Buch
: „Bug“ von Claire Schmartz


Claire Schmartzʼ Romandebüt „Bug“ trifft den Nerv der Zeit: Die luxemburgische Autorin wirft Fragen nach Wissenschaft, Technik und Künstlicher Intelligenz auf. Doch wie liest sich das Buch?

In Claire Schmartz Debütroman „Bug“ spielen eine Forscherin und der Roboter Bud die Hauptrolle. (QUELLE: Hydre Éditions)

„Bug. 010000100101010101000111“ (2022, Hydre Éditions) ist der erste Roman von Claire Schmartz, einer jungen Luxemburgerin, die in Berlin lebt. Ihr Werk handelt von einer Wissenschaftlerin und Bud, ihrem intelligenten Haushaltsroboter. Den hat die Professore, so der Name der Hauptfigur, selbst programmiert. Sie arbeitet im „Haus der Maschinen“ und teilt sich dort ein Büro mit ihrem Kollegen Gilbert. Dieser wird meistens nur als „Krawatte“ bezeichnet und von der Professore als störende Kontrollinstanz wahrgenommen. Im Handlungsverlauf beginnt eine neue Testphase des Projekts, in der die Professore mit dem Roboter Bud zusammenlebt. Nach einem guten Start beginnt die Maschine jedoch ein seltsames Verhalten an den Tag zu legen. Anfänglich geht die Professore von einem Bug – also einem Fehler – im Code des Roboters aus. Als sie keinen Softwarefehler findet, verhärtet sich der Verdacht, dass Bud aus Langeweile einen Hang zur Selbstzerstörung entwickelt. Langsam, aber sicher entgleitet der Wissenschaftlerin die Kontrolle über ihr Projekt.

Roboter in der Literatur

Claire Schmartz bewegt sich mit ihrem Roman in einem Feld mit langer Geschichte: Roboter. 1920 erscheint das Schauspiel „R.U.R.“ von Karel Čapek. Dort wird der Begriff „Roboter“ zum ersten Mal in einem Text verwendet. Das Drama handelt von dem titelgebenden Unternehmen „Rossumovi Univerzální Roboti“, das Androiden herstellt und als billige Arbeitskräfte verwendet. Androiden bezeichnen mittlerweile Roboter, die dem Menschen täuschend ähnlich sind und sich menschenähnlich verhalten. Das Wort Roboter fand schnell in zahlreichen Sprachen Einzug und vor allem die Science-Fiction begann, sich intensiv mit dem Thema auseinanderzusetzen. Isaac Asimov machte den Begriff durch seine Romane einem größeren Publikum bekannt und beschrieb 1942 in seiner Kurzgeschichte „Runaround“ die berühmten drei Robotergesetze, die Regeln für das sichere Zusammenleben mit den Maschinen bestimmen.

Literarisch wird die Beziehung zwischen Mensch und Maschine immer wieder ausgelotet. Zu einem der letzten Werke zum Thema zählt Ian McEwans 2019 veröffentlichter Roman „Machines Like Me“: Dort geht ein junges Liebespaar eine Dreiecksbeziehung mit einem Androiden ein. Auch Kazuo Ishiguro behandelt die Materie in „Klara and the Sun“. In seinem 2021 erschienenen Roman beschreibt er eine dystopische Zukunft aus der Sicht der Androidin Klara.

Heute ist die Beziehung zwischen Mensch und Maschine vor allem im Hinblick auf die Künstliche Intelligenz (KI) in aller Munde. Mit ChatGPT erschien vor einigen Monaten ein Chatbot, der alles bis dahin Gekannte in den Schatten stellt und täglich neue Nutzer*innenrekorde verbucht. ChatGPT führt der breiten Masse so deutlich wie nie zuvor die umfangreichen Möglichkeiten der KI vor Augen. Aber auch vor den Gefahren wird gewarnt: So unterzeichneten im März 2023 mehr als 1.000 Expert*innen aus der Technologiebranche und der Forschung – darunter auch Tesla-Chef Elon Musk und Apple-Mitbegründer Steve Wozniak – einen offenen Brief, in dem eine Entwicklungspause für KI-Modelle gefordert wird. Die Zeit solle genutzt werden, um Sicherheitsprotokolle zu entwickeln, hieß es im Schreiben der gemeinnützigen Organisation Future of Life. Claire Schmartz schreibt also über ein aktuell äußerst relevantes Thema, patzt jedoch bei der Umsetzung ihrer Idee.

Zwischen den Grenzen

Die Prämisse der Handlung ist zunächst vielversprechend. Bud bewegt sich an der Schnittstelle zwischen Roboter und Androide: eigentlich ein spannender Ausgangspunkt. Viele Fragen, die unsere Gesellschaft gerade beschäftigen, werden hier aufgeworfen. „Bug“ ist die Geschichte eines Roboters, der sich nicht mit den für ihn vorgesehenen Aufgaben abfinden will und einen Ausweg sucht.

Die Professore sorgt mit ihren Aussagen jedoch für Verwirrung. Bud „hatte ein feines Gesicht mit sanften Zügen (…) und weiche Hände wie aus Menschenhaut“, heißt es im Roman. Ausführlich beschreibt die Professore, wie menschenähnlich er aussieht, denn er „darf uns nicht stören“, nicht negativ auffallen. Der Roboter soll gleichzeitig aber auf keinen Fall von seinen Besitzer*innen vermenschlicht werden. Nicht nur das Aussehen, auch die Benennung der Maschine suggeriert eigentlich etwas anderes. So ist es nicht verwunderlich, dass die Pro-
tagonistin ihn später in einem anderen Licht sieht: „Er ist hübsch, der Roboter. Bud.“

Der Professore ist es enorm wichtig, dass zwischen Maschine und Mensch eine strikte Trennung herrscht. „Roboter haben keine Emotionen, sie kennen keinen Neid, keinen Hunger, keine Müdigkeit, keine Krankheit, kein Glück. Sie funktionieren oder sie funktionieren nicht“, sagt sie. Der Roboter soll der „perfekte Begleiter“ sein, der sich um alles im Haushalt kümmert und das Leben seiner Besitzer*innen optimiert, indem er etwa Verbesserungsvorschläge macht. Bud ist also lernfähig, soll aber nicht selbst denken. Warum die Professore in dem Fall nicht einfach einen Haushaltsroboter entwickelt, der nur simple Tätigkeiten verrichtet, bleibt unklar.

Die Erzählweise von „Bug“ trägt zu diesen Unstimmigkeiten bei. Die Erzählinstanz berichtet aus der Sicht der Professore von den Ereignissen. Die Lesenden nehmen also hauptsächlich durch die Gedanken der Hauptfigur an der Handlung teil. Oft sind diese eher ein Schwall von sich wiederholenden Elementen, vor allem, wenn sie wieder einen Vortrag über ihr Projekt hält. Direkte Rede gibt es keine. Ist also tatsächlich alles so, wie es erzählt wird? Oder handelt es sich um die verzerrte Wahrnehmung einer obsessiven Forscherin?

Wissenschaftliche Ungereimtheiten

Die wissenschaftliche Welt, in welcher der Roman spielt, verwundert; das gesamte Setting wirkt befremdlich bis ironisch. So werden fast alle Figuren ausschließlich mit Spitznamen bezeichnet. Neben der bereits erwähnten Krawatte gibt es auch noch die „Frau Professor Doktor Doktor“. In solchen Situationen wirkt der Roman wie eine schlechte Parodie auf die Wissenschaft. Ob es sich bei „Professore“ um einen Namen, Spitznamen oder Titel handeln soll, wird nicht erklärt. Auch hat der wissenschaftliche Betrieb, der beschrieben wird, vermutlich nicht viel mit der Wirklichkeit zu tun: Warum eine Forscherin allein an einem so wichtigen Projekt arbeitet, bleibt ungewiss. Und dass sie unbeobachtet in eine Wohnung mit Bud zieht, klingt eigentlich unvorstellbar.

Die Geschehnisse selbst bleiben vorhersehbar. Es wird schnell deutlich, dass mit Bud etwas nicht stimmt. Die Professore wird von der Autorin in eine Situation gesetzt, aus der sie sich nicht befreien kann – das wird schon nach wenigen Seiten deutlich. Ihre Versuche, den Bug zu beheben, schreiten hingegen quälend langsam voran; Die Auflösung des Plots ist ein erlösender Moment. So kann leider keine Spannung aufkommen, welche die Leser*innen zu fesseln vermag.

Claire Schmartz: Bug. 010000100101010101000111. 
Hydre Éditions, 192 Seiten.

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