BERLINALE: In den Fußstapfen von Daniel Craig

Jules Werner vertritt Luxemburg als Shooting Star beim diesjährigen Filmfestival in Berlin.Der 29-Jährige ist in einer Nebenrolle des Wettbewerbsbeitrags von Sam Gabarski an der Seite von Marianne Faithfull zu sehen.

woxx: Im Kurzfilm „Derrière la tête“ von Sebastien Tasch stecken Sie in der Rolle des Patienten, in „Irina Palm“ spielen Sie den Arzt der Großmutter, die mit Sexarbeit eine lebensrettende Operation ihres Enkels finanziert. Was erwartet uns als Nächstes?

Jules Werner: Vielleicht ein sadistischer Krankenhausdirektor (lacht). Nein, im Ernst, meine Rollen sind Zufall. In „Nuit d’Arabie“ zum Beispiel, für den wir vor einem Monat die Dreharbeiten abgeschlossen haben, spiele ich einen Lokomotivführer. Ich habe mich nicht festgelegt.

Und wie war es den Arzt von Irina Palm zu spielen?

Es war eine wunderbare Erfahrung – auch wenn mein Auftritt nur sehr kurz ist. Aber Sam Gabarski ist wirklich ein super Regisseur. Er lässt uns Schauspielern sehr viel Freiheit. Und Marianne Faithfull ist eine tolle Frau, mit der man gut lachen kann.

Glauben Sie, dass Sie wegen Ihrer Rolle in „Irina Palm“ als „Shooting Star“ nach Berlin eingeladen wurden?

Nein, ich habe ja auch vorher schon Filme gedreht. Als letztes habe ich die Hauptrolle in Paul Kieffers „Nuit d’Arabie“ gespielt, der im Herbst in die Kinos kommen wird.

Können Sie kurz skizzieren, worum es in dem neuen Film geht?

Ich spiele einen Zugführer der CFL, der ein sehr beschauliches, ruhiges Leben führt, bis er eine arbeitslose Algerierin kennenlernt, die er in seinem Gartenhäuschen übernachten lässt. Daraus entwickelt sich eine Liebesgeschichte. Als die Frau eines Tages verschwindet, sucht er sie in der Sahara, von der sie ihm immer vorgeschwärmt hat.

Was war die größte Herausforderung für Sie dabei?

Der Dreh in der Sahara. Spaß beiseite, ich denke, dass mir die Rolle ziemlich auf den Leib geschneidert ist. Es gibt viele Gemeinsamkeiten zwischen mir und dem Lokführer. Eigentlich läuft alles gut, aber dennoch gibt es immer wieder Momente, wo der Mann beginnt Fragen über sich und die Welt zu stellen.

Bislang haben Sie friedvolle und naive Menschen gespielt. Können Sie sich auch vorstellen, einen ganz anderen Charakter zu spielen?

Ich würde gern mal jemand spielen, der die anderen manipuliert. Ich bin sehr oft Opfer – einmal das der Liebe zu der Algerierin – einer Liebe, die sich in eine Obsession verwandelt. Das andere Mal bin ich Opfer einer Paranoia – das ist so im Kurzfilm „Derrière la tête“. Ich fände es schön, mal denjenigen zu spielen, der die Intrige spinnt.

Was versprechen Sie sich davon, Shooting Star der diesjährigen Berlinale zu sein?

Ich habe Kontakte geknüpft, die mir weiterhelfen können. Als Schauspieler braucht man auch immer wieder Glück, um an Rollen heranzukommen. Und das Gute am „Shooting Star“- Event in Berlin ist, dass man dem Glück etwas nachhelfen kann und etwas gepusht wird. Gestern hatten wir zum Beispiel das Industrie Breakfast, auf dem ich viele Casting Directors kennengelernt habe. Konkrete Rollen wurden dort aber nicht besprochen. Jetzt heißt es erst einmal abwarten.

Daniel Craig war auch einst „Shooting Star“. Wollen Sie in seine Fußstapfen treten und der nächste James Bond werden?

Ich würde nicht Nein sagen, aber es würde mich wundern, wenn ich ein solches Angebot bekäme. Letztlich ist jedoch eben das das Gute an meinem Beruf: Du weißt nie, was kommt. Von einem Tag zum anderen kann das Leben eine völlig andere Richtung nehmen. Als ich in London an der Schule aufgenommen wurde, hat sich mein Leben geändert. Als ich in einem Ensemble war, hat es sich wieder verändert. Heute lebe ich in Luxemburg und es ist wieder anders. Und jetzt – jetzt sitze ich hier in Berlin.

Während Ihrer Ausbildung an der „Guildhall School of Music and Drama“ sind Sie zwischen Luxemburg und London gependelt. Bedauern Sie es zurückgekehrt zu sein?

Überhaupt nicht. Ich bin ein großer Luxemburg-Fan. Ich bin sehr glücklich dort – beruflich wie auch privat. Nach einer Weile war mir London einfach zu groß. Ich hatte genug von der Großstadt. Ich hatte Sehnsucht nach Luxemburg.

Fühlen Sie sich von Luxemburg ausreichend gefördert?

Das Gute an einem kleinen Land ist, dass es leichter ist jemanden effizient zu promoten. Da genügt es manchmal in einem Film mitzuspielen und schon kennen einen die Leute. Dann ist es einfacher, einen neuen Film zu machen, weil man schon bekannt ist. Um jemanden auf europäischer Ebene zu promoten, sind solche Events wie die Shooting Stars sehr wichtig. Der Filmfund ist dort sehr engagiert. Weil es aber nicht so viele Schauspieler in Luxemburg gibt, können sie nicht jedes Jahr einen schicken.

Was glauben Sie bringt Luxemburg Ihre Teilnahme als Shooting Star auf dem Filmfestival?

Ich glaube, dass es für das Land sehr gut ist, wenn es auf einem der größten Filmfestivals weltweit vertreten ist. Gestern war ich auf einem Empfang von Viviane Reding, und da waren auf einmal sehr viele Luxemburger. Wir sind also präsent.

Andere kleine Länder wie Island waren schon häufiger auf der Berlinale vertreten und machen auch mehr auf sich und ihre Filmproduktionen aufmerksam . Woran hapert es Ihrer Meinung nach im Großherzogtum?

Ich glaube nicht, dass es in Luxemburg an etwas hapert. Die Gesetzgebung zur Filmförderung hat sehr viel bewirkt Und die Reform, die nun kommen wird, wird einen weiteren Schub mit sich bringen. Viele Leute, die in der Filmindustrie in Luxemburg arbeiten gelten als Ausländer, nur weil sie in Audun-le-Tiche wohnen. Das wirkt sich negativ auf das Tax-Shelter-System aus. Zum Glück wird sich das jetzt ändern. Gerade dieses Jahr, wo man die „Grande Région“ feiert, ist ein guter Anlass dazu.

Sie stehen jetzt auch in der Dreigroschenoper auf der Bühne.

Ja, ab April in Luxemburg, im Studio des „Grand théâtre“. Ich spiele den Maceath. Da freue mich sehr drauf.

Spielen Sie lieber Theater oder im Film?

Das sind zwei unterschiedliche Dinge. Es ist eine andere Art zu arbeiten, ohne dass ich sagen kann, dass ich das Eine lieber mache als das Andere. Im Theater vertieft man die Rolle über Wochen und denkt viel darüber nach. Im Film ist alles schneller vorbei, und die Szenen werden ja auch nicht chronologisch gedreht. Beim Theater fängt man am Anfang an und hört am Ende auf.

Haben Sie sich auch deshalb entschlossen, zum Film zu gehen, weil es finanziell attraktiver ist?

Es ist finanziell attraktiver, aber das ist nicht der Grund, warum ich in Filmen mitspiele. Ich mag einfach die Abwechslung. Das Gute daran ist, dass ich die Auswahl zwischen Theater und Film habe und das auf Französisch, Deutsch, Englisch oder Luxemburgisch spielen kann. In meinen Augen wäre es die perfekte Karriere, wenn es jetzt einfach so weiterginge und ich immer verschiedene Dinge machen kann.

Bis jetzt haben Sie sich eher an zeitgenössischen Stücken versucht. Haben Sie keine Lust auch mal Klassiker zum Leben zu erwecken?

Ja, einmal habe ich Molière gespielt. Das war auch sehr erfolgreich. Aber was ich noch lieber machen würde, wären die ganz großen Klassiker wie Marivaux, Victor Hugo, Racine. Das hat mir aber leider noch niemand angeboten. Ich habe in England viel Shakespeare gespielt. Da hat die Sprache Gewicht und es sind immer die großen Themen, die großen Tragödien. Das spielt der ganze Körper mit. Mit den Modernen ist es anders. Ich habe gerade in einem Harold Pinter-Stück gespielt, das ist sehr subtil, zurückhaltend, sehr britisch eben. Jetzt hätte ich mal Lust, etwas „aus der Panz“ zu machen.

Haben Sie schauspielerische Vorbilder?

Ganz klar: Al Pacino. In „The Merchant of Venice“ hatte ich eine kleine Rolle. Obwohl es im Film so aussieht, als wenn wir zusammen gedreht hätten, habe ich ihn leider nie getroffen. Aber das wäre eine Begegnung gewesen, die mich gefreut hätte.

Und wo sehen Sie Ihre Stärken? Was können Sie besonders gut, in welcher Rolle würden Sie sich „Zuhause“ fühlen?

Das ist eine sehr schwierige Frage. Ich finde es zum Beispiel sehr schwer, mich selber zu casten. Wenn man mir ein Script vorlegen und mich fragen würde, was mir am besten liegt, hätte ich wirklich Schwierigkeiten zu antworten.

Was war der letzte Film, den Sie gesehen haben?

Das muss schon länger her sein. Ich bin vor kurzem Vater geworden, da ist das nicht mehr so einfach. Aber ich glaube es war „The Road to Guantanamo“ von Michael Winterbottom. Das war im Juli vergangenen Jahres als meine Frau, Myriam Müller, hochschwanger war. Ach nein, wir haben danach noch „United 93“ gesehen. Da mussten wir aber nach einer halben Stunde wieder gehen, weil der Kleine im Bauch getrommelt hat.

Wie bringen Sie Familie und Schauspielerei unter einen Hut?

Das geht sehr gut, weil ich viel Freizeit habe. Oft auch Freizeit, die man sich nicht wünscht, aber so kann ich meine Energie ins Kind investieren.


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