#AlleNichtGanzDicht: Wenn Kritik nach hinten losgeht

Für die Satirevideos unter dem Hashtag #AllesDichtMachen ernten deutsche, österreichische und luxemburgische Schauspieler*innen zurzeit heftige Kritik. Sie würden Schwurbler*innen und Rechtsextremen in die Hände spielen, so der Vorwurf.

Foto: Youtube Screeshot des „Vicky Krieps“-Videos

#AllesDichtMachen – nein, das ist keine neue Social-Media-Kampagne der Zero-Covid-Bewegung. Der Hashtag ist der Titel einer Videoreihe, in welcher sich 53, mehrheitlich deutsche Schauspieler*innen, mit sarkastischem und zynischen Grundton zur Coronapandemie äußern. Sie haben es satt: mit Social distancing, Masketragen und Ansteckungsangst. Verübeln kann ihnen das sicher keine*r. Mit den Videos tun die Promis jedoch weit mehr, als nur ihrem Frust Luft zu machen.

Jedes der Videos zeigt einen Menschen, der die Hygiene- und Distanzregeln ganz toll findet, und sich eigentlich noch härtere wünscht. Christine Sommer freut sich darüber, dass ihre Tochter so viel abgenommen, viele Freund*innen im Internet gefunden hat und nur noch schwarz trägt. Dass sie nicht mehr aus ihrem Zimmer rauskommt und seit drei Tagen nichts gegessen hat, findet sie zwar nicht optimal, aber ihr Fazit: „Ich bin so froh, dass wir als Familie gut durch die Coronazeit gekommen sind“. Mit starrem Blick fügt sie hinzu „Bleiben Sie gesund. Und unterstützen sie die Coronamaßnahmen“.

In einem anderen Video drückt Volker Bruch sein Unbehagen darüber aus, immer weniger Angst zu verspüren. Er fordert die deutsche Regierung auf: „Macht uns mehr Angst“. Auch die luxemburgische Schauspielerin Vicky Krieps ist mit von der Partie. In ihrem Video spielt sie einen Menschen, der sich freut, sich dank Coronamaßnahmen endlich nicht mehr auf andere Menschen einlassen zu müssen. „Ich kann mich jetzt getrost hinter eine Wand aus Schutz und Regeln zurückziehen.“ Endlich gebe es einen guten Grund sich zwischenmenschlicher Kommunikation, Empathie, Neugierde auf andere, und gegenseitiger Unterstützung zu entziehen. „Das finde ich persönlich sehr hilfreich und ich würde diese Maßnahmen sehr ungern aufgeben. Drum wäre ich froh, wenn wir uns weiterhin alle vernünftig an die Regeln halten und uns weiterhin aus dem Weg gehen“, erklärt Krieps den Zuschauer“innen.

Daran wird deutlich, dass die Hauptkritik nicht der Art, wie Schutzmaßnahmen beschlossen oder kommuniziert werden, gilt. Es geht auch nicht darum, dass nicht genügend Unterstützung geboten wird für diejenigen, die gesundheitlich oder finanziell besonders unter der sanitären Krise leiden. Die Botschaft der einzelnen Videos lautet vielmehr: „Die negativen Auswirkungen dieser Pandemie sind einzig und allein darauf zurückzuführen, dass ihr Lockdowns so toll findet“. Daran zeigt sich: Die #AllesDichtMachen-Teilnehmer*innen argumentieren gegen etwas, das niemand behauptet hat. Die wenigsten dürften Abstandregeln und Masketragen um ihrer selbst willen unterstützenswert finden.

Es ist zweifellos wichtig, darauf aufmerksam zu machen, dass die Pandemie unterschiedliche Auswirkungen auf Menschen hat, je nach ihrer Lebenssituation. Während den einen Social distancing leichtfällt, ist es für andere sehr viel schwerer oder schlicht unmöglich. In den Videos geht es aber gerade nicht darum. Auch nicht um die vielen Toten und Langzeitgeschädigten. Stattdessen wird pauschal Kritik an den Maßnahmen und denjenigen, die sie befolgen oder gar verteidigen, geübt. In anderen Worten: Diese Promis stellen nicht nur politische Entscheidungen in Frage, sondern auch wissenschaftlich fundierte Empfehlungen. Wer Maßnahmen befolgt ist zu blöd, um sein Hirn einzuschalten und zu begreifen, dass wir im Grunde alle verarscht werden. Klingt vertraut? Leider bedienen die Videos Pseudoargumente von Querdenker*innen und Rechtsextremen. Coronapolitik wird als bloße Panikmache, das Befolgen der Maßnahmen als Zeichen der Gleichschaltung abgestempelt.

Auf Twitter wird mittlerweile unter Hashtags wie #AllesSchlichtMachen und #AlleNichtGanzDicht heftige Kritik an der Videoreihe geübt. Auch einige Schauspieler*innen äußerten sich.

Schauspielerin Heike Makatsch ist die einzige, die bisher auf die Kritik reagierte. Sie entschuldigte sich und ließ das Video dann entfernen.


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