Eine kürzlich erschienene Miniserie thematisiert die Missbrauchsvorwürfe gegen Filmemacher Woody Allen und lässt Familienmitglieder und Expert*innen zu Wort kommen. Die Einseitigkeit des Werks hinterlässt einen faden Beigeschmack.

Wie harmonisch oder unharmonisch das Familienleben von Woody Allen und Mia Farrow war, darüber gehen die Meinungen stark auseinander. (Foto: Mediapunch/Shutterstock/HBO)
Seit am 16. Februar der Trailer zur Doku „Allen v. Farrow“ veröffentlicht wurde, dürften alle an sozialer Gerechtigkeit interessierten dem Werk des Filmemacher-Ehepaares Kirby Dick und Amy Ziering gespannt entgegengesehen haben. Die vierteilige von HBO produzierte Serie versprach nicht nur qualitativ hochwertig zu sein, sondern auch eine neue Perspektive auf die Missbrauchsvorwürfe gegen Filmemacher Woody Allen zu liefern. Dessen Ex-Partnerin Mia Farrow hatte ihn 1992 öffentlich beschuldigt, die gemeinsame Adoptivtochter Dylan im Alter von sieben Jahren sexuell missbraucht zu haben. Allen bestritt die Vorwürfe und warf Farrow vor, Dylan gecoacht zu haben, um ihm zu schaden. Sieben Monate zuvor hatte Allen Farrow für ihre Adoptivtochter Soon-Yi Previn verlassen. Zu einem Prozess gegen Allen kam es nie.
Die Doku setzt noch vor Allens Beziehung mit Schauspielerin und Aktivistin Mia Farrow an und endet in der Gegenwart. Die rund fünf Jahrzehnte, die die Serie beleuchtet, werden von unzähligen Interviews, Ausschnitten aus Fernsehsendungen und Heimvideos untermalt. Wenn Filmkritiker*innen schreiben, dass „Allen v. Farrow“ eine völlig neue Perspektive liefere und ein vernichtendes Bild von Allen vermittele, sagt das mehr über ihre Recherchen aus als über die Doku an sich. Denn abgesehen von den Heimvideos enthält der Film nicht viel, das nicht ohnehin schon bekannt war.
Dennoch ist das in solch kondensierter Form gezeigte Material keine leichte Kost. Das liegt vor allem daran, dass Problematiken angesprochen werden, die auch über diesen spezifischen Fall hinaus Relevanz haben. Da wären zum einen die Spezifitäten pädophiler und inzestuöser Gewalttaten. Obwohl Frauen und Mädchen sexualisierte Gewalt statistisch gesehen vor allem im eigenen Haushalt erfahren, handelt es sich dabei nach wie vor um ein Tabu. Nicht nur ist in solchen Fällen die Hemmschwelle, um Anzeige zu erstatten, tendenziell größer, als wenn es sich bei dem*der Täter*in um eine völlig fremde Person handelt. Wie in der Dokumentation thematisiert wird, fällt es zudem vielen leichter zu glauben, dass die Tat imaginiert oder das Kind manipuliert wurde, als dass ein Familienvater übergriffig geworden sein könnte. Dies fällt bei einer Person, die eine breite öffentliche Anhänger*innenschaft hat, umso mehr ins Gewicht. Auch thematisiert wird die kulturelle Normalisierung von Beziehungen mit großem Altersunterschied zwischen Mann und Frau. Woody Allens Filme wie „Manhattan“ dürften zu diesem Phänomen beigetragen haben.
Was „Allen v. Farrow“ sehr gut gelingt, ist die Vielfalt an Dynamiken aufzuzeigen, die Teil solcher öffentlicher Missbrauchsfälle sein können. In diesem Sinne hat die Serie das Potenzial, für eine Thematik zu sensibilisieren, die immer noch häufig missverstanden wird. Was die Vorwürfe gegen Allen selbst angeht, so ist man nach Sichtung der Doku keineswegs schlauer als zuvor. Die Bandbreite an Menschen, die für „Allen v. Farrow“ interviewt wurden, umfasst neben Mia und Dylan Farrow sowie weiteren Familienmitgliedern und -freund*innen, auch Anwält*innen, Psycholog*innen und Filmkritiker*innen. Was sie gemeinsam haben: Sie sind alle von der Schuld Allens überzeugt. Dieser sowie Soon-Yi Previn haben ein Interview mit den Filmemacher*innen abgelehnt und auch der von ihm und Mia Farrow adoptierte Moses wollte nicht zu Wort kommen. Wieso Dick und Ziering jedoch gänzlich davon absahen, eine nicht ganz so zugunsten der Farrows eingenommene Person zu befragen, ist unklar.
Es spricht einiges dafür, dass die Regisseur*innen nicht an Nuance interessiert waren. Dafür ist der Inhalt der Serie zu glatt, wird Widersprüchlichkeit kein Raum gelassen. Keine Erwähnung findet etwa die Behauptung von Dylans ehemaliger Nanny Monica Thompson, dass die Vorwürfe gegen Allen nicht stimmten und sie sich von Farrow unter Druck gesetzt gefühlt habe, das Gegenteil auszusagen.
Das alles soll nicht heißen, dass an den Beschuldigungen nichts dran ist. Mit dieser einseitigen Serie wurde allerdings niemandem ein Dienst erwiesen.