Berthe Lutgen und Jos Weydert: Malen gegen Missstände

In der wenig bekannten Galerie „Wallis Paragon“ unweit des städtischen Hauptbahnhofs lässt sich zurzeit die Vielfalt von Berthe Lutgens Arbeitsweise erkunden. Die Ausstellung zeigt zudem eine kleine Auswahl von Werken ihres Künstlerkollegen und Mannes Jos Weydert. Beide sind Urgesteine der politisch engagierten Kunst in Luxemburg.

Berthe Lutgen – Memento Mori mit Plastik (Bilder: Berthe Lutgen)

Den Namen Berthe Lutgen verbindet man wohl als Erstes mit Feminismus, ist die 1935 geborene Frauenrechtlerin doch als Begründerin des „Mouvement de Libération des Femmes au Luxembourg“ (MLF) bekannt. Das letzten April in der Abtei Neumünster (woxx 1470) erstmals ausgestellte langformatige und mehrteilige Bild „La marche des femmes“ von Berthe Lutgen passte zwar nicht in Gänze in die kleinen Räumlichkeiten der Galerie „Wallis Paragon“, dafür rundet das letzte der ursprünglichen acht Panels die derzeitige Ausstellung ab. Die Malerei zeigt einen Protestzug aus unterschiedlichen Frauen, die für ihre Rechte demons-
trieren. Eine gedruckte Dokumentation der kompletten Arbeit weist auf die weiteren Teile hin. Das ausgestellte Panel „Amerika“ ist zwar ein Fragment, jedoch lässt es sich gedanklich leicht weiterführen und wird so zum Ausschnitt einer globalen Bewegung.

Über Lutgens feministisches Engagement hinaus lassen sich auf kleinem Raum hier einige weitere Themen der Künstlerin entdecken. In mehreren ihrer Arbeiten findet man Elemente der Flüchtlingsthematik, die sich als sozialpolitische Aussage verstehen lassen. Neben Zeltstädten und zerstörten Wohnhäusern zeigt sie auch einfache Konsumgüter wie Schuhe, die für manche bloß modisches Accessoire sein mögen, für weniger Glückliche vielleicht aber notwendig für einen langen und gefährlichen Fußweg. Ihre Beobachtungen und Hinweise scheinen hier eine eher sanfte Kritik an Problemen der Gesellschaft zu sein. Eine Verschiebung von Bedeutung wendet sie ebenfalls in einer Art Neuauflage niederländischer Stillleben des 17. Jahrhunderts an. Als Kritik an der weltweiten Umweltverschmutzung und -zerstörung, sieht sie ihre „natures mortes“ nicht mehr als die symbolreichen Vorbilder, sondern nur noch als traurige Realität mit sterbender Tier- und Pflanzenwelt. Sie dreht das Blatt wortwörtlich um und präsentiert in einer Assemblage das Plastik der Meere als Rückseite der überfischten Tatsachen. So malt sie gegen Realitäten an, die sich hartnäckig halten.

Was ebenfalls hervorsticht, ist Lutgens bewusst gewählter Stilpluralismus. Verschiedene Techniken, Figuratives und Abstraktes vermischen sich in palimpsestartigen Kompositionen, die oftmals die Vielschichtigkeit ihres Themas „Frauengeschichte“ widerspiegeln. Häufig wiederholen sich einzelne Bildelemente über die gezeigten Schaffensjahre hinweg. Lutgen hat in Paris, München und Bonn studiert und war später Schülerin von Joseph Beuys. Sie greift gerne Motive aus der Kunstgeschichte auf – so finden sich das Motiv der Badenden oder auch die Silhouetten aus Henri Matisses „Der Tanz“ mehrmals wieder.

Neben Lutgens neueren Bildern sind fünf Siebdrucke aus den späten 1970er-Jahren von Jos Weydert zu finden. Sie beschäftigen sich mit dem internationalen Faschismus und listen daneben auf nationaler Ebene die Holdings der luxemburgischen Kirche als Kulisse für die Trösterin der Betrübten auf. Darüber hinaus zeigen zwei Portfolios die Cover seiner Buchsammlung des (deutschsprachigen) analytischen Denkens zwischen 1967 und 1977. Unter dem Motto „68, Die Lust am Denken“ wird hier durch die Reduktion auf die Titelseite die Literatur zum „ästhetischen Objekt“.

Die im „Wallis Paragon“ angebotenen Bücher zu den jeweiligen Œuvres lohnen ebenfalls einen zweiten Blick oder gar einen Kauf, denn sie führen die Ansätze der Ausstellung weiter oder erklären, wo ein „sans titre“ Fragezeichen hinterlässt.

Galerie Wallis Paragon, 
noch bis zum 11. Januar.

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