Die Ausstellung „Alter Ego“ dient einer besseren öffentlichen Bekanntmachung von Frauenkunst. Eine gewisse Konzeptlosigkeit mag jedoch bemängelt werden.
Der Öffentlichkeit sind Künstlerinnen weniger bekannt als die im Kunstbetrieb etablierten Männer. Offiziell hatten Frauen bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts gleiche Rechte wie ihre männlichen Kollegen. Sie durften an Kunstschulen studieren, an Ausstellungen teilnehmen, in Galerien verkaufen … Doch in der Realität erwies sich die proklamierte Chancengleichheit als Trugschluss. Ihre Arbeiten fanden selten Eingang in öffentliche oder private Sammlungen, Museen, Akademien. Fazit: Über Jahrzehnte hinweg ignorierten Kunstgremien die Werke von Frauen. Folglich fanden sie wenig Beachtung in der Kunstliteratur und blieben somit der Allgemeinheit fremd. In den 60er und 70er Jahren erstarkt der Feminismus und hält mit etlichen Protestaktionen unnachgiebig an einer Gleichstellung von Mann und Frau auch in den Institutionen der Kunst fest. Diese Beharrlichkeit wirkt sich schließlich positiv auf die Situation der Künstlerinnen aus.
Zu einer besseren öffentlichen Bekanntmachung von Frauenkunst leistet das Musée d’Histoire de la Ville de Luxembourg nun einen Beitrag mit der Ausstellung „Alter Ego“: L`art au féminin. 35 Werke international renommierter Künstlerinnen werden vorgestellt. Die künstlerischen Medien sind Fotografie, Film, Installation und Skulptur.
Aushängeschild ist zweifelsohne die Plastik „In and Out“ (1995/96) von Louise Bourgeois. Die Künstlerin, geboren 1911, lebt und arbeitet in New York. Bourgeois ist schon jetzt Legende. Täglich empfängt sie KunststudentInnen aus aller Welt. Sie selbst war Schülerin von Fernand Léger. Obgleich Bourgeois bereits in den 40er Jahren künstlerisch aktiv war, wurde sie erst Ende der 70er Jahre entdeckt. Ihre Skulpturen haben meist kugel-, pilzartige oder labyrinthische Formen und Öffnungen zum inneren Hohlraum. Sie sind Ausdruck persönlicher Erlebniswelten und ähneln Landschaften aus Eingeweiden.
Entmystifizierte Männer
Bourgeois‘ Arbeit steht auf der Corniche in der Nähe des Bockfelsens. Über das übliche museale Maß hinaus bietet sich nämlich die Ausstellung dem Publikum als Promenade an: Beim Verlassen des Museumsgebäudes geht es über die Corniche zu den Kasematten und dann zurück zur Place Guillaume. Aufschlussreiche Einblicke in das Feld weiblicher Produktivität soll der Rundgang durch die Altstadt gewähren und zudem Erkenntnis- und Erlebnisgewinn für die BesucherInnen sein. Doch gibt es außer Stadtkarten kein Informationsmaterial zur Exposition. „Ein Katalog erscheint demnächst“, lautet auf Anfragen hin die Antwort. Eine Führung mit René Kockelkorn durch die Frauen-Kunstwelt offeriert sich daher als Alternative. Auf unkonventionelle Art gibt der Kunsthistoriker seiner Begleitgruppe „flotte“ Erläuterungen zu den Werken. Selbst SkeptikerInnen zeigen so Interesse und Begeisterung.
Zu sehen sind unter anderem Schwarzweißfotografien der iranischen Künstlerin Shirin Neshat. In ihren Bildern und Filmen thematisiert sie die Rolle der Frau im Islam und die Bedeutung der Verschleierung durch den Tschador. Derzeit nimmt Neshat an der Documenta 11 teil. Kiki Smith inspiriert sich an skulpturalen Körpergestalten der klassischen Moderne: „Der Körper ist unser gemeinsamer Nenner und die Bühne für unsere Lust und unser Leid. Ich will durch ihn ausdrücken, wer wir sind, wie wir leben und sterben“, sagt die Künstlerin. Die Plastik „Bandage Girl“ (2002) ist charakteristisch für den Leitsatz. Die Amerikanerin Sherrie Levine hinterfragt den Fetisch- und Warencharakter von Kunstobjekten sowie das Verhältnis von Original und Originalität, Unikat und Serie. Überdies entmystifiziert ihr Werk männliche Kultfiguren der Moderne wie Marcel Duchamp. Sie entweihte sein Pissoirbecken, entwarf es in Bronze, ließ es seriell herstellen und taufte das Objekt letztlich um: „Fountains, after Duchamp“ (1991). In ihren Videoarbeiten beschäftigt sich Vanessa Beecroft mit der Darstellung von Models in der Medien- und Modewelt. Sie erscheinen in den Filmen wie leb- und identitätslose Schaufensterpuppen, anonym und uniform. Cady Nolands Installationen sind „gesellschaftsmythologische Zustandsprotokolle“. In ihrer Arbeit sind Baseballschläger, Handschuh und Lehrbuch zur Sportsoziologie miteinander verkettet. Dagegen belustigt Liz Craft die BesucherInnen mit ihrer Riesenspinne „Black Widow“. Ein überdimensionales Monster wie man es aus Horrorfilmen kennt.
Man mag bemängeln, dass der Ausstellung ein Konzept fehlt. Sie zeigt eine Pluralität von Frauen-Werken, denen nur das Geschlecht der Kunstschaffenden gemein zu sein scheint, doch behebt sie ein wesentliches Defizit: die Unkenntnis über weibliche Kunst.
Christiane Schiltz