Robert Garcia: Radio Gaga

Seit zwanzig Jahren bedient Robert Garcia bei Radio Ara Plattenteller und Mikrophon – wenn er nicht gerade Politik bei den Grünen oder Journalismus für die woxx betreibt. Politik- und Journalismuskollegin Renée Wagener führte das Interview. Ein Gipfeltreffen der besonderen Art.

NICHT NUR WORLDMUSIKFAN

woxx: Was hat dich dazu gebracht, ein Mikrophon in die Hand zu nehmen?

Robert Garcia: Mit 27 schrieb ich Musikkritiken bei der Zeitschrift „perspektiv“ und war bei „amnesty“ aktiv. Beide Initiativen gestalteten Sendungen beim Radio „Grénge Fluesfénkelchen“, einem Luxemburger Fenster im „Atelier Radio Arlon“ (Arloner Lokalradio). Ich spielte dort zwischen den Sendebeiträgen meine Langspielplatten. Im Februar 1983, also vor zwanzig Jahren, machte ich meine erste eigene Sendung.

Ich komme eigentlich vom Rock her, kam dann auf der Uni zum Jazz und immer mehr zum Folk-Rock und schließlich zum Folk. Ich spiele aber keine traditionelle Folk-Musik, sondern populäre Musik aus anderen Ländern. Das kann ein Kehlkopfgesang aus Tuva sein, aber auch Hardrock aus Panama oder Freejazz aus Korea oder australischer Ska oder Hip Hop aus Venezuela. Der Weltmarkt ist zu neunzig Prozent angelsächsisch, wobei die angelsächsische Musik aber nicht zu neunzig Prozent die beste ist.

Damals war der „Fluesfénkelchen“ die einzige Radio-Alternative zu RTL. Natürlich war’s auch eine gesellige Angelegenheit. Da ich kein Auto hatte, nahmen mich Raym Bisdorf und Jup Weber in ihrer Karre mit nach Arlon. Georgette Muller, später Danièle Grosbusch machten die Technik. Nach zwei Stunden Sendung wechselten wir dann in die Kneipe gegenüber vom Arloner Bahnhof, um uns auf Duvel mit Käse oder auch Fritten zu stürzen.

Wir fanden, dass wenigstens ein alternatives Radio dabei sein sollte, wenn die Liberalisierung der Radios sich durchsetzen würde, die sich ab 1984 ankündigte. „Radio organique“ hatte in Luxemburg bereits illegal zu senden begonnen, während wir von Arlon aus ja legales Radio machten. Die im „Fluesfénkelchen“ aktiven Vereinigungen beschlossen so gegen 1986, von Luxemburg aus zu senden. Zuerst saßen wir als „Radau Lëtzebuerg“ in einer Privatgarage auf Kirchberg, dann in einem Hinterhof in Zolver. Und schließlich, am 6. Dezember 1992, ging Radio ARA in der Fleeschéiergaass auf Sendung. Ab dann nannte sich meine Musiksendung „Malinyé“. Der Titel stammt von einem Song von Don Cherry auf der Platte „Codona 2“.

Bist du zufrieden mit dem Resultat deines jahrelangen Einsatzes für ein alternatives Radio?

Nein, nicht ganz. Vor fünf Jahren war das Radio ARA etwa so, wie ich es mir vorgestellt hatte: eine gelungene Mischung aus Information und Musik. Wegen des Mangels an finanziellen Ressourcen ist dieses Gleichgewicht gekippt. Die Musik dominiert immer mehr, die Informationssendungen oder auch die Kultursendung in der Mittagsstunde wurden reduziert oder sind ganz verschwunden. Die über zehn Leute, die noch seit dem Anfang dabei sind, sind genau wie ich vor allem Fanatiker eines bestimmten Musikgenres. Bei Radio ARA gibt es Musiksendungen zu Genres, die man sonst nirgends findet: italienischer Rock, Reggae, Rap, Elektronic, diverse Arten Rock, oder drei verschiedene Jazz-Sendungen

Mittlerweile hat ein Verein mehr davon, bei RTL in einer Hausfrauensendung oder bei 100,7 auf eine kurzgefasstere Art seine Themen unterzubringen als bei Radio ARA. Es macht keinen Sinn, dass sich da Vertreter einer Organisation hinter ein Mikrophon klemmen und eine Stunde lang über Amalgam oder die Dritte Welt reden, ohne ein Stück Musik einzublenden. Für mich hatte die Magazinsendung „Bistro“ zwischen siebzehn und neunzehn Uhr eine große Wichtigkeit. Da hätte man zwischen zwei Liedern ein Interview mit jemand vom „Mouvement écologique“ über die neuesten Skandale(in den Industriebrachen) machen oder die Konferenzen des Cid-Femmes ankündigen können. Das mit Freiwilligen machen zu wollen, stellte sich jedoch als absolute Illusion heraus. Eine solche Arbeit muss einfach professionell koordiniert werden.

Es gibt aber auch den politischen Anspruch, sowohl beim Radio als beim Fernsehen einen „Service public“ zu sichern. Von den vier Radios, die seit der Liberalisierung senden, trägt mittlerweile ein einziges sich finanziell selbst, nämlich Eldoradio. DNR wird von seinem Imperium mitgeschleppt, und Radio Latina und Radio ARA sind permanent defizitär. Wenn die Regierung verhindern will – und das ist ihr erklärtes Ziel – dass die vier regionalen Frequenzen am Schluss von Dudelsendern belegt sind, muss sie sich was einfallen lassen. Wir hatten eine Art Pressehilfe gefordert, ähnlich der, die es für die Printmedien schon gibt. Der Staat muss anerkennen, dass verschiedene Sender wichtige Missionen haben. Radio Latina steht für multikulturelle Diversität und Integration, und Radio ARA für Medienarbeit mit Jugendlichen. Immerhin sind bislang über ein Dutzend Personen über das Radio ARA zu den professionellen Medien gekommen. Das geht von Jerôme von Planet RTL bis zu Marie-Paule Fischbach bei 100,7. Das ist eine Initial- und Weiterbildung, die Radio ARA bislang immer gratis gemacht hat.

Bist du schon mal von einem anderen Radio angeworben worden?

Nein, seltsamerweise nicht. (Lacht)

Machen die jungen Leute heute anders Musik bei Radio ARA als ihr damals?

Zum Teil läuft das eher nach dem Konzept „Spassjesellschaft“. Als wir starteten, waren wir alle schon um die dreißig. Wir machten Radio entweder aus musikalischem Fanatismus oder als bewusste soziopolitische Aktivität. Das war ein gewisses Opfer, das man damals in seinem missionarischen Eifer gebracht hat. 1992, als ich Abgeordneter wurde, hatte ich jede Woche neben meinem Journalistenjob und meinem politischen Mandat ein bis zwei Kultursendungen, eine Magazinsendung und meine Sonntagssendung – und das meist noch live, so dass ich jedesmal mit dem Zug in die Stadt fahren musste. Grauenhaft.

Aber ich muss ehrlich sagen, ich höre fast kein Radio, weder ARA noch ein anderes. Ich muss mir meine CDs anhören, also hab ich für Radio keine Zeit. Ich bin total auf meine Musik eingeschworen, bin auf vierzehn Zeitungen abonniert, gehe zu internationalen Messen. Meine Sendungen nehme ich zu Hause auf. Die Playlists der gespielten Musik werden dann auf die Homepage von Radio ARA gesetzt. Und sie werden an die CD-Labels geschickt, dafür erhalte ich wieder Gratis-CDs aus aller Welt, manchmal sogar aus Grönland oder Neuseeland. Das ist ein richtiger Rausch, in dieser Szene drin zu sein.

Hast du nach 20 Jahren noch Lust auf Radio?

Ich hab vor allem Lust auf Musiksendungen. Redebeiträge, das ist eine Sache des Zeitbudgets. Jetzt mit fast fünfzig will ich nicht mehr ins Studio platzen, eine Zeitung öffnen und was daraus vorlesen. Das würde ich jetzt viel ernsthafter vorbereiten, und dazu fehlt mir die Zeit. Aber die Musiksendung, die mach ich bestimmt noch in zwanzig Jahren.

Interview: Renée Wagener

Robert Garcias Musiksendung „Malinyé“ ist jeden Sonntag zwischen 11:30 und 13 Uhr auf Radio ARA, 103,3 MHz zu hören.


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