MEINUNG: Nichts Revolutionäres

Trennung von Kirche und Staat ist nichts Unnatürliches und schon gar nichts Revolutionäres, so sieht es jedenfalls der Autor dieses Beitrags.

George Benjamin Clémenceau (1841 – 1929), französischer sozialistischer Politiker, Führer der äußersten Linken, Ministerpräsident von 1906 – 1909 und 1917 – 1920, verwirklichte als Ministerpräsident die Trennung von Kirche und Staat.

„Wenn ein Intelligenter die falsche Sache vertritt, ist das noch schlimmer, als wenn ein Dummkopf für die Richtige eintritt.“, so Georges Clemenceau, der als Ministerpräsident Frankreichs die Trennung von Kirche und Staat bereits 1905 vollzog. Und deshalb ist die Zeit reif. Überreif. Für die Intelligenten in Staatsverantwortung, die die gerechte Sache unterstützen. Und diese zielorientierte politische Intelligenz gibt es seit der Amtsübernahme der neuen blau-rot-grünen Regierungskoalition in unserem von religiöser Bevormundung zu befreienden, nach der Befreiung ehemaligen Marienland. Es gibt sie nicht nur, weil die staatlich tolerierte klerikale und von „Verantwortungsträgern“ der politischen C-Klasse gestützte Volksbevormundung mit ihren Folgen, auf die man nicht mehr einzugehen braucht, ihr Ende gefunden hat. Sondern auch, weil die Zeit der wirklich Intelligenten in Sachen Laizismus qua Parteienprogramm in ebendiesen Regierungsämtern nun begonnen hat. Endlich! Davon wird man angesichts der politischen Voraussetzungen und der hierfür eigentlich klaren Wahlversprechen der drei progressiven Parteien wohl ausgehen dürfen.

Und die wollen vieles verändern, wie sie behaupten. In diesem Artikel soll es um das historisch seit ewigen Zeiten schwierige Verhältnis von Staat und Kirche gehen. Ein Thema, das heuer brandaktuell ist, wie es die vielen Stellungnahmen engagierter Bürger zu den angekündigten Veränderungen im Verhältnis von Staat und Kirche deutlich machen. Es geht übrigens nicht mehr ausschließlich um die, wie sie sich in ihrer historisch gewachsenen Selbstsicherheit nun einmal sieht, „allumfassende“ katholische Kirche, sondern um die sogenannten Glaubensgemeinschaften insgesamt. Staat und Kirche. Ein gespanntes Verhältnis, ein Dauerbrenner ideologischer Auseinandersetzung zwischen Laizismus und Religionen. Pikanterweise, aber gerade darüber schweigt sich die Amtskirche nicht von ungefähr aus, enthält das Neue Testament überhaupt keine Lehre vom Verhältnis des Staates zur Kirche wohl aber finden sich Aussagen über das angemessene Verhalten des Christen gegenüber den „obrigkeitlichen Gewalten“ (Röm. 13, 1 ff.) und die „Grenzen obrigkeitlichen Anspruchs auf den Menschen“ (Markus 12, 17). Man möge sich, sofern man sich die trotz allem nicht uninteressante Lektüre dieses Bestsellers, der Bibel, antun will, diese Textpassagen einmal zu Gemüte führen. Geschichtlich hat sich jedoch, beginnend in den USA, heute weltweit die klare Trennung von Staat und Kirche durchgesetzt.

Das Neue Testament enthält überhaupt keine Lehre vom Verhältnis des Staates zur Kirche.

Die im First Amendment zur amerikanischen Verfassung von 1791 festgelegte Trennung von Staat und Kirche hatte übrigens keinen kirchenfeindlichen Ursprung, wie in der heutigen Diskussion auch in unserem Land immer wieder unterstellt wird, sondern sollte im Gegenteil den Erfahrungen der in die USA emigrierten Glaubensverfolgten Rechnung tragen, dass ein bestimmtes „Establishment of Religion“ die Religionsfreiheit andersgläubiger Bürger einschränken kann. Sie war durchaus mit einer positiven Grundeinstellung des amerikanischen Staates gegenüber den Kirchen und Religionsgemeinschaften verbunden. In Frankreich führte die seit der Französischen Revolution vorherrschende antiklerikale, liberale Einstellung mit der erfolgten „Entkonfessionalisierung“ des öffentlichen Lebens im Jahre 1905 zu einem Trennungsgesetz im Sinne eines strikten Laizismus. In unserem Land, das sich ach so modern und zukunftsorientiert gibt, ist dieser Laizismus immer noch nicht realisiert. Doch soll sich das bekanntlich ändern. Vielleicht im Sinne des am 9. Dezember 1905 in Frankreich erlassenen Gesetzes, das als die sogenannte „Loi Combes“ Berühmtheit erlangte. Ein Gesetz zur Trennung von Kirche und Staat, das in Frankreich den Laizismus exemplarisch verankerte. Das Gesetz zielte zwar in erster Linie auf die katholische Kirche, doch wurden aus Gründen der Neutralität in diese Regelung die anderen Konfessionen einbezogen. Vielleicht trägt diese Aussage ein wenig dazu bei, die Einsicht der Parteien und die nachfolgende realpolitische Umsetzung in ein entsprechendes nationales Gesetz zu befördern: „Loi du 9 décembre 1905 concernant la séparation des Églises et de l`État. Article premier : La République assure la liberté de conscience. Elle garantit le libre exercice des cultes sous les seules restrictions édictées ci-après dans l`intérêt de l`ordre public.“

Man beachte: Der Rechtsstaat steht für die Gewissensfreiheit und garantiert die Religionsfreiheit, die niemand in Frage stellte und stellen will. Und dies in richtig verstandener Toleranz, der wahren Basis humanistischer Grundwerte. Diese Tatsache, die anscheinend nur von den Verteidigern der katholischen Kirche in ihrer Form des Kulturkampfs und, gänzlich deplaziert, in der aktuellen Debatte hierzulande in Zweifel gezogen wird, wurde von uns Laizisten niemals in irgendeiner Form in Frage gestellt. Man möge dies endlich zur Kenntnis nehmen! Dann, weiter im Text des französischen Gesetzes: „Art. 2 : La République ne reconnaît, ne salarie ni ne subventionne aucun culte. En conséquence, à partir du 1er janvier qui suivra la promulgation de la présente loi, seront supprimées des budgets de l`État, des départements et des communes, toutes dépenses relatives à l`exercice des cultes.“ Eigentlich interessant in der heuer aktuellen Haushaltsdebatte – Stichwort: Einsparungen.

Die im First Amendment zur amerikanischen Verfassung von 1791 festgelegte Trennung von Staat und Kirche hatte keinen kirchenfeindlichen Ursprung.

Unbegreiflich, dass wir Atheisten und Religionsskeptiker oder durchaus auch die gläubigen, jedoch religionskritischen Christen, die von ihrer katholischen Amtskirche totgeschwiegen und intern eingeebnet werden, immer noch auf ein solches Gesetz warten müssen. Denn eben gerade wirklich gläubige Menschen, haben, im Gegensatz zu frömmelnden Amtsklerikern und ihren Mitläufern, überhaupt kein Problem mit der Trennung des Staates von den Religionsgemeinschaften. Und ebenso wenig mit der Forderung, siehe nachfolgende Textpassage, dass die Güter der angeblich armen katholischen Kirche einer Bestandsaufnahme der Regierung mit entsprechenden Konsequenzen unterzogen werden müssten: „Dès la promulgation de la présente loi, il sera procédé par les agents de l`administration des domaines à l`inventaire descriptif et estimatif : 1° Des biens mobiliers et immobiliers desdits établissements ; 2° Des biens de l`État, des départements et des communes dont les mêmes établissements ont la jouissance. Ce double inventaire sera dressé contradictoirement avec les représentants légaux des établissements ecclésiastiques ou eux dûment appelés par une notification faite en la forme administrative. Les agents chargés de l`inventaire auront le droit de se faire communiquer tous titres et documents utiles à leurs opérations.“

Wo also liegt das Problem der katholischen Kirche gegenüber der Forderung der Trennung der Kirche und der anderen Konfessionsgemeinschaften vom Staat? Wieviel Glaubwürdigkeit haben diese Kirchen überhaupt noch? Und, frei nach dem französischen Professor für Philosophie an der Pariser Sorbonne, André Comte-Sponville – in seinem Buch mit dem Titel: “ Woran glaubt der Atheist-Spiritualität ohne Gott“: „Es ist unser gutes Recht, dieser Kirche nicht zu folgen, sie zu bekämpfen, wenn wir es für richtig halten (sofern wir dabei die geltenden Gesetze respektieren), unsere Freiheit des Gewissens und der Prüfung gegen sie zu verteidigen. Warum sollten wir unseren Geist einem Glauben unterwerfen, den wir nicht haben, einer Religion, die nicht die unsere ist?“ Mit der wir nichts zu tun haben wollen und die wir auch noch bezahlen müssen? Und genau daran hat ein Staat sich zu orientieren, mit aller Konsequenz eines modernen Rechtsstaates!

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Ihr wollt Kulturkampf? Könnt ihr haben!
Da die Meinungen zum angezettelten Kulturkampf rund um das Thema Kirche und Staat – auch innerhalb der woxx-Redaktion – weit auseinandergehen, haben wir uns dafür entschieden, unsere Seiten für eine kontroverse Diskussion zu öffnen. Seit Anfang des Jahres veröffentlichen wir deshalb an dieser Stelle Innen- und Außenansichten. Dazu nehmen wir, liebe Leserinnen und Leser, auch gerne Vorschläge und Texte von Ihnen an.


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