Fotografie: Ode an die Archive

Mit seinen zwei Ausstellungen „Mémoires en transitions“ im Neumënster und „La projection du passé“ im Natioalarchiv würdigt der Fotograf Andrés Lejona die historischen Archive auf je eigene und beeindruckende Art und Weise.

„La projection du passé“ (Foto: Andrés Lejona, photo inspirée du document ANLUX, Arbed PV-0131)

„La projection du passé“ im Nationalarchiv (AnLux) besteht aus nur sieben, mit großem Aufwand hergestellten, Fotografien. Seiner Arbeit an dem Projekt (im Rahmen des „Mois européen de la photographie“) hat Andrés Lejona Dokumente der Nationalarchive zugrundegelegt und diese in den Räumlichkeiten der Archive so abgelichtet, dass in den Aufnahmen Spiegelungen entstanden. Durch das Arrangement der Objekte und die Technik der Videoprojektion sind die abgelichteten Objekte schnell zu Protagonisten geworden, die eine (vermeintlich) neue Realität widerspiegeln. Auf der Aufnahme von zwei aufeinander gestapelten, verschnürten dicken Archivbänden sind so etwa die Silhouetten von drei Männern schemenhaft zu erkennen; auf einer anderen Fotografie, die die Gänge der Archive zeigt, zeichnet sich im Hintergrund das Emblem der ARBED ab. Die sieben großformatigen Foto-Arbeiten beeindrucken nicht nur – vor allem durch ihre Technik -, sondern bilden auch eine ausgezeichnete Ergänzung zu der etwas verstaubt anmutenden Dauerausstellung, die auf schnöden Papp-Stellwänden historische Exponate aus den Archiven präsentiert und erläutert. Im Zusammenspiel mit diesen wirken Lejonas kunstvolle Fotografien komplementär und entfalten – wertvollen Schätzen gleich – erst so ihre volle Wirkung.

Für das Projekt „Mémoires en transitions“ in der Abtei Neumünster hat Lejona alte Bauernhöfe fotografiert. Das Projekt, wie schon dessen Konzeption, ist im Zusammenwirken mit der Kunsthistorikerin Marguy Conzémius entstanden. Anhand zahlreicher, auch multimedialer, Elemente, wie Ton-Material, und anhand von Lejonas Fotografien kann der Besucher die Geschichte des Bireler Bauernhofs in Sandweiler ausführlich erkunden.

Dazu wurden die historischen Etappen des Hofs rekonstruiert. Im Mittelpunkt der Erzählungen steht die Familie Schmitz, die 112 Jahre lang im Besitz des Hofs war. Diverse Exponate, wie exotische Funde von Reisen nach Indonesien, führen zu einer Vermischung solcher Erinnerungsstücke mit Jugendstilmöbeln aus der Heimat. In den Archiven lässt sich nachlesen, wie in beiden Weltkriegen Soldaten auf dem Hof einquartiert waren. Eine Tafel beleuchtet auch den Werdegang von Hedwig Schmitz, deren Mann Alderich im Ersten Weltkrieg starb, sodass sie ihre fünf Kinder alleine durchbringen musste. Das Schicksal dieser starken Frau, die in der Geschichte des Bireler Hofes eine tragende Rolle gespielt hat, lebt so wieder auf.

Beim Gang durch die Ausstellung kann man hunderte von historischen und genealogischen Fakten, offiziellen Dokumenten, Postkarten, Tagebüchern und Tönen entdecken, die zusammen ein Panoptikum der Geschichte der Familie Schmitz ergeben. Das Material kann in den Schubladen und in den Vitrinen sowie auf der Webseite www.memoiresentransitions.lu erkundet werden.

Das Projekt zum „Birelerhof“ hat es Lejona erlaubt, drei seiner Leidenschaften zu vereinen: die Fotografie, das Zeichnen und die Malerei. Gemeinsam mit Conzémius hat er Ereignisse ausgewählt, die verschiedene bedeutende Momente in der Geschichte des Hofes beschreiben. In minutiöser Kleinarbeit hat er die Ereignisse gemalt, ausgeschnitten und in eine Fotografie des aktuellen Ortes eingefügt. Durch das Aufkleben von Elementen, wie z. B. eines Vogels oder eines Flugzeugs, auf eine großflächige Aufnahme des Hofes ist so eine surreale Collage entstanden. Für den Künstler selbst bedeutete dieser Akt, dass er die Vergangenheit in die Gegenwart zurückgebracht hat. Das dabei entstandene große Bild stellt für ihn als Künstler den Hauptbeitrag zu dem Projekt dar.

So verschieden die beiden Ausstellungen Lejonas auch sein mögen – eines ist ihnen gemein: Die Wichtigkeit der Archivarbeit wie der historischen Dokumente wird durch sie hervorgehoben. Ohne archivierte Dokumente wäre es fast unmöglich, Geschichten und Erinnerungen zu rekonstruieren. Beide Ausstellungen würdigen damit auf ihre Weise die nationale Archivarbeit. „La projection du passé“ lässt die Archivdokumente wie geheimnisvolle historische Schätze erscheinen, „Mémoires en transitions“ erforscht, indem sie anhand von vorhandenem Archivmaterial Geschichten über verschiedene Bauernhöfe sammelt, das kollektive Gedächtnis von Luxemburgs Primärsektor. Beide Ausstellungen verweisen damit fotografisch auf die Dringlichkeit, Erinnerung(en) zu bewahren.

„Mémoires en transitions“ bis zum 21. Juni im Neimënster (Salles voûtées) und „La projection du passé“ in den Nationalarchiven (Plateau Saint Esprit) bis zum 31. Mai 2015.


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