Auf Disney+: The Dropout

Filme und Serien über Hochstapler*innen gibt es viele, wenige sind so gelungen wie Elizabeth Meriwethers „The Dropout“.

Fast nicht wiederzuerkennen in ihrer Rolle als Elizabeth Holmes: die US-amerikanische Schauspielerin Amanda Seyfried. (Fotos: Beth Dubber/Hulu)

Von Hochstapler*innen geht eine anhaltende Faszination aus. Aus psychologischer und soziologischer Sicht scheinen sie die Regeln des respektvollen Miteinanders auf den Kopf zu stellen: Sie erschüttern das Vertrauen darin, dass unsere Mitmenschen meinen, was sie sagen. Politisch und juristisch faszinieren die Fälle vor allem dann, wenn der Betrug zunächst allen Kontrollinstanzen entging. Oder wenn die Hochstapler*innen breite Unterstützung fanden, noch lange nachdem einzelne sie bereits durchschaut hatten.

All dies trifft auf die ehemalige Unternehmerin Elizabeth Holmes zu. Im Alter von 19 Jahren gelang es dem Stanford-Dropout – sie brach ihr Studium in Chemieingenieurwesen nach wenigen Semestern ab – Investitionen in Millionenhöhe an Land zu ziehen. Was sie mit ihrem Unternehmen Theranos entwickeln wollte, sollte nichts weniger als eine medizinische Revolution werden: Ein Gerät, das in Minutenschnelle anhand eines einzigen Tropfen Bluts unzählige Tests durchführen und zuverlässige Diagnosen stellen kann.

Das Problem ist nicht so sehr, dass es dieses Gerät nie gab. Es vergeht wahrscheinlich kein Tag, an dem nicht irgendein Silicon-Valley-Unternehmen die selbstgesetzten Ziele verfehlt. Problematisch ist vielmehr, dass die Leitung von Theranos Investor*innen und Patient*innen die Existenz dieses Geräts jahrelang vorgaukelte und dass Kund*innen mit nicht zugelassenen Geräten untersucht und ihnen zum Teil falsche Testresultate übermittelt wurden.

Die Geschichte ist so haarsträubend wie facettenreich. Und genau das gelingt es der achtteilige Mini-
serie „The Dropout“ einzufangen. Dazu haben sich die Macher*innen zum einen an dem 2018 erschienen Buch „Bad Blood: Secrets and Lies in a Silicon Valley Startup“, in dem Wall-Street-Journal-Journalist John Carreyrou das Ergebnis seiner Recherchen beschrieb, und zum anderen an dem ABC-News-Podcast „The Dropout“ inspiriert.

Schwieriger Spagat

Produktionen über Hochsta-
pler*innen sind mit einer Gratwanderung konfrontiert. Wird aus der Perspektive der Anti-Held*innen erzählt, müssen diese mit einem Minimum an Sympathie dargestellt werden. Dazu gehört auch, die Umstände zu zeigen, die einen Menschen wie Holmes hervorgebracht haben, ohne aber allzu simplistische Kausalzusammenhänge zu suggerieren.

Gleichzeitig kommen die Macher*innen solcher Serien nicht daran vorbei, auch den Schaden und das Leid zu zeigen, das diese Menschen angerichtet haben – vor allem wenn es sich, wie im Falle von Elizabeth Holmes, um verurteilte Kriminelle handelt. „The Dropout“ gelingt dieser Spagat.

Die Serie springt immer wieder zwischen unterschiedlichen Lebensphasen hin und her. Wer sich über die empathische Darstellung des damaligen Teenagers wundert, darf beruhigt sein: Showrunnerin Elizabeth Meriwether geht es mit der Serie keinesfalls darum, Holmes als unschuldig oder gar als Opfer darzustellen. Vielmehr soll diese Vorgeschichte uns helfen, emotional an das Geschehen anzuknüpfen. Auf dieser Grundlage zeigt die Serie andere Perspektiven. Allen voran die ehemaliger Theranos- Angestellter und die John Carreyrous (Ebon Moss-Bachrach). Betrogene Patient*innen und Investor*innen tauchen ebenfalls auf, allerdings nur am Rande.

Ein weiterer Spagat, der „The Dropout“ gelingt: Unterhaltsam ist die Serie sowohl für diejenigen, die mit dem Fall vertraut sind, als auch für alle anderen. Das liegt vor allem an der Figur Elizabeth Holmes, die bis zur letzten Folge ein undurchschaubares Mysterium bleibt, ohne aber glorifiziert zu werden. Als Kind und Jugendliche stach sie für ihre unermüdliche Disziplin hervor, scheinbar mühelos gelang es ihr, in eine dezidierte Männerdomäne vorzudringen und sich selbst zur Milliardärin heraufzuarbeiten. Je größer aber der Druck, desto toxischer wurde ihre Ambition. Sie wird als eine Frau gezeigt, die sich so sehr an Idealen und Vorbildern orientierte, dass sie die Realität aus den Augen verlor.

Die US-amerikanische Schauspielerin Amanda Seyfried spielt Holmes mit beängstigender Intensität und ist dabei ebenso glaubhaft als Girlboss wie als Soziopathin. Dass sie dabei Holmes’ Manierismen detailgetreu wiedergibt, steigert den Sehgenuss noch um ein Vielfaches.

„The Dropout“ ist deshalb so gelungen, weil die Macher*innen nicht an Schwarz-Weiß-Malerei interessiert sind. Die Messlatte für weitere Verfilmungen dieses Falls – wie etwa eine von Apple TV mit Jennifer Lawrence in der Hauptrolle – liegt mit dieser Produktion denkbar hoch.

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