Nahezu 20 Jahre hat die Luxemburger Metalband „Asathor“ bereits auf dem Buckel, doch jetzt will man es nochmal richtig wissen: Mit neuen Bandmitgliedern, neuer Veröffentlichung und neuen Showelementen bringt das Quintett episch-immersiven Black Metal auf die Bühne.
Als die Band „Kraton“ vor zwei Wochen bei einem energiegeladenen Konzert in der Rockhal ihr neues Album „Monolith“ präsentierte, überzeugte eine weitere Luxemburger Formation mit aktueller Veröffentlichung im Vorprogramm: Die Black Metaller „Asathor“; sie haben ihre EP „Quenta mir: Sangwa“ vergangenen September herausgebracht. Wo „Kraton“ sich der individuellen Katharsis widmet, entwirft Asathor düster-zerklüftete Klanglandschaften, die wenig Hoffnung auf die Kraft der inneren Läuterung lassen. Zu überwältigend scheint die depressiv-verzweifelte Wut, die dort zum Ausdruck kommt, in Songs, in denen eine Fülle betörend-melodischer Riffs, dezente Stimmungs-, prägnante Tempowechsel und ein abwechslungsreicher Gesang in einem beeindruckend ausgereiften Werk zusammenfinden.
Gegründet wurde Asathor bereits im Jahr 2005. Stilistisch sei die Entwicklung weg vom Viking Metal und hin zum Black Metal/Post Black Metal gegangen, sind sich die vier der insgesamt fünf Bandmitglieder einig, die sich für ein Interview mit der woxx versammelt haben (Schlagzeuger Fränz ist nicht dabei) und nur bei ihrem Vornamen genannt werden wollen.
Von außen lässt sich das vielleicht nicht so gut nachvollziehen, weil wir zwar an Stücken gearbeitet, aber längere Zeit nichts veröffentlicht haben. Außerdem sind wir relativ wenig aufgetreten, sodass dieser Entwicklungssprung ein bisschen krass erscheinen mag. Für uns als Band ist das anders, da vollzog sich das recht organisch. Hinzu kommen die neuen Bandmitglieder, die mit ihren Einflüssen diesen Prozess noch verstärkt haben.
Womöglich muss man ein wenig erläutern, worauf Gitarrist Fränz (neben dem Schlagzeuger der zweite Fränz im Bunde) sich hier bezieht. Viking Metal ist eine Stilrichtung, die Elemente von Black und Death Metal kombiniert, oft eher melodisch ist und epische Klangpanoramen häufig mit heroisierenden Darstellungen vom Leben und Kampf der Wikinger kombiniert. Als Wegbereiter gilt die schwedische Band „Bathory“; heute sind vor allem deren Landsleute von „Amon Amarth“ als erfolgreiche Vertreter des Genres bekannt.
So ganz hatte sich Asathor (ein Beiname des germanischen Kriegsgottes Thor) diesem Programm aber nie verschrieben. Das erste Demo „Nazgûl“ erschien 2009 und ist nach den „Dunklen Reitern“ aus J.R.R. Tolkiens Fantasy-Epos „Herr der Ringe“ benannt. 2019 folgte dann der erste Langspieler „Vegvísir“, auf dem die Band bereits ihr hohes kompositorisches Niveau präsentiert. Neben Liedern, die man tatsächlich eher dem Viking Metal zuordnen würde, finden sich darauf auch Black-Metal-Kracher wie beispielsweise „Menschenfleisch“; ein Stück, das durch seinen aggressiven, rauen, knorrig-trockenen Sound brilliert.
Vegvísir war in gewisser Weise auch ein Sammelsurium aus älteren und neueren Liedern der damaligen Band-Ära. Die beginnt 2005, 2006, als wir erst richtig losgelegt haben, und geht bis 2018, als wir dann die Platte aufgenommen haben. Stilistisch war das ein bisschen querbeet.
Ben weiß wovon er spricht, denn er hat Asathor gemeinsam mit Fränz, der wie er Gitarre spielt, gegründet. Auch der kann sich gut an die Anfangszeit erinnern.
Ben und ich kennen uns schon lang und sind als Nachbarn in Useldingen aufgewachsen. Wir sind immer gemeinsam im Bus zur Schule gefahren. Ich war so 13, 14 Jahre alt, und Ben, das war so der Raue, mit den Nieten und den Metal-Patches auf der Lederjacke. Irgendwann sind wir ins Gespräch gekommen, hatten auch den gleichen Gitarrenlehrer und dann ist eins zum anderen gekommen. Er kannte schon einen Drummer, mit dem er ein bisschen gejammt hat. Eines Tages hat er gefragt, ob ich nicht mal dazukommen will. Dann haben wir uns nach weiteren Bandmitgliedern umgeschaut, und das war so die Anfangszeit. Das war eigentlich eher ein Schülerband-Projekt.
Wie bei anderen Bands, die so entstanden sind, begann auch bei Asathor das Leben der Musiker irgendwann zum Teil andere Prioritäten zu diktieren. Insbesondere Universität und Ausbildung hätten es zum Teil schwer gemacht, die Band am Leben zu erhalten. Doch die fünf hielten durch; auch dank einiger Beharrlichkeit, wie Fränz’ Worten zu entnehmen ist:
Ab 2016, 2017 wurde es dann wieder anders. Wir hatten die Ausbildungsphase hinter uns und haben uns an die Produktion von Vegvísir gemacht. Ich persönlich habe mir mehr Raum verschafft, um für die Band arbeiten zu können. Natürlich sind wir nicht die aktivste Band, wir spielen nicht jedes Wochenende. Wir versuchen, uns regelmäßig zu sehen, neue Stücke zu schreiben, zu proben, ein paar Auftritte im Jahr zu haben; dennoch waren wir von Anfang sehr realistisch, dass wir das nicht unbedingt professionell machen können. Wichtig war immer, dass es ein schönes Projekt für uns ist und vielleicht hat es auch deshalb so lange überdauert. Wir haben uns nie in die Haare bekommen, weil jemand den Anspruch hatte, dass die Sache viel größer werden müsste, als sie ist. Und jetzt erleben wir, dass das, was wir machen, gerade sehr gut ankommt und auch viel Spaß macht. Auch dadurch, dass Sven und Eric dazugekommen sind und ihr Können und ihre Erfahrung mit reingebracht haben. Es ist eine neue Dynamik entstanden, aber es ist auch alles ein bisschen aufwändiger geworden.
Bassist Eric erinnert sich noch recht genau, wie diese Dynamik begann:
Als ich dazu gestoßen bin, stand ich zunächst mal ziemlich unter Druck, weil ein Konzert anstand. Ich habe ja mit unserem Drummer Fränz noch ein anderes Bandprojekt. Irgendwann meinte er: „Wir bräuchten für ein Konzert mit Asathor einen Bassisten – hättest Du da Bock drauf?“ Ich habe zugesagt, und wie das meistens so ist, kommt so ein Streuner, hilft aus und mit der Zeit gewöhnen sich die anderen Bandmitglieder an den und lassen ihn nicht mehr gehen.
„Es kann von Vorteil sein, wenn man sich von dem abschottet, was die Nachrichten so von der Welt präsentieren.“ Sven, Sänger von Asathor
Wegen des Zeitdrucks habe es mit dem neuen Line-up anfangs wenig Diskussionen um den künftigen Sound gegeben, sagt Eric. Das sei dann vor allem im Zuge der Aufnahmen für die neue EP geschehen.
Da haben wir uns schon die Frage gestellt: Was genau wollen wir machen? Der Toningenieur, mit dem wir zusammengearbeitet haben, Philipp vom Audio Grain Studio, war auch sehr offen. Ich habe früher bereits Erfahrungen mit anderen Produzenten gemacht, denen man anmerkte, dass sie vorab schon eine konkrete Vorstellung davon hatten, wie ein Projekt klingen soll. Philipp hingegen – und das hat mir sehr gut gefallen, muss ich sagen – meinte: „Wir machen mal, worauf ihr Bock habt und gucken, wo das hinsteuert.“ Das war sehr erfrischend, und so haben wir eigentlich im Studio nachgeholt, wofür anfangs keine Zeit war, und überlegt, wie wir klingen wollen.
Einen etwas moderneren Sound habe man angestrebt, sagt Eric, und Fränz pflichtet ihm bei:
Es war uns wichtig, dass beispielsweise der Bass, der den Sound so fett und auch so rund macht, sehr präsent sein sollte. Das entspricht vielleicht nicht dem klassischen Black-Metal-Sound, aber dafür dem, wie wir das hören wollen.
Auch Sänger Sven, der vor zwei, drei Jahren hinzugestoßen ist, hat die neue Identität der Band mit seinen Ideen maßgeblich geprägt: Das gilt, was die Bühnenshow betrifft, aber auch hinsichtlich der Texte.
Asathor hatten via Facebook einen neuen Sänger gesucht. Ich hatte zu der Zeit schon bei meiner früheren Band „Theophagist“ aufgehört. Wir haben dann mal geschaut, ob das passt und das hat es dann auch. Auf Vegvísir lag der Akzent stark auf der Wikinger-Thematik, die mich bloß mäßig interessiert. Also gab es nur zwei Möglichkeiten. Entweder jemand schreibt die Texte, der sich mit Wikingern besser auskennt, oder ich suche mir ein anderes Thema. Und da lag für mich eigentlich sofort die ganze Tolkien-Welt nahe. Auch Tolkien hat sich ja sehr stark an der nordischen Mythologie orientiert.
Von der nordischen Mythologie zu Tolkien, zu Fantasy – die Band scheint explizit politische und gesellschaftliche Themen zu meiden. Sven, der in der Tolkien’schen Welt von Mittelerde sehr bewandert ist, hat mit einer entsprechenden Frage gerechnet.
Und tatsächlich weiß ich deshalb auch schon recht genau die Antwort darauf. Ich habe mich bewusst gegen realitätsnahe Themen entschieden, weil ich politisch und auch persönlich ein bisschen abgekapselt bin von der Welt. Ich habe aufgrund persönlicher Erfahrungen irgendwann gelernt, dass es von Vorteil sein kann, wenn man sich von dem abschottet, was die Nachrichten so von der Welt präsentieren. Ich lese zum Beispiel kaum noch Zeitung und schaue auch keine Fernsehnachrichten mehr. Das hat mir sehr geholfen, wieder ein bisschen mit den Füßen auf den Boden zu kommen. Man hat wieder mehr Zeit für das, was um einen herum passiert und schaut nicht andauernd auf das, was in 10.000 Kilometern Entfernung geschieht. Die ganze Ukraine/Russland-Thematik ist ein sehr gutes Beispiel dafür. Ich stecke da gar nicht mehr drin, weil ich gemerkt habe, dass mich das emotional zu sehr belastet. Ich habe genug andere emotionale Belastungen. Bei Tolkien ist die Sache so: Der Ausgang steht schon fest, alles steht in den Texten. Auch die Werte sind sehr klar: Es gibt das Gute, es gibt das Böse. Die Gefahr, dass jemand kommt und sagt: „Ich interpretiere deine Texte so, dass du vielleicht so und so denkst oder dass du die und die Seite gewählt hast“, ist also klein. Politische Texte in der Musik sind für mich etwas, wovon ich die Finger lassen will.
Hier klingt auch ein wenig die Angst vor dem Verlust der künstlerischen Freiheit heraus. Dass man sich als Künstler*in letztlich doch immer erklären, dass man eindeutig werden muss, anstatt das Publikum seinen Interpretationen und Projektionen zu überlassen. Vor allem möchte die Band, dass der Fokus auf der Musik anstatt auf den einzelnen Musikern liegt. Daher spielt man seit kurzem die Konzerte auch im schwarzen Umhang und mit Kapuze. Das Licht wird heruntergefahren, die Bühne eingenebelt. Auf Ansagen oder sonstige Kommunikation verzichtet Sven ganz bewusst, weil er das Publikum während des Konzerts nicht behüten oder an die Hand nehmen will.
Natürlich kann man darüber streiten. Aber es gibt eben viele Bands oder Livekonzerte, wo die Interaktion mit den Zuschauern sich für mich nicht wirklich ehrlich anfühlt. Mir entspricht es eher, gar nicht auf das Publikum zuzugehen, damit es sich tatsächlich auf die Musik konzentriert. Die können wegen mir auch für 45 Minuten die Augen zumachen und nur zuhören.
So aufzutreten, helfe ihm aber auch persönlich, gibt Sven offen zu, der anders als der Rest der Band nicht nur im Umhang, sondern auch mit maskiertem Gesicht auf der Bühne steht.
Ich glaube, jeder, der schon mal als Sänger vor einem Publikum gestanden hat, weiß, wie sich das anfühlt; wie nackt man sich teilweise fühlt, weil man kein Instrument in der Hand hat. Mir persönlich hilft die Maskierung, und ich mache auch kein Geheimnis daraus. Im Übrigen trinke ich seit geraumer Zeit gar keinen Alkohol mehr, weil ich aus den falschen Gründen getrunken und auch sehr viele Konzerte tatsächlich recht betrunken gespielt habe. Und da ich jetzt stocknüchtern auf der Bühne stehe, fühle ich mich noch nackter und beobachteter. Und diese Maske, die bildet halt so eine Trennwand. Ich bin in meiner Welt, und die Zuschauer sind in ihrer. Es hat also schon auch psychologische Gründe, warum wir jetzt so auftreten.
Wie schon ihr Album hat Asathor auch die jetzige EP ohne die Hilfe eines Labels im Selbstverlag veröffentlicht. War Vegvísir noch auf CD erschienen, hat man dieses Mal bewusst komplett auf einen physikalischen Tonträger verzichtet, wie Eric bestätigt.
Es war eine bewusste Entscheidung, erstmal nur digital zu veröffentlichen, weil sich die Musikwelt und das Konsumverhalten einfach verändert haben. Klar wird es immer Leute geben, die eine CD haben wollen. Aber man muss sich als Band fragen, wie viel Sinn das macht. Für kleine und unabhängige Bands wie uns ist bereits die Aufnahme sehr kostspielig, wenn kein Label dahintersteht und das finanziert. Und da hat sich dann schon die Frage gestellt, ob es sinnvoll ist, auch noch für die Produktion einer CD Geld auszugeben, wenn 90 Prozent der Leute das sowieso in digitaler Form konsumieren. Ich sammle selbst auch Platten und finde es immer sehr schön, etwas in der Hand zu haben, aber der Fokus liegt jetzt erst mal darauf, das neue Line-up und den neuen Sound zu präsentieren.
„Es war eine bewusste Entscheidung, erstmal nur digital zu veröffentlichen.“ Eric, Bassist von Asathor
Und dieser neue Sound macht stellenweise stark den Eindruck, als ob Asathor im 20. Jahr des Bestehens erst am Beginn des voll entfalteten kreativen Vermögens steht. Eine pechschwarze Wiedergeburt, wenn man so will. Man darf also gespannt sein, was da noch kommen wird. Gitarrist Fränz lässt es sich nicht nehmen, zumindest eines schon zu verraten:
Es dauert wahrscheinlich nicht so lange, bis das nächste Material von uns veröffentlicht wird. Es sind genug Ideen da, und wir sind jetzt auch schon ein wenig in den Wintermodus gewechselt, um neue Stücke zu schreiben.
Bleibt zu hoffen, dass ein möglichst rauer Winter kommt. Von dessen klirrender Kälte wird sich dann bestimmt auch etwas in den neuen Stücken von Asathor wiederfinden.