
(© Hanser)
Selten spielen Romane in einem Fitnessstudio: In Verena Keßlers drittem Roman „Gym“ ist genau dies der Fall. Die Protagonistin beginnt einen neuen Job hinter dem Tresen der Smoothiebar im „Mega Gym“. Da sie nicht besonders sportlich wirkt, behauptet sie kurzerhand, gerade entbunden zu haben – und ihr erfundenes Baby trägt zufällig denselben Namen wie der Inhaber des Studios. Was auf den ersten Blick wie eine lockere, lustige Geschichte wirkt, entpuppt sich schnell als vielschichtiger und beklemmender Roman, der viel über unsere Gesellschaft auszusagen vermag. Als Vick auftaucht – eine durchtrainierte Bodybuilderin –, setzt bei der Erzählerin der Drang ein, den eigenen Körper mit allen Mitteln ebenso oder sogar noch stärker zu formen. Schicht für Schicht legt Keßler offen, was die Protagonistin an diesen Punkt gebracht hat. Dabei schreckt sie nicht vor Eskalationen zurück, überschreitet Grenzen und treibt die Geschichte immer weiter, sodass ein regelrechter Sog beim Lesen entsteht. Keßler hat einen klugen und wütenden Roman über unsere kapitalistische Leistungsgesellschaft geschrieben, in dem Körperwahn und Perfektionismus eine zentrale Rolle spielen. „Gym“ ist eine Lektüre, die herausfordert, Unbehagen auslöst, sich aber lohnt und durch die unzuverlässige Erzählerin noch lange im Kopf der Lesenden bleibt.

