KABARETT: En garde!

2005 erlebte Luxemburg einen regelrechten Kabarett-Boom. Ein Zeichen der Zeit oder Zufall? Claude Lamberty und Fons Ruppert von der „Peffermill(ch)en“ erklären.

Legen sich gerne schon mal auf die Couch:
Fons Ruppert und Claude Lamberty.
(Foto: Christian Mosar)

Der Name „Peffermill(ch)en“ ist abgeleitet von Erika Manns „Pfeffermühle“. Die Tochter des Literaturgiganten Thomas Mann beglückte in den 30er Jahren auch Luxemburg mit scharfem politischen Kabarett. Das „chen“ steht für den Respekt, den die Mitglieder der Vorzeige-Kabarettistin zollen- und hinter dem sie sich auch gerne ein bisschen verstecken.
„Im Kabarett geht es ums Fechten, allerdings nicht mit dem Säbel, sondern mit dem Florett!“, so Fons Ruppert, einer der langjährigen Mitglieder der „Peffermill(ch)en“. Von der ganzen Parodie-Mode und der US-amerikanischen Stand-Up-Comedy Welle im deutschen Raum hält er wenig. „Das ist grobschlächtig und bringt auf lange Sicht den kreativen Tod. Wer gezwungen ist Lachnummer auf Lachnummer zu produzieren, dem geht irgendwann die Puste aus“. In der Peffermill(ch)en wird auf leiser Flamme gekocht. „Wir können auch einen Politiker ansprechen, ohne ihn mit Namen zu benennen.“, erklärt Claude Lamberty, neben Guy Rewenig einer der Textschreiber der Truppe. Dass mit einem Titel wie „Verlooss ons net“ eigentlich nur der Premierminister persönlich gemeint sein kann, dürfte so ziemlich jedem klar sein. Wenn der Text dann auch noch auf die Melodie von „Ne me quitte pas“, von Jacques Brel vorgetragen wird, wird das Lächerliche mit dem Schönen kombiniert. Überhaupt setzt „Peffermill(ch)en“ eher auf literarische Aspekte und klassische Kabarett-Präsentation, als auf plumpe Parodie. Deshalb greift die Truppe auch auf illustre Schreiber wie Tucholsky, Kästner, Kreisler oder Boris Vian zurück.

Kabarett als soziale Hygiene

„Beim Kabarett wird der Finger in die Wunde gelegt“, meint Ruppert. Man muss das Politische im Alltag beobachten, und aus dessen Observation entsteht die Satire. So ist die „Peffermill(ch)en“ auch dazu gekommen, in den frühen 90er Jahren das erste feministische Kabarettprogramm auf die Beine zu stellen. „Fra bleift Fra“ war eine Dokumentation des aufkommenden Beauty-Wahns und nahm die „schön“-operierten Societydamen auf die Schippe. Ein Thema, das heute wieder aufgegriffen werden müsste, meint Lamberty, denn:“Wir sind wieder soweit, dass Frauen in der Öffentlichkeit mit viel mehr Selbstverständlichkeit zu Objekten gemacht werden als noch in den vergangenen Jahren. Ich frage mich: Wo bleibt die Frauenbewegung?“.

Im Übrigen sollte gutes Kabarett zeitlos sein, meinen die beiden. Der Beweis liegt auf der Hand, oder – besser gesagt – im Programm der „Peffermill(ch)en“: Viele Texte sind zwar neu interpretiert, aber trotzdem steinalt. „Das macht die Qualtät eines Textes aus; das Universelle. Der Zeitgeist ist zwar amüsant, aber ein guter Kabarett-Text geht über dies hinaus“, so Ruppert.
Kabarett soll unterhalten aber auch zu Nachdenklichkeit zwingen. „Wir reflektieren nur das, was eigentlich ist“, sagt Lamberty und spielt damit auf die interaktive Komponente des aktuellen Programms an. In „Dir hutt d’Wiel“ können die Zuschauer selbst auswählen, welchen Teil des Programms sie wann sehen wollen. Dies gibt ihnen eine gewisse Macht, aber am Ende kriegen sie doch das volle Programm ab. Parallelen zum EU-Referendum, bei dem der Wähler lediglich die Wahl zwischen „Ja“ und „Nein“ hatte, sind dabei pure Absicht . „Das Gute daran ist, dass wir niemanden persönlich beleidigen müssen, um die Zustände anzuprangern“, so Lamberty, „Das Kabarett ist ein Ventil, aus dem die Unzufriedenheit rausgelassen werden kann. Es ist die Waffe des kleinen Mannes gegen die Mächtigen dieser Welt.“ Gutes Kabarett sollte allerdings, da sind sich die beiden Pfeffermühler einig, den Menschen respektieren und statt seiner Person, dessen Funktion angreifen. „Wer das nicht versteht“, erklärt Ruppert “ der schadet sich selbst und dem Kabarett im Allgemeinen. „

Ein Loch in der Theaterbeilage

Auf die Frage, warum das Kabarett gerade jetzt einen Boom erlebt, nachdem es in der zweiten Hälfte der 90er Jahre relativ ruhig war, können beide keine schlüssige Antwort geben. Einerseits ließe sich das Phänomen dadurch erklären, dass die fünf in Luxemburg existierenden Truppen zufällig gleichzeitig ein Programm aufführen. Da zwei der Truppen lediglich alle zwei Jahre ein Spektakel produzieren, und beide 2005 auf der Bühne stehen, könne so der Eindruck entstehen, das Kabarett sei wieder groß im Kommen. Trotzdem gibt es konkrete Anhaltspunkte für einen kleinen Boom: Die vollen Häuser, vor denen die meisten Ensembles spielen. Der Erfolg beim Publikum ist umso erstaunlicher, als die mediale Präsenz des Kabaretts als Genre eher zu wünschen übrig lässt. So findet man in den Theaterbeilagen der großen Tageszeitungen keine Spur von deren Aktivität. „Das liegt daran, dass der Staat diese Beilagen subventioniert und nur die Gruppen in das Heft kommen, die in der professionnellen Theaterföderation sind.“, erklärt Ruppert. „Es gibt einfach kein Interesse von Seiten der Institutionen, sich für die anderen Sachen zu interessieren, die in unserem Land so laufen“, meint Lamberty. Beleidigt sind die beiden Macher der Peffermillchen deshalb jedoch nicht. „Wir brauchen diese Art von Unterstützung nicht“, sagen beide,
„Kabarett muss nicht mit Subventionen beglückt werden“. Strukturelle Hilfe wäre jedoch nicht fehl am Platz, denn „wenn es so weit kommen muss, dass gestandene Ensembles, neben dem ganzen Produktionsstress auch noch um einen Probe- und Aufführungssaal kämpfen müssen, so ist das ein Armutszeugnis für das reiche Luxemburg, das Milliarden in seine Kultur investiert“, meint Ruppert. „So schlimm ist es auch wieder nicht“, kontert sein Mitspieler „denn wir nehmen uns nicht so wichtig, und die Leute haben auch vielleicht die Nase voll von den ernsten und todtraurigen Stücken, die von offizieller Seite gepusht werden.“


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