kerzen anzünden – wenn auch nur in digitaler Form.

Fromme Comedy

Juden versenden über „sendyourprayertogod“ ein Gebet, das bei einem Rabbi in Jerusalem landet. Der druckt es aus und steckt die Bitte gefaltet in die Klagemauer. Von dort soll das Gebet dann direkt zu Gott gelangen. Der Botendienst wird rund um die Uhr angeboten, nur am Sabbat nicht.

Religiöse Apps lösen auch heftige Debatten aus. Zum Beispiel wenn sie – wie „Jew or not Jew“ – nach der jüdischen Herkunft von Prominenten fragen. Die App wurde 2011 in Frankreich aus dem Verkehr gezogen, weil sie gegen das Antirassismusgesetz verstoßen haben soll. Johann Levy, Entwickler der umstrittenen App und selbst Jude, ist damit nicht einverstanden: Antisemiten würden auch ohne App ihren Hass verbreiten. Für ihn ist es nicht beleidigend zu sagen, dass jemand Jude ist.

Genau wie Apps verbreiten Videokanäle fromme Gedanken. GodTube zeigt ausschließlich gottgefällige Videos: christliche Spielfilme, christliche Musikclips, christliche Comedy-Sendungen. Beiträge aus Privatbeständen gehören auch zum Fundus des YouTube-Ablegers. Da bittet zum Beispiel ein kleiner Junge, auf dem Lokus sitzend, um göttlichen Beistand bei der Verdauung.

Politische Standpunkte sind ebenfalls vertreten. Die Evolutionstheorie sei ziemlicher Quatsch, wird behauptet, ein anderer Film spricht sich gegen die Abtreibung aus. Hat sich ein Video eingeschlichen, das nicht dem frommen Geschmack entspricht, schlagen die Nutzer sofort Alarm – und der Beitrag verschwindet. Finanziert wird GodTube über Werbung.

Auch in den sozialen Netzwerken tummeln sich religiöse Seiten – mit zum Teil großem Erfolg. „Jesus Daily“ kam zwischendurch auf 11,3 Millionen Facebook-Fans. „The Bible“ (8,6 Millionen) und „Dios Es Bueno“ (5,5 Millionen) setzten sich in den Ranglisten ebenfalls vorne fest. Wie „I´m a Muslim & I´m Proud“ und „IloveAllaah“, Seiten für Muslime, die beide über sechs Millionen Fans vereinten.

Was mag Franziskus, der neue Papst, über Apps, Soziale Netzwerke und Downloads denken? Ganz gleichgültig kann ihm das Internet nicht sein. Immerhin hat der päpstliche Twitter-Account „@pontifex“, noch unter Benedikt eingerichtet, drei Millionen Follower. Und am 13. März, dem Tag seiner Wahl, verzeichnete der Dienst 130.000 auf den Pontifex bezogene Tweets in der Minute. Zuletzt brodelt die digitale Gerüchteküche: Auf Facebook erschienen Hinweise darauf, dass Franziskus jenem Mönch ähnlich sieht, der auf Weißbier-Flaschen aus Deutschland abgebildet ist. Aber das kann natürlich nur ein Zufall sein.


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