MUSIKSZENE LUXEMBURG: „Wéi heescht de Gull richteg?“

Die Luxemburger Musikszene floriert wie kaum jemals zuvor. Höchste Zeit für Journalistin Josée Hansen und Radiomacher Unki, ein System in das Chaos zu bringen.

Josée Hansen: Eise Lexikon gëtt Rock’n’Roll.

Unki: Also, dat heescht e gëtt lieweg.

Josée Hansen: Nee. E gëtt einfach Rock’n’Roll.

Der Vater schrieb sie in die „Kopleschter Musek“ ein. Dort spielte Josée Hansen Saxophon. Dabei wollte sie eigentlich Schlagzeugerin werden. „Batteuse“, sagt sie. „Das war damals für Mädchen nicht erlaubt.“ Bei Christophe „Unki“ Unkelhäuser zu Hause stand vor allem Klassik im Plattenschrank. „Mit Klassik konnte ich nie etwas anfangen.“ Statt dessen begann er früh, sich für das Medium Radio zu interessieren und treibt seit einigen Jahren als „Bloë Baaschtert“ sein Unwesen auf Radio Ara. Auch für Josée Hansen, Kulturredakteurin beim „Lëtzebuerger Land“ gehört das Interesse an der Musikszene zum Beruf.

Josée Hansen: Als Meedchen ass een am Lycée natierlech an iergend ee Sänger verknallt a sou kënnt dann och d’Léift zur Musik.

Unki: A wee wars du da verknallt?

Josée Hansen: Dat soen ech net.

Josée Hansen hatte sich schon länger mit der Idee getragen, eine neue Auflage von Luke Haas‘ Rocklexikon, das immerhin fast zehn Jahre auf dem Buckel hat, zu produzieren. Eine Sysiphus-Arbeit für die sie in Unki den richtigen Partner fand. „Denn Unki weiß alles.“ Der Angesprochene wird rot, dabei übertreibt Hansen eigentlich nur leicht. Heute ist er der einzige Radiomacher, der auf luxemburgischen Wellen noch eine ganze Sendung der nationalen Musikszene widmen darf. Fast alle einheimischen Bands waren schon einmal beim „Bloë Baaschtert“ zu Gast.

Im Juni 2005, pünktlich zur Eröffnung der „Rockhal“, soll das Lexikon, das die Entwicklung der Jahre 1994 bis 2004 umfasst, in den Läden liegen. Über 400 Bands haben sich in diesen zehn Jahren gefunden und wieder getrennt, ein Drittel davon sind schätzungsweise auch heute noch aktiv. „Das ist für ein Land wie Luxemburg verhältnismäßig viel“, sagt Unki. Das Ordnen dieser wild wuchernden Vielfalt erweist sich als nicht ganz einfache Aufgabe. Unkis Aufruf an die Bands, ihm ihre genauen Daten zu übermitteln, enthält unter anderem die freundliche Bitte den vollständigen Namen anzugeben. Luxemburgische MusikerInnen verstecken sich mit Vorliebe hinter Spitznamen und Pseudonymen, wahrscheinlich um unauffälliger von einer Band zur nächsten zu wechseln.

Unki: Jidferee weess, wou de Gull Guitar spillt, mee wéi heescht de Gull richteg?

Josée Hansen: A wéi heescht en dann?

Mehr denn als Idealisten, entpuppen sich Josée Hansen und Unki als engagierte Kämpfer der nationalen Musikszene. Neben dem Teil, der Überblick über die einzelnen Bands gibt, wird das Rocklexikon ergänzt durch einen analytischeren Teil: Von den Frauen im Luxemburger Rock bis hin zur Politik der nationalen Konzertpromoter sind alle Themen vertreten. „Es geht darum zu zeigen, dass Rockmusik auch hier in Luxemburg ernst genommen wird“, sagt Josée Hansen.

Unki: De gréissten Deel vun de Suën, dee vum Staat an d’Musek investéiert gëtt, geet an d’Klassik.

Josée Hansen: De Rockpublikum muss op verreentene Festivalen durch de Mätsch trëppelen an anerer kréien um Kierchbierg geschwënn gëlle Krinn.

Auf dem Cover von Luke Haas‘ Rocklexikon tummelten sich 1995 noch die Comicfiguren mit Matte, Nickelbrille und Schlaghose. Fast zehn Jahre später hat sich vieles verändert. Die hauptsächlich von Blues und Rock bestimmte Szene ist vielfältiger geworden. „Luxemburg reagiert immer mit einiger Verspätung auf internationale Trends. Aber ich glaube, dass wir in zehn Jahren hier eine blühende Hip-Hop Szene haben werden“, sagt Unki. Die Demokratisierung der Aufnahme- und Produktionsmöglichkeiten, zum Beispiel durch Home-Recording, ermöglicht es heute fast jedem eigene Demos aufzunehmen.

Das Milieu entwickelt sich, klar ist bloß nicht genau wohin die Reise gehen soll. Die durchschnittliche Lebensdauer einer luxemburgischen Band beträgt kaum mehr als zwei Jahre. „Die erste CD produziert man noch voller Idealismus, eine zweite folgt meist nicht, weil es sich finanziell nicht lohnt“, erklärt Unki. Die wenigsten verkaufen mehr als ein paar hundert Exemplare. Josée Hansen fügt hinzu: „Und wenn du fünf mal vor deinen Freunden gespielt hast, fehlen irgendwann die Perspektiven.“ Wunschziel ist für viele eine internationale Karriere und damit ihre Musik zum Beruf zu machen. Davon ist Luxemburg noch weit entfernt. Josée Hansen und Unki bedauern dass es hier keine wirklichen Strukturen gibt, die luxemburgische Bands erfolgreich ins Ausland exportieren könnten. „Ob man Karriere machen kann oder nicht muss von anderen Kriterien abhängen, als lediglich von der Machbarkeit“, so Hansen. Nationale Hoffnungsträger sind für die beiden Kenner zur Zeit vor allem Raftside, Mack Murphy and the Inmates und Couchgrass.

„Ich finde, dass im kulturellen Bereich in Luxemburg zur Zeit die Musikszene die interessanteste Entwicklung durchlebt“, sagt Josée Hansen. Unki und Hansen trugen ihr Projekt an verschiedene Verleger heran, von denen einige ablehnten, mit dem Argument, dass es für ein solches Produkt keine Kundschaft gibt. „Wenn nur die Mitglieder der 400 Bands das Buch kaufen, brauchen wir uns eigentlich keine Sorgen zu machen“, sagt Unki. Die Rechnung könnte aufgehen.

Josée Hansen: Ech fannen et faul, dass et zu Lëtzebuerg ëmmer nëmme Bicher iwwert d’Iesse gëtt an iwwer
Spazéierweeër.

Unki: An iwwert d’Stolindustrie.

Josée Hansen: Ah nee, dat muss sinn.


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