REFORMSTAU: Nachhaltige Post

Der Nachhaltigkeitsrat beklagt einen Widerspruch zwischen dem Wunsch der BürgerInnen auf Veränderung und ihrem Mangel an Bereitschaft, selbst etwas für die nachhaltige Entwicklung zu tun.

Stell dir vor, es sind Wahlen … und du bekommst einen Brief! Ein Schreiben vom Conseil supérieur du développement durable (CSDD), in dem dieser seine Besorgnis darüber kundtut, dass den wählenden und nicht-wählenden LuxemburgerInnen zwar durchaus bewusst ist, dass „etwas passieren muss“ um den gesellschaftlichen Herausforderungen gerecht zu werden, dass sie aber kaum bereit sind, daraus auch für sich selbst Konsequenzen zu ziehen.

Zu diesem Schluss kommt der CSDD nach der Auswertung einer im späten Frühjahr dieses Jahres durchgeführten Befragung. Der Presse wurden Anfang dieser Woche allerdings nur einige Eckdaten der Umfrage mitgeteilt. Nach ihr hat sich der Eindruck bei dem staatlich bestellten Gremium bestätigt, dass eine Mehrzahl der Menschen in unserem Land zwar ein Bewusstsein für die Zukunftsprobleme entwickelt hat, die nötigen Schritte zu deren Lösung aber vor allem vom Staat erwartet.

So stimmen 73 Prozent der Befragten der Aussage zu, dass „wir“ über unsere Verhältnisse leben, aber bedauerliche
48 Prozent wollen nicht, dass sich etwas an ihrer persönlichen Situation ändert. Und die erfreuliche Tatsache, dass 74 Prozent der Befragten einen Einfluss des Klimawandels auf das Leben in Luxemburg in den nächsten Jahren erkannt haben, wird durch die geringe Bereitschaft der Befragten, zum Beispiel auf Urlaubsflüge zu verzichten, gleich wieder relativiert. Nur 42 Prozent der Befragten sind bereit, mehr Steuern zu zahlen, um gegen die Klimaveränderung zu wirken.

Ein weiterer Punkt, der dem CSDD Sorgen macht: Das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Nationalitäten, genießt eine nur wenig ausgeprägte Wertschätzung im Vergleich mit Werten wie Freiheit oder gar Umweltschutz. Nur 61 Prozent der Befragten mit Luxemburger Nationalität wollen dem Zusammenleben mit AusländerInnen einen hohen Stellenwert zubilligen.

Bei Durchsicht der vom CSDD vorgelegten Ergebnisse, die ja nur einen Ausschnitt der gesamten Befragung dokumentieren, stellt sich allerdings die Frage, ob die Resultate wirklich so widersprüchlich sind, wie behauptet. Wenn immerhin 42 Prozent sich mit einer Steuererhöhung anfreunden können, so ist das ein Wert, der jeden noch so reservierten Finanzminister zu wahren Jubelschreien veranlassen würde.

Und dass die Erwartungshaltung gegenüber dem Staat so ausgeprägt ist, könnte doch – nach Jahrzehnten des neoliberalen Plattmachens jeglicher staatlicher Initiativen – nicht nur für Altlinke einen Hoffnungsschimmer bedeuten: Ja, es gibt ein Gemeinwohl, das wir nur gemeinsam bewahren und nachhaltig vermehren können.

Wenn kaputtgesparte Staaten sich nur noch von einer Krise zur nächsten hangeln, dann leiden darunter auch die individuellen Handlungsmuster.

Natürlich ist eine solche Politik nur möglich, wenn die Verhaltensmuster der Einzelnen auf dasselbe Ziel hin orientiert sind: erneuerbare Ressourcen nutzen und mit der Zerstörung der Lebensgrundlagen Schluss machen.

Die Bedenken des CSDD sind wahrscheinlich von der Angst getrieben, dass bestimmte Reformen von einer Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt werden und darum scheitern könnten. Doch reicht es aus, diesen Widerspruch einfach nur an die Befragten weiterzuleiten?

Dass vielen – insbesondere sozial schwächeren – MitbürgerInnen angesichts der enormen globalen Probleme nur wenige konkrete Handlungsoptionen offenstehen, hat weniger mit ihrem Unwillen zu tun, etwas zur Abwendung der drohenden Katastrophe beizutragen, als mit der wachsenden objektiven Ohnmacht, die sie verspüren. Wenn kaputtgesparte Staaten sich nur noch von einer Krise zur nächsten hangeln, dann leiden darunter auch die individuellen Handlungsmuster.

Der CSDD mahnt in seinem Brief zu einem stärkeren persönlichen Engagement, das über den reinen Wahlakt hinausreicht. Das birgt die Gefahr, dass die Politik ihr Nichtstun mit dem angeblichen Reform-Unwillen der breiten Masse entschuldigt … und der gutgemeinte Brief, zusammen mit all den bunten Wahlprogrammen, unbeantwortet und gar unbeachtet in der blauen Tonne endet.

www.csdd.lu


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