MALEREI / INSTALLATION: Wider die Gewohnheit

Zwei Werkschauen in der Galerie Nosbaum & Reding zeigen Installationen und Bilder von Künstlern auf Spurensuche nach Erlebtem und Unterbewusstem. Verfremdung kann hier als Mittel zum Hinterfragen gewohnter Muster und gar zur Selbstfindung dienen.

Wie durch ein Kaleidoskop …

Die quietschbunten, großformatigen gläsernen Bilder Peter Zimmermanns wirken auf den ersten Blick ähnlich abstrakt wie die aus verfremdeten Alltagsgegenständen komponierten Installationen des schwedischen Künstlers Carl Palm. Auf den zweiten Blick führen sie den Betrachter zu sich selbst zurück und stellen seine herkömmliche Kontextualisierung in Frage.

Die „Blob paintings“, großformatige, leuchtend farbige Bilder (Kunstharz auf Leinwand) des im Breisgau geborenen und in Köln wirkenden Künstlers Peter Zimmermann muten psychedelisch an und geben dem Betrachter fast das Gefühl, in sie einzutauchen. Die ineinanderfließenden und sich überlappenden Formen stammen von bereits vorhandenen Bildern, die Zimmermann mit einem Computerprogramm modifiziert. Vergrößert und bis zur Unschärfe bearbeitet, werden die Ausschnitte durch den Algorithmus des Programms umgeformt, bis die ursprünglichen Motive bis zur Unkenntlichkeit verfremdet sind. Wie beim Blick durch ein Kaleidoskop zieht sich der Farbfluss zu einem rauschenden Muster zusammen. Zimmermanns traumähnliche, irreale Bilder versetzen den Betrachter regelrecht in Trance. Sie künden so von Unterbewusstem und geben andererseits Aufschluss über das Verfremdungspotenzial visueller Medien und von Daten- und Bildbearbeitung. Seit den 1980er Jahren setzt Zimmermann stringent auf Verfremdung, anfangs, indem er etwa Buchtitel abmalte und in einen anderen Kontext übertrug. In einer weiteren Phase setzte er sich mit Verschiebungen optischer Phänomene auseinander und gestaltete eine Serie von Pappkisten und Plakaten. In seinen „Blob paintings“ nun verschmelzen technisch-virtuelle Varianten der verfremdenden Einwirkung mit dem Formenrepertoire der klassischen Malerei zu Bildern von hypnotischer Wirkungskraft, die den Betrachter wie durch einen Sog erfassen.

Unter dem Titel „Chatty Paws Slips up in Smokes“ zeigt der schwedische Künstler Carl Palm, der unter anderem in Japan und an der Frankfurter Städelschule zeitgenössische Kunst studierte, im Untergeschoss der Galerie Nosbaum & Reding neun Installationen, in denen er Materialien wie Aluminium, Stoff sowie Alltagsgegenstände, etwa Stühle und Baumwolldecken, verfremdet hat. Durch ihre wechselnde Anordnung und die Einbettung in einen anderen Kontext spielt er mit den ursprünglichen Bedeutungen der Gegenstände. Aufgemalte Zigarettenreste auf einer an der Wand drapierten Bettdecke stellen etwa Spuren des Erlebten dar, erinnern an Vergangenes. Palm stellt in seiner ersten Einzelausstellung in der Galerie Nosbaum auf diese Weise ständig die Frage nach der Herkunft und Zugehörigkeit der Gegenstände. An seinen Installationen wird klar, dass sich alles im Fluss befindet – und unsere Zuschreibungen ganz aus unserem gesellschaftlichen Kontext erfolgen und auf zur Gewohnheit gewordener Normierung beruhen.

Bis zum 10. Mai in der Galerie Nosbaum & Reding.


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