Biodiversität: Wie Roboter die Bienen retten könnten

Bienen haben, wie viele andere Insekten auch, große Probleme mit den veränderten Umweltbedingungen. Im Rahmen eines europäischen Forschungsprojekts will man ihnen helfen. Roboter sollen künftig im Bienenstock nach dem Rechten sehen. Dass die Interaktion Tier-künstliche Intelligenz klappt, haben Schweizer und österreichische Forscher*innen schon vorher bewiesen.

Bienen werden von Robotern angelockt. (Foto: Frank Bonnet/EPFL)

Zebrafische leben in Flüssen, Honigbienen an Land. Ihre Ökosysteme sind also komplett voneinander getrennt. Kaum vorstellbar, dass sie sich jemals direkt begegnen. Zumindest nicht in der Natur. Im Labor geht so etwas aber schon, wie ein wissenschaftliches Experiment zeigte. Dabei wurden die beiden schwarmintelligenten Tierarten dazu gebracht, miteinander zu kommunizieren. Und zwar über die fast 700 Kilometer Entfernung zwischen den Städten Graz und Lausanne hinweg. Die Versuchsanordnung: An der Universität Graz steckte man lebende Bienen und Bienenroboter zusammen. Die Roboter sendeten Impulse aus, die die Bienen lenkten. Da diese es schön warm mögen, sammelten sie sich in der Nähe des Roboters, sobald der Wärme abgab. An der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne funktionierte es ähnlich: Fische und Fischroboter schwammen gemeinsam durchs Aquarium. Die Fische ließen sich durch die Schwimmrichtung der Roboter beeinflussen, wobei sie ihnen aber nicht direkt folgten. Denn bei Zebrafischen ist es so, dass der einzelne Fisch immer in die Richtung schwimmt, in die sich die Mehrheit bewegt, egal ob das Roboter oder lebende Artgenossen sind. Die Roboter waren also nur das Zünglein an der Waage bei der Entscheidung der Gruppe, im oder gegen den Uhrzeigersinn zu schwimmen.

Jetzt kam der Clou: Fische und Bienen wurden digital vernetzt. Die Roboter sammelten dafür Daten über „ihre“ Tiere und übertrugen diese via Internet an die jeweils anderen Roboter in der anderen Stadt. Ein Signalaustausch, und zwar genau der Signale, welche das Gruppenverhalten der eigenen Tiere lenkten. „Wichtig war die Übertragung der Daten in Echtzeit“, erklärt Frank Bonnet vom Robotics Lab der ETH Lausanne. „So konnten wir den gegenseitigen Einfluss der Tiergruppen tracken und sehen, wie die Informationen zwischen den Akteuren hin- und hergehen.“ Die Vernetzung brachte erstaunliche Ergebnisse. Schwammen die Lausanner Zebrafische im Uhrzeigersinn durchs Aquarium, orientierten sich die Grazer Honigbienen zum linken Roboter. Schwammen die Fische andersherum, gesellten sich die Bienen zum rechten Roboter. „Die Fischroboter wurden von den lebenden Bienen beeinflusst und die Bienenroboter von den lebenden Fischen“, sagt Thomas Schmickl, Leiter des Artificial Life Lab in Graz. Er führte das Experiment zusammen mit Bonnet im Rahmen des Forschungsprojekts „ASSISIbf“ durch.

Fische und Bienen, die übers Internet miteinander „reden“, und künstliche Intelligenz, die dabei den Mittelsmann gibt. Klingt ungewöhnlich, aber die Beeinflussung von Tieren durch Roboter und umgekehrt könnte helfen, gewaltige Probleme zu lösen, wie Schmickl erläutert. „Wir beobachten gerade ein großes Massensterben im gesamten Tierreich. Das alleine ist schon sehr übel, was aber noch viel übler ist: Der Prozess dürfte sich selbst verstärken, da mit dem Ausfall jeder einzelnen Tierart viele stabilisierende Feedbackschleifen wegfallen.“ Ein Schneeballeffekt, durch den Ökosysteme immer instabiler werden.

Meteorologische Informationen aus dem Internet leitet der Roboter weiter an die Bienen, die auf Wärme und Vibrationen reagieren. (Foto: Public Domain)

Stabile Habitate

Schmickl schlägt vor, Roboter zu entwickeln, die die Löcher in den Ökosystemen „stopfen“ und die Ökosysteme so stützen. Das Fisch-Bienen-Experiment habe erstmals gezeigt, dass es möglich ist, Roboter so zwischen zwei Arten zu platzieren, dass diese als Gesamtsystem neu verknüpft und in ihrem Verhalten stabilisiert würden. „Dazu haben wir absichtlich zwei Arten ausgewählt, die normalerweise keine Verbindung zueinander haben, um die generelle Machbarkeit selbst bei ökologisch weit auseinanderliegenden Arten zu demonstrieren.“ Für eine reale Anwendung würden dann ökologisch näher beisammenliegende Arten ausgewählt. Die Verbindung über die Distanz Graz-Lausanne demonstriere zudem die Anwendbarkeit des Ansatzes bei fragmentierten Habitaten, wo vom Menschen geschaffene Barrieren den Informationsfluss zwischen den Tieren und damit auch ihre Koordination verhinderten. Schmickl: „Mit unserer Technik könnte man mehrere solche separierten Kleinhabitate mit niedriger Stabilität wieder zu einem großen und damit stabileren Großhabitat verbinden.“

Nun wagt der Grazer Biologe den Schritt aus dem Labor heraus und hinein in die Natur. Genauer: ins Bienenvolk. Insektizide, Monokulturen, Klimawandel machen den Insekten, deren Bestäubungsarbeit für die Landwirtschaft so wichtig ist, zu schaffen. Schmickl will etwas gegen das Bienensterben tun. Er leitet das europäische Projekt „HIVEOPOLIS“, das Anfang April startete. Beteiligt sind auch zwei Berliner Institute. Wie der Projektname andeutet, geht es um einen Bienenstaat. In dem sind Roboter unterwegs und lenken die Vorgänge im Brutnest: Fütterungsverhalten der Ammenbienen, Wabenvorbereitungsverhalten der Babybienen, Eilegeverhalten der Königin. Die Beeinflussung läuft über Wärmeerzeugung und Vibrationen, welche die Bienen, anders als Wärme, auf Abstand halten. Eine besondere Aufgabe übernehmen Bienentanz-Roboter, die die Forscher entwickeln. Sie sollen die Bienen zu den gewünschten Sammelzielen lenken. „Dorthin, wo man ihre Bestäubungsleistung haben will“, so Schmickl. Geplant ist auch ein System, das Tänze zu potenziell gefährlichen Orten unterdrückt, damit die Bienen nicht dorthin fliegen. Das können Orte mit hoher Insektizidbelastung sein. Live-Prognosen helfen den Bienen bei ihren Entscheidungen, wofür das System unter anderem Wettervorhersagen heranzieht. Informationsquellen, die den Insekten sonst nicht zugänglich sind. Schmickl: „So werden ganze Bienenstöcke zu Robotern, aber auch zu lebenden und vernetzten Umweltdatenbanken.“ Hinzu kommt die Vernetzung der „smarten“ Stöcke zwecks Informationsaustausch, was ganz konkret Bienenleben retten kann. Gibt es Populationsverluste, nachdem ein Stock an einer bestimmten Stelle gesammelt hat, wird genau diese Stelle auf einer digitalen Landkarte als potenziell gefährlich markiert. Das hält andere Stöcke davon ab, Bienen zu diesen Stellen zu schicken. Menschliche Inspektore*innen untersuchen anschließend die gekennzeichneten Gebiete. Bei Fehlalarm werden sie wieder „freigegeben“.

Roboterbienen nein danke!

(lm) – „Ihren natürlichen Gegenstücken weit überlegen, (…) vollständig mit Solarenergie betrieben, (…) verursachen viel weniger Kosten als normale Bienen.“ So heißt es in einem bereits 2014 von Greenpeace online gesetzten Youtube-Video über Roboterbienen. Es zeichnet eine Zukunft, in der die Spezies Biene ausgestorben ist und durch „Neue Bienen“ ersetzt wird. Was als bittere Ironie gemeint war, wurde von manchen Follower*innen für bare Münze genommen und dementsprechend kommentiert, zum Beispiel mit: „(…) finde die idee toll … aber!!! ich hoffe dass die blöden RoboDinger nicht wirklich auf echte Bienen losgehn“.
Die im nebenstehenden Beitrag vorgestellten Bienenroboter sollte man nicht mit Roboterbienen verwechseln. Der Zweck der von den Forscher*innen entwickelten Roboter ist schließlich, den natürlichen Bienen zu helfen – bevor sie aussterben. Kein Grund also, auch in diesen Systemen „technokratische Scheinlösungen“ zu sehen. Richtig ist allerdings, dass die Entwicklung solcher Hilfsmittel nicht als Argument missbraucht werden darf, um bekannte Probleme wie die Belastung durch Pestizide zu verharmlosen. Im Gegenteil: dass wir auf künstliche Hilfsmittel angewiesen sind, um die Bienen zu retten, verdeutlicht die Gefahr, die von der menschlichen „Zivilisation“ für die gesamte Biosphäre – und für die eigene Spezies – ausgeht.


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