INSTALLATION: Geschichtsverzerrende Bilder

von | 26.03.2015

Die Ausstellung „Photography Challenges History“ ist die erste Folge einer vierteiligen Serie namens „Memory Lab“, die in vier verschiedenen Museen der Stadt zu sehen sein wird. Ihr Name ist Programm und wirft die Frage auf: Verdrehen Bilder unsere Wahrnehmung der Geschichte?

In den 1990er Jahren erlebte die Geschichtswissenschaft einen wichtigen Paradigmenwechsel. Die „ikonische Wende“ bestätigte visuelles Material aller Formen – Bilder, Filme, Fotografien – in seiner Qualität als primäre Quelle für die Geschichtsforschung. Dass diese neue Sichtweise auf Bilder problematisch sein könnte, war jedoch schon damals vielen Historikern klar. Im Mudam können nun Exponate von sieben Künstlern betrachtet werden, die sich mit dem Thema Geschichte und Bild auseinandergesetzt haben.

Der Amerikaner David Birkin zeigt seine Serie „Iconographies“ von 2013. Er hat hierfür Pressebilder von verschiedenen politischen Größen aus der Ära des kalten Krieges ausgewählt, die er ohne Bildzeile, nur mit den Markierungen der Herausgeber, zur Ansicht bringt. Diese Markierungen zeigen, wie aufgesetzt Pressefotos manchmal sein können. Durch ein paar einfache Schnitte werden ganz neue Kontexte geschaffen.

Birkin war eigentlich noch mit einem weiteren Exponat vertreten. „Player: 1972“ ist das Video eines Fußballspiels zwischen den Mannschaften der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion. Die Kommentare sind durch eine computererzeugte Kopie einer militärischen Simulation der Nato überspielt. Leider ist dieses Video nicht verfügbar. Auf Nachfrage teilte ein Mitarbeiter des Museums mit, dass der Virtual-Reality-Helm, durch den es zu sehen war, von einem Besucher beschädigt worden ist.

Gleich drei verschiedene Werke beschäftigen sich mit dem zweiten Weltkrieg. „The Blue Train“ von Vera Frenkel ist das wohl komplizierteste. Die Kanadierin vermischt das Video eines Zuges, Fotos desselben Zuges und textuelle Auszüge aus einem Brief des Fotografen Werner Wolff. Zur Installation gehört aber auch ein bedrückendes Tondokument, in dem die Künstlerin die Flucht ihrer Mutter vor den Nationalsozialisten nach Paris beschreibt. Tatiana Lecomte stellt vier Fotografien aus, die fast vollständig durch einen weißen Fleck in der Mitte zensiert sind. Nur noch die Ränder der Bilder sind zu erkennen. Es handelt sich um Fotografien des ehemaligen KZ Ebensee, auf dessen Fläche nun Wohnhäuser stehen. Sie zeigt damit auf, dass wir oft vergessen, wie geschichtsträchtig manche Orte sind, die wir täglich passieren. Gábor Ösz hat mit seinem Werk die Aussicht aus Adolf Hitlers Ferienhaus auf dem Obersalzberg rekonstruiert. Dazu benutzt er eine riesige Projektion, die in einem völlig verdunkelten Raum auf eine Wand geworfen wird. Man fühlt sich fast pervers, wenn man – gewissermaßen zusammen mit Hitler – die Aussicht genießt, die der Tyrann vor Augen hatte.

Die interessanteste Serie zu der Ausstellung stammt vom Künstlerduo Adam Broombergs und Oliver Chanarins. Es werden hier Seiten aus der Bibel ausgestellt, in denen einzelne Wörter oder Sätze unterstrichen und jeweils mit einem Kriegsbild aus dem „Archive of Modern Conflict“ illustriert sind. „Divine Violence“ nennen die Künstler ihr 2013 entstandenes Werk. Die Bibel scheint durch das Herausreißen der Wörter aus ihrem Kontext und den dazugelieferten Fotos ein ideologisches Kriegshandbuch zu werden, das zur Gewalt aufruft. Am Schluss stehen die solarisierten Fotografien Antony Cairns von London, genannt „LDN“. Für sich genommen zwar interessant, passen sie aber leider nur wenig in den Kontext der Ausstellung.

Die Ausstellung bietet einen interessanten Überblick über die Macht historischer Bilder und wie diese unser Geschichtsbild beeinflussen. Dass das Exponat von David Birkin fehlt, ist enttäuschend, da es, seiner Beschreibung nach, definitiv eines der außergewöhnlichsten zu sein scheint.

Im Mudam, noch bis zum 31. Mai.

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