PORTRÄT: JOHANNES ZAMETZER: Alle zwei Jahre wieder

Seine letzte Inszenierung in Luxemburg war im Jahr 2002. Mit dem Erfolgsstück „Bash“ meldet sich der fränkische Theaterregisseur Johannes Zametzer bereits zum vierten Mal zurück.

Für Zametzer ist ein Leben ohne Theater nicht denkbar. Weder auf der Bühne noch auf der Straße (Foto: Christophe Olinger)

Nur noch wenige Tage bis zur Premiere. Johannes
Zametzer kommt gerade aus einer längeren Probe, trinkt
einen Café in der benachbarten Gaststätte. Wenn auch etwas müde, wirkt er keineswegs angespannt. Seine Augen glänzen.

Es ist das erste Stück von Neil La Bute, das er inszeniert. „Ich liebe den scharfen, genauen Stil des Amerikaners“, sagt er. „Bash“ (Schlag) wurde 2001 geschrieben, allerdings vor den Terroranschlägen in den USA. Es greift eine nicht zu unterschätzende Komponente des momentanen Zeitgeistes auf: Es geht um das Töten und den Umgang mit der eigenen Verantwortung.

Eigentlich sind es drei Stücke; zwei Monologe und ein Dialog, die jeweils direkt auf die griechische Tragödie hinweisen. Was im Stück beschrieben wird, könnte sich genausogut in der Antike abspielen, dann nur mit Epos und Pathos. Der dramaturgische Ansatz ist hier völlig anders. „Bash“ ist aus dem Leben gegriffen, aus unserem Alltag.“ Was mich vor allem am Stück reizt, ist der leise Ton, das Unterschwellige, oder besser, das ‚Nebenbei‘; leben, töten, weiter leben … als sei nichts passiert. Beinahe.“

Menschen, die sich ohne Vorwarnung schuldig machen: Durchschnittsmenschen, die für einen Moment aus ihrer gewohnten Bahn geworfen werden. Und beichten. Ohne Schuldgefühl.

So der junge Mann, der in einem Lokal einen Fremden zu einem Getränk einlädt und zunächst über belanglose Dinge quatscht. Das Paar, das sich an ein gemeinsames Erlebnis erinnert und dabei völlig aneinander vorbei redet. Die junge Mutter, die ihr Kind aufgab, um den Vater zu strafen …
Sie alle haben etwas gemeinsam: Den Glauben und die Unfähigkeit, ihre Taten zu reflektieren. Das aber wird dem Zuschauer überlassen.

Zametzer ist ein vorwiegend deutschsprachiger Regisseur. Demnach wird seine „Bash“-Inszenierung, die heute im Kapuzinertheater zum ersten Mal aufgeführt wird, in deutscher Sprache vorgetragen. Doch der Regisseur griff zum Teil auch auf französischsprachige Schauspieler zurück.

„Im Theater ist Gegenbesetzung ein kreatives Mittel“, findet Zametzer. Beispielsweise spielt Luc Feit im Stück einen Jugendlichen, was im Film sicherlich nicht möglich wäre. Im Theater sei das anders. Hier gehe es weniger darum, einem streng festgelegten Typ zu entsprechen. Auf der Leinwand habe man „echt“ zu wirken, auf der Bühne müsse man die Rolle mehr „spielen“. „Darauf kommt es mir letztendlich an, weniger auf äußerliche oder gar sprachliche Profile.“ Luc Feit musste es sein, und genauso Myriam Muller. Schließlich beherrsche in Luxemburg fast jeder Deutsch. Hinzu komme, dass ein sprachlicher „Akzent“, wenn er richtig eingesetzt wird, durchaus auch eine lebendige, ja musikalische Wirkung erzielen könne. „Ich hoffe, das ist uns gelungen.“ Sprachliche Besonderheiten scheint der Regisseur zu lieben: Seine erste Inszenierung in Luxemburg, „Beckett x 3“, war dreisprachig (Englisch, Französisch, Deutsch).

Bereits hier wirkte der Luxemburger Luc Feit mit, mit dem Zametzer offenbar gut befreundet ist. Das erklärt zum Teil den Draht des Frankens zur luxemburgischen Theaterwelt. Auch in Luc Feits Kurzfilm „W“ wirkte Zametzer mit. Als Schauspieler, wohlverstanden.

Theater als Ersatz

Zametzer kann bereits auf knapp 25 Theaterjahre zurückblicken, als Dramaturg, und als Regisseur für Schauspiel und Oper. Mit Stationen in München, Wien, Hamburg und in Barcelona, wo er sich übrigens vor anderthalb Jahren niederließ. „Nicht unbedingt aus beruflichen Gründen“, betont er. „In Deutschland kann ich nicht mehr leben, da ist alles zu einheitlich für mich. Alle sehen gleich aus.“ Vielleicht sei das ja ein Grund, warum das Theater in Deutschland so entwickelt ist und ein dementsprechendes Niveau hat, sagt er grinsend. In der Bundesrepublik zähle man etwa 600 subventionierte Theater. In Spanien, wo er lebe, fast keine. Das ließe sich nicht nur wirtschaftlich erklären. In Deutschland würden schlechte Filme gemacht, dafür aber hervorragendes Theater. In Spanien sei es genau umgekehrt. Vermutlich weil Theater drüben weniger „gebraucht“ werde. Es fände einfach statt. Nicht auf einer abgekapselten Ebene, sondern im Alltag. Das sei inspirierend.

Seit fast zwei Jahren pendelt Johannes Zametzer also zwischen Spanien und Deutschland, oder umgekehrt. Erste Kontakte knüpfte er allerdings bereits vor fast 20 Jahren, „aus Zufall“.

Seine Frau, die Schauspielerin Petra Zwingmann, wollte das so. „Bis dahin hatte ich vor allem von Italien geträumt“, erinnert er sich. Doch seitdem habe es beide immer wieder nach Spanien verschlagen. In regelmäßigen Abständen hätten sie das Land ergründet, kreuz und quer. Irgendwann sind sie geblieben.

„In Barcelona hat ein Regisseur allerdings mit sprachlichen Vorschriften zu kämpfen, wenn er etwas ‚Lokales“‚ inszenieren will: Katalanisch ist quasi Pflicht, für mich nicht unbedingt von Vorteil“, so Zametzer. Es sei denn, man komme mit einem fertigen Projekt aus dem Ausland … wie auch immer, der Regisseur träumt davon, sein „deutsches“ Theater-Knowhow in Zukunft verstärkt in spanischen Projekten einzusetzen.

Doch er hat es nicht eilig. Schließlich gäbe es da unten eine Menge zu sehen. Barcelona sei eine Zwischenstation. Sein Sohn würde dieses Jahr sein Abi drüben machen. Danach wäre er nicht abgeneigt, weiter südlich zu ziehen, nach Andalusien. Er habe da auch bereits sein Stück Paradies gefunden, unweit der Trafalgar-Küste. In der Pampa, also. Da will er hin. Schließlich würden seine Theaterprojekte auch von dort aus den Kontakt zur so genannten Zivilisation aufrechterhalten.

„Bash“ – Stücke der letzten Tage“ von Neil Labute. Regie: Johannes Zametzer, mit: Nicole Max, Myriam Müller, Luc Feit und Frédéric Frenay. Premiere am 27. Februar um
20 Uhr im Kapuzinertheater, Luxemburg. Weitere Vorstellungen: siehe Veranstaltungskalender


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