Der alte Streit zwischen Umwelt und Landwirtschaft nimmt angesichts des Bestrebens nach mehr Biodiversität wieder an Schärfe zu.
„Vom Primat der Biotope und staatlichem Dirigismus“ titelte der „Letzebuerger Bauer“ (LB) auf Seite 1 seiner Ausgabe vom vergangenen Freitag. In zwei ganzseitigen Artikeln kommt das Organ der Centrale paysanne auch auf den Fall des Ex-Biobauern John Hoffmann aus Junglinster zurück, der wenige Tage vor den Europawahlen für Aufregung gesorgt hatte. Da hatte der bis dato größte Biomilch-Produzent des Landes medienwirksam seinen Umstieg auf konventionelle Bewirtschaftung bekanntgegeben. Zwei Wochen zuvor war in demselben Blatt unter dem Titel „Wenn Biolandwirtschaft zum Verhängnis wird!“ eine Story erschienen, die der Umweltministerin Einsilbigkeit und den Biovereinen unrühmliches Verhalten vorwarf: Der Biobauer sei in einer ausweglosen Situation völlig allein gelassen worden.
John Hoffmann hatte seine nun wahrgemachte Drohung, die Bewirtschaftung seines Betrieb gemäß den Auflagen der Biozertifizierung zu beenden, schon mehrfach Beratern und Beamten gegenüber geäußert. Auslöser seines Entschlusses war die Veröffentlichung der Biotopkartierung durch das Umweltministerium, das eine Auflistung der offiziell ausgewiesenen Biotope am 17. März online gestellt hatte. 4.655,60 ha – das sind 80,6 Prozent der in Luxemburg geschützten Biotope – liegen auf Flächen, die der Landwirtschaft zugewiesen sind. Die Landwirtschafts-Lobby spricht von einer regelrechten Enteignung, da die Bauern auf diesen Flächen nicht mehr frei über die Nutzung verfügen können. Allerdings relativiert sich die Aufregung, wenn man bedenkt, dass nur etwa 3,6 Prozent der Agrar-Parzellen betroffen sind.
Am 19. Januar 2004 trat das derzeit geltende Naturschutzgesetz in Kraft; in seinem Artikel 17 ist festgelegt, dass ausgewiesene Biotope nicht verkleinert, zerstört oder verändert werden dürfen. Nur in Ausnahmesituationen, die allerdings durch das allgemeine öffentliche Interesse begründet sein müssen, kann das Umweltministerium einer Beeinträchtigung der Biotope zustimmen, zum Ausgleich müssen dann jedoch an anderer Stelle quantitativ und qualitativ mindestens ebenbürtige Biotope geschaffen werden. Damit kommt Luxemburg einer EU-Regelung nach, die die Mitgliedsstaaten anweist, nach und nach den Bestand der ausgewiesenen Biotope zu verbessern und auszuweiten. Spätestens 2019, wenn ein neuer Bericht an die Kommission fällig wird, muss Luxemburg also nachweisen, nicht nur die Gesamtfläche der Biotope erhalten oder gar ausgeweitet, sondern auch möglichst viele Biotope aus den weniger wertvollen Klassifizierungen in eine jeweils bessere Stufe überführt zu haben.
Zehn Jahre bis zur Veröffentlichung
Seinerzeit war auf Bitten der landwirtschaftlichen Verbände zugesagt worden, eine detaillierte Aufstellung der kartierten Biotope zu veröffentlichen, damit die betroffenen Landwirte nicht schon allein aus reiner Unkenntnis Gefahr liefen, gegen das Gesetz zu verstoßen. Wie so oft in Luxemburg wurde nach dem Prinzip des „Alles oder nichts“ verfahren, und so dauerte es sage und schreibe volle zehn Jahre, bis auch das letzte Zipfelchen erfasst war und Luxemburg, sozusagen auf einen Schlag seiner sämtlichen Biotope gewahr wurde. Dass jetzt eine grüne Umweltministerin war, die, zusammen mit dem liberalen Landwirtschaftsminister, den Bestand bekanntgeben durfte, ist allerdings den vorgezogenen Chamber-Wahlen zuzuschreiben. Die Ausarbeitung und Ausweisung der Biotope geschah ja noch zu der Zeit, als anders gefärbte Regierungen und Minister im Amt waren.
Ganz so überraschend, wie vom LB dargestellt, war die Veröffentlichung allerdings nicht. Und auch Bauer Hoffmann dürften die zu erwartenden Einschränkungen, zumindest in großen Teilen, bekannt gewesen sein. Im Sinne des Artenschutzes hatte es in den letzten anderthalb Jahrzehnten eine Reihe von Biodiversitäts-Kontrakten mit zahlreichen landwirtschaftlichen Betrieben gegeben, aufgrund derer schützenswerte Flächen einer besonders schonenden Behandlung unterworfen wurden. Eine Gegenleistung für dadurch bedingte Einkommensausfälle gab es in Form von Prämien, die bis zu 350 Euro pro Hektar und Jahr ausmachen konnten. Auch Hoffmann verfügte über solche Flächen und hatte deren sogar, bei der Übernahme von anderen Betrieben dazu gepachtet.
Einige der Biodiversitätskontrakte führten dazu, dass tatsächlich schützenswerte Biotope entstanden sind. Flächen, die eine bestimmte Anzahl und Zusammenstellung an schützenswerten Pflanzen- und Tierarten aufweisen und so inzwischen auch unter die Bestimmungen des Artikel 17 fallen. Aus der „freiwilligen“ (und entsprechend auch finanziell honorierten) wurde eine verpflichtende Bewirtschaftung als Biotop, wobei zur Zeit neue, stark erhöhte Prämiensätze ausgearbeitet werden, die mit dem neuen „plan de développement rural“ (PDR), der bis 2020 Gültigkeit haben soll, in Kraft treten. +
Obwohl im Falle Hoffmann also ein sehr großer Teil der Fläche spätestens seit März den strengeren Einschränkungen unterliegt, hatte der Berater des Instituts für biologische Landwirtschaft und Agrikultur (IBLA) auf Wunsch des Betroffenen ein Gutachten erstellt, wonach die verbliebene Fläche es durchaus erlaubt hätte, den Milchbetrieb auch als Biolandwirt aufrecht zu erhalten. Dieses Gutachten wurde vom Betroffenen zunächst auch abgenommen, und anschließend den zuständigen Stellen weitergeleitet. Erst später wurde es von Hoffmann in Abrede gestellt. Der LB schreibt dazu der IBLA-Berater habe „mit für den heimischen Biolandbau gänzlich unrealistischen Trockenmasseerträgen pro ha“ kalkuliert. Ein zweites, von der Beratungsstelle CONVIS erstelltes Gutachten bezweifelte zwar die vom Bio-Berater errechnete Futtermenge die auf den übriggebliebenen Flächen unter biologischen Bedingungen erwirtschaften werden könnte, stellte aber das IBLA-Gutachten nicht grundsätzlich in Frage.
Allerdings hatte Hoffmann zuletzt massiv in die Milchproduktion investiert und sich einen zweiten Milchroboter angeschafft, was ihn dazu zwang eine sehr hohe Milchleistung pro Kuh vorauszusetzen. Eine Strategie, die den Betrieb wohl auch ohne das Problem der großen Biotop-Flächen in die Bredouille gebracht hätten. Die Veröffentlichung der Biotope war demnach wohl auch ein willkommener Anlass einen Schritt öffentlich zu machen, der sowieso fällig war.
Der Schaden für die Biolandwirtschaft hält sich in Grenzen. Obwohl der Betrieb Hoffmann bislang der größte Lieferant an Biomilch war, wird es nicht unbedingt zu Engpässen kommen. Raymond Aendekerk, Direktor der IBLA, konnte der woxx bestätigen, dass bereits andere Produzenten Vorkehrungen getroffen haben, um einen Teil der jetzt fehlenden Mengen liefern zu können. Ironischerweise wirkt sich jetzt die Tatsache als positiv aus, dass in Luxemburg die Biomilchproduktion bislang erheblich über der als „bio“ absetzbaren Menge lag. Deshalb waren viele Milchbauern erst gar nicht daran interessiert ihre Produktion nach oben anzupassen, weil jeder zusätzliche Liter mit dem niedrigeren konventionellen Literpreis entlohnt wurde.
Aber auch wenn der Fall Hoffmann publizistisch bis zum Geht-nicht-mehr ausgeschlachtet worden ist, bleibt doch die Frage, wie das Umweltministerium mit den Fällen umgeht, in denen der angekündigte strenge Schutz der Biotope den betroffenen Landwirten tatsächlich wirtschaftliche Probleme schafft. Obwohl es politisch kaum sinnvoll ist, generell an den in einem speziell ausgearbeiteten Leitfaden festgehaltenen Maßnahmen zu rütteln, dürfte es deshalb bald zu Einzelfallprüfungen kommen.
Auch Landwirtschaftsminister Etgen wird von der Bauernzentrale wegen Mängeln in der Kommunikation heftig angegriffen: Anders als noch zu CSV-Zeiten werden wichtige Entscheidungen in Sachen Landwirtschaft nicht mehr zuerst im stillen Kämmerlein mit der Bauernzentrale „abgesegnet“, bevor sie in die öffentliche Debatte überführt werden. Bis zum 4. Juli läuft die öffentliche Anhörung bezüglich des bereits erwähnten PDR, und das, ohne „der Landwirtschaftskammer oder der Bauernzentrale die entsprechende Information bzw. Unterlagen und Dokumente im Vorfeld zukommen zu lassen“ wie der LB bemängelt.