Afrobeat: Tanzbare Revolution

Ein wichtiger Musiker aus Nigeria, Seun Kuti, und seine Band Egypt 80 kommen nach Luxembourg. Kuti lebt den Afrobeat …

Seun Kuti und Egypt 80 sollten am 19. Mai im Atelier auftreten, leider wurde das Konzert kurz vor Redaktionsschluss abgesagt.

Seun Kuti und Egypt 80 sollten am 19. Mai im Atelier auftreten, leider wurde das Konzert kurz vor Redaktionsschluss abgesagt.

Der Afrobeat aus Nigeria ist einer der wenigen Musikstile Afrikas, der auch im sogenannten Westen einen Eindruck hinterlassen hat, vor allem in anglophonen Ländern. Nigeria ist mit mehr als 170 Millionen Einwohnern das bevölkerungsreichste Land Afrikas. Es werden über 300 verschiedene Sprachen gesprochen. Die größten Volksgruppen sind Haussa, Yoruba und Fulani. Entsprechend vielfältig ist auch die Musik des Landes. Lagos, mit 10 Millionen Einwohnern Nigerias größte Stadt, ist ein Ort, an dem die verschiedenen Kulturen aufeinandertreffen. In Nigeria sind zahlreiche Musikstile wie Apala, Fuji und Juju populär. Der Juju-Musiker King Sunny Ade hatte es immerhin zu einem Plattenvertrag mit Island Records gebracht und war 1983 in einer der legendären Rockpalast-Nächte des deutschen TV-Senders WDR in Essen zu sehen und zu hören. Ein anderer Musikstil hat aber seit Jahrzehnten über Nigeria hinaus seine Fans.

Es geht in Kutis zornigen Texten um die verheerende Politik des International Monetary Fund …

Seun Kuti ist einer wichtigsten aktuellen Vertreter des Afrobeat, den sein Vater Fela Anikulapo Kuti zusammen mit dem Drummer seiner Band, Tony Allen, Ende der 1960er Jahre zeitgleich mit anderen Musikern entwickelt hat. Vorher spielte Fela Kuti den Highlife, eine Musikrichtung, die sowohl in Ghana als auch in Nigeria seit den 1950er Jahren vor allem in den höheren Schichten der Gesellschaft (daher der Name) angesagt war und auch heute noch in modernisierter Fassung gespielt wird. Der Highlife basiert rhythmisch und in Bezug auf die Songstruktur auf westafrikanischen Traditionen, lehnt sich in Melodie und Harmonie jedoch an europäische Formen an. Geraldo Pino, ein Bandleader aus Sierra Leone, hatte schon früh Elemente der afroamerikanischen Soul- und Funkmusik, vor allem der von James Brown, in seine Musik aufgenommen und infizierte damit den jungen Fela Kuti. Der Afrobeat entstand im Folgenden durch die Verschmelzung des Highlife mit Soul und Funk, Jazz und tradioneller westafrikanischer Musik. Das inhaltlich Besondere an Fela Kutis Musik ist durch eine Reise in die USA im Jahre 1966 angeregt worden. Dort kam der Sänger in Kontakt mit den militanten Black Panthers, die in den USA für soziale Gerechtigkeit und die Gleichbehandlung von Afroamerikanern kämpften. Sein Afrobeat wurde explizit politisch. In Nigeria wurde Kuti dafür von den korrupten Machthabern mehrfach eingesperrt, geschlagen und drangsaliert. Er starb 1997, nimmt aber bis heute musikalisch und politisch einen Kultstatus ein – seine über 50 Alben werden immer wieder neu aufgelegt. Vor allem in Großbritannien ist er auch deshalb bekannt, weil in seiner Band einige Zeit auch Ginger Baker trommelte, der zuvor mit Jack Bruce und Eric Clapton in London die legendäre Rockgruppe Cream gebildet hatte. Baker zog später für viele Jahre nach Lagos und betrieb dort ein Tonstudio. Der Afrobeat hat auch heute weltweit eine große Zahl von Anhängern, und in vielen Ländern spielen junge Bands genau diesen tief groovenden, von Bläsern aufgeheizten Stil.

… um den beklagenswerten Umgang mit Kriegsflüchtlingen …

2011 startete in den USA sogar ein Musical, das dem Leben von Fela Kuti gewidmet ist und das auch in London gefeiert wird. Auch eine Reihe von alten Afrobeat-Legenden sind witerhin aktiv, so Kutis Drummer Tony Allen und der Sänger und Saxophonist Orlando Julius. Beide haben vor wenigen Monaten trotz ihres hohen Alters bemerkenswerte Alben veröffentlicht.

Zwei Söhne Fela Kutis, Femi und Seun, sind den politischen und musikalischen Spuren ihres Vaters gefolgt. Sie spielen erfolgreich ihre moderne Form des Afrobeat, und beide mischen sich politisch ein. Obwohl Seun Kuti der jüngere der beiden ist, bestimmte sein Vater vor seinem Tod, dass Seun, damals erst 14 Jahre alt, Felas Band „Egypt 80“ übernehmen solle. Diese Band leitet er bis heute. Im Jahre 2008 erscheint sein erstes Album „Many Things“, 2011 sein zweites „From Africa with Fury: Rise“. Wie der Titel verheißt, geht es um die elende Lage vieler Menschen in Afrika, um korrupte, machtbessene Militärs und diejenigen, die ihren Reichtum auf Diebstahl gründen.

… oder um die verhängnisvolle Zusammenarbeit von Regierungen und Banken.

2012 beteiligte sich Seun Kuti in Lagos an den Demonstrationen gegen die Regierung, die die Subventionen für Treibstoff gestrichen hatte. In einem der erdölreichsten Länder der Welt wurde Benzin unerschwinglich, und damit die Benutzung öffentlicher Transportmittel für die Masse der Bevölkerung zum Luxus. Auf seinem vor knapp einem Jahr erschienenen letzten Album „A Long Way to the Beginning“ sind wie gewohnt kernige Bläsersätze und polyrhythmische Groovesounds zu finden. Auch Gastmusiker sind dabei, wie der aus Ghana stammende Rapper „Blitz the Ambassador“ und die deutsch-nigerianische Sängerin Nneka. Kutis Texte sind wieder bissig und zornig.

Es geht unter anderem um die verheerende Politik des International Monetary Fund, um den beklagenswerten Umgang mit Kriegsflüchtlingen und um die verhängnisvolle Zusammenarbeit von Regierungen und Banken. Politische Texte und gute Musik, geht das zusammen? Ja, es geht und zwar bestens! Kuti kann aber auch anders, so im Stück „Black Woman“, das unter anderem der US-Soulsängerin Nina Simone gewidmet ist. Seun Kuti und Egypt 80 haben bereits 2011 auf dem Knuedler bewiesen, was für eine scharfe Musik sie auch – oder erst recht – live abliefern. Auf das Konzert im Atelier darf man gespannt sein. Ein Kritiker schrieb kürzlich, bei Seun Kuti werde die Revolution tanzbar. Das war nicht ironisch gemeint.

Da das Konzert leider kurzfristig abgesagt werden musste, weisen wir unsere Leserschaft auf den Podacst der Mondophon-Sendung vom 13. Mai hin, dort wird Musik des Highlife und Afrobeat, darunter natürlich auch die von Seun Kuti, vorgestellt.
http://podcast.ara.lu/blog/category/ara/mondophon

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