PALMÖL-BOOM: Als nächste könnte es die Gorillas erwischen

Ob wir in einen Keks beißen, Brot mit Margarine bestreichen, Chips knabbern oder eine Fertigsuppe löffeln – überall ist Palmöl drin. In jedem zweiten Lebensmittel steckt die Allzweckwaffe der Industrie.

Gorilla im Disney’s Animal Kingdom. Wird der Palmöl-Boom dazu führen, dass Menschenaffen bald nur noch in Erlebnisparks und Tiergärten überleben können? (Foto: Raul654 CC-BY-SA 3.0)

Die Omnipräsenz von Palmöl hat einen einfachen Grund: Palmöl ist am billigsten zu produzieren. Eine Plantage erbringt pro Hektar vier bis acht Tonnen Öl im Jahr. Zudem kann dasselbe Feld mehrere Jahre hintereinander und zu jeder Jahreszeit abgeerntet werden. Da hält der heimische Raps nicht mit. Er kommt auf ein bis zwei Tonnen Öl pro Hektar und steht zudem nur alle drei bis vier Jahre auf demselben Acker.

Einst war die tropische Ölpalme nur eine Zierpflanze. Heute werden aus dem gelbroten Fruchtfleisch und dem Kern jährlich 50 Millionen Tonnen Öl gewonnen. Auf zwei Länder, Indonesien und Malaysia, fallen rund 85 Prozent der globalen Produktion. Die Gesamtfläche aller Palmölplantagen: über zwölf Millionen Hektar, eine Fläche so groß wie die Schweiz und Österreich zusammen. Den Markt beherrschen berüchtigte Akteure. Wilmar International etwa, Jahresumsatz: 35 Milliarden Dollar. Dem weltweit größten Händler werden massive Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen, unter anderem Landraub und Vertreibung. Bei Umweltranglisten landet die Firma regelmäßig auf den letzten Plätzen.

Dem lukrativen Palmöl-Geschäft steht der Regenwald buchstäblich im Wege. Ölpalmen brauchen viel Regen und Temperaturen zwischen 24 und 28 Grad. Der Anbau ist also nur im tropischen Gürtel zwischen den zehnten Breitengraden möglich, der Heimat des Regenwaldes. Für beide scheint zu wenig Platz da zu sein – zumindest verfährt die Palmölindustrie, als wäre es so. In Borneo gingen 2007/2008 etwa 27 Prozent der Waldzerstörungen direkt auf Palmölplantagen zurück, berichtete eine internationale Forschergruppe.

Abholzungsverbote scheinen nicht viel zu bringen. Zwar stellte die indonesische Regierung eine 65-Millionen-Hektar-Fläche vorübergehend unter Schutz, doch die Entwaldung geht ungebremst weiter. Ja sie nimmt sogar zu, wie eine neue, in der Zeitschrift Nature Climate Change veröffentlichte Studie offenbart. Danach werden in Indonesien jedes Jahr 50.000 Hektar mehr zerstört als im Jahr davor.

Die Regenwaldvernichtung nimmt den Orang-Utans ihren Lebensraum. Und sie beschleunigt die Erderwärmung. 20 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen werden allein durch Entwaldung verursacht. Darum steht Indonesien in der Liste der größten Klimagasemittenten auch ganz vorne: an dritter Stelle hinter China und den USA. Es könnte sogar noch schlimmer werden, weil die Palmölindustrie immer mehr tropische Torfböden trockenlegt. Diese bestehen aus totem Pflanzenmaterial, das sich über Tausende von Jahren unter Sauerstoffabschluss gebildet hat. Die Moore speichern bis zu 6.000 Tonnen Kohlenstoff pro Hektar – 50 Mal mehr als Regenwald ohne Torfboden.

Kimberly Carlson von der Yale University analysierte die Situation im Ketapang-Distrikt auf Borneo. Bei der Hälfte der 2011 neu angelegten Plantagen mussten tropische Torfböden weichen. Trockenlegungen oder Brandrodungen werden in den nächsten Jahren enorme Mengen an Kohlendioxid freisetzen, fürchtet Carlson. Ihre Prognose: 2020 werden fast 90 Prozent der durch den Anbau der Ölpalmen verursachten Treibhausgase aus Torfböden stammen.

Nach Südostasien kommt Afrika dran

Irgendwann gehen der Palmölindustrie geeignete Flächen in Südostasien aus. Aber das tropische Afrika, die Heimat der Ölpalme, steht schon bereit. Letztes Jahr richtete die Elfenbeinküste die erste afrikanische Palmölkonferenz aus. Laut der „Abidjan Declaration“ soll ein „günstiges Klima für Investitionen“ geschaffen werden.

Die Erschließung hat längst begonnen. Sime Darby aus Malaysia und Golden Agri Resources aus Singapur, zwei führende Palmölproduzenten, sicherten sich über 400.000 Hektar in Liberia. Auch in Westkamerun soll Palmöl produziert werden. Dort stößt die Sustainable Oils Cameroon Limited aber auf lokalen Widerstand. Die Tochterfirma von Herakles Capital aus New York will artenreiches Land am Rande des Korup Nationalparks in Palmölplantagen verwandeln. 70.000 Hektar soll das Gebiet umfassen, in dem Tier- und Pflanzenarten vorkommen, die es sonst nirgends auf der Erde gibt.

Auch jenseits der Grenze, in Ostnigeria, wehren sich die Menschen, in diesem Fall gegen die Pläne von Wilmar International. Im Cross River National Park will die Firma Plantagen anlegen. Dort leben seltene Primaten, wie der Cross River Gorilla, von dem es nur noch 300 Exemplare geben soll. Wilmar habe das Land unrechtmäßig erworben, erklärt der Rainforest Resource Development Centre, eine lokale Organisation.

Eine in Current Biology veröffentlichte Studie warnt vor dem großen Palmölrausch. Afrikas Menschenaffen, Schimpansen, Bonobos und Gorillas, könnte es genauso schlecht ergehen wie ihren südostasiatischen Verwandten, den Orang-Utans. 40 Prozent der ungeschützten Habitate befinden sich in Gebieten, die zu Plantagen werden können. Regierungen dürften nur jenen Firmen eine Genehmigung erteilen, die sich den RSPO-Kriterien verpflichten, fordern die Forscher.

RSPO steht für Roundtable for Sustainable Palm Oil. Industrie und Umweltorganisationen haben sich hier auf Mindeskriterien für eine umwelt- und sozialverträgliche Produktion geeinigt. Sie dürfen zertifizierte Produkte mit einem Nachhaltigkeitssiegel versehen. Das RSPO-Siegel steht mächtig in der Kritik. Es handle sich um einen Greenwashing-Versuch der Industrie, der Zweck sei allein, Palmöl durch RSPO wieder hoffähig zu machen. Und die Kriterien sind tatsächlich nicht streng. Sie verbieten zum Beispiel nur die Abholzung von Wäldern mit besonderem Schutzwert. Dieses Konzept der High Conservation Value Forests erhalte kleine Waldflächen, dafür opfere es die großen, die keinen Schutzstatus genießen, sagen die Kritiker.

Selbstkontrolle Fehlanzeige

Wiederholt sich in Afrika, was in Südostasien geschah? Oder kann die RSPO-Initiative ein zweites Umweltfiasko verhindern? Zweifel sind angebracht, schließlich wird die Initiative von der Industrie getragen, von Firmen wie Wilmar International. RSPO-Mitglieder können auch, falls sie sich eingeengt fühlen, jederzeit austreten. Herakles hat es vorgemacht. Der US-Investor verabschiedete sich wegen der Probleme in Kamerun vom Runden Tisch für nachhaltiges Palmöl.

Zu den ökologischen Folgen der Produktion in Südoastasien kommen die sozialen Schädigungen hinzu. Kinder müssen Palmölfrüchte einsammeln. Plantagenarbeiter werden wie Sklaven gehalten. Und die Arbeit macht krank. In Indonesien wird immer noch Paraquat versprüht, ein in Europa verbotenes Herbizid, das die jungen Ölpalmsetzlinge schützt. Weil die Arbeiter keinen Ganzkörperschutz tragen, erkranken sie an den Atemwegen.

Also besser kein Palmöl? Gleichwertiger Ersatz ist kaum zu finden, nicht nur wegen der hohen Erträge. Lebensmittelerzeuger halten Palmöl für unverzichtbar, weil es einen hohen Schmelzpunkt – zwischen 27 und 45 Grad Celsius – besitzt und so auch bei Raumtemperatur fest und geschmeidig bleibt. Durch die Verwendung von Palmöl könne man zudem auf gehärtete Fette verzichten, heißt es. Aus diesen bilden sich ungesunde Transfettsäuren.

Was der Konsument unternehmen kann? Wenige Produzenten verzichten ganz auf Palmöl oder bieten einzelne palmölfreie Produkte an. Wer Rapsmargarine statt herkömmlicher nimmt, muss dafür aber auch mehr zahlen. Zudem ist Palmöl in Lebensmitteln gut versteckt. In der Zutatenliste muss nur „pflanzliches Öl“ oder „pflanzliches Fett“ stehen. Ob es Palmöl ist, wird nicht angegeben. Aber das EU-Lebensmittelrecht zieht nach. Ab Ende 2014 ist Palmöl zu kennzeichnen.

Palmöl wird zu etwa 70 Prozent in Lebensmitteln verarbeitet. Etwa ein Viertel des produzierten Palmöls steckt in Kosmetika wie Lippenstift oder in Waschmitteln. Die restlichen fünf Prozent werden Agrardiesel beigemischt. Brasilien setzt auf Biodiesel aus Palmöl, das Benzin ersetzen soll. Keine gute Idee, finden Forscher der University of California. Sie errechneten die Klimagasemissionen des Palmöls, das für Autotanks gedacht ist. Diese könnten in Zukunft die Emissionen übersteigen, die auf konventionelles Benzin zurückgehen. Palmöl hat in diesem Fall eine noch schlechtere Klimabilanz als Erdöl.


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