Cryptoart: Aus nichts Geld machen

Cryptoart boomt und auch in Luxemburg gibt es Beispiele digitaler Künstler*innen, die am Hype teilnehmen. Die Auswirkungen auf die Umwelt sind jedoch nicht zu unterschätzen.

Die digitale Kunst, die als NFTs angeboten wird, ist in vielen Fällen eher gewöhnungsbedürftig. (Screenshot: opensea.io)

„Ich möchte ihre Zeitung darüber informieren, dass das erste Porträt von Großherzog Henri in der Blockchain geprägt wurde.“ Das schrieb der kroatische Künstler Goran Pin letzte Woche der woxx. Sein Werk hätte signifikanten kunsthistorischen Wert, da es das erste Porträt des Großherzogs sei, das als Non-fungible token (NFT) veräußert werde. Was hat Kunst mit Kryptowährungen und der Blockchain zu tun – und warum sollte jemand ein digitales Porträt des Großherzogs kaufen wollen? So abstrus die Idee auch klingt: In den letzten Monaten gab es zumindest in einem Teil der Kunstwelt einen gewaltigen Boom um Kryptowährungen und das Verkaufen digitaler Besitzzertifikate.

Neben digitalen Kunstwerken wird quasi alles, was nicht niet- und nagelfest ist, auf spezialisierten Plattformen als NFT angeboten: digitale Sammelkarten, Objekte in Videospielen, Grundstücke in 3D-Welten und andere digitale „Objekte“. Auf OpenSea, der größten NFT-Plattform, findet sich auch ein Anbieter, der Länder verkauft. Luxemburg ist für umgerechnet 104 Euro zu haben. Tatsächliche Besitzansprüche hat man allerdings in den wenigsten Fällen. Was man kauft, ist nämlich nicht das (virtuelle) Objekt, sondern ein Besitzzertifikat. Dennoch boomt der Handel mit NFTs: Ende Februar wurde ein NFT, das das digitale Kunstwerk „Everydays: the First 5000 Days“ des Künstlers Mike Winkelmann repräsentiert, für umgerechnet 57,7 Millionen Euro verkauft. Besonders in der Kunstwelt stellt sich seitdem die Frage: Sind NFTs die Lösung für darbende Künstler*innen, die während einer Pandemie weniger Möglichkeiten haben, sich in Galerien oder auf Kunstmessen zu präsentieren und ihre Werke zu verkaufen.

Non-fungible Bittewas?

Was ist eigentlich ein NFT? Diese „Wertscheine“ sind eng mit Kryptowährungen verknüpft, von denen die bekannteste Bitcoin ist. Sie stellen ein Zertifikat dar, in dem bestimmte Informationen (zum Beispiel „Person X besitzt das Porträt des Großherzogs“) gespeichert sind. Die direkte Übersetzung wäre wohl so etwas wie „nicht-ersetzbarer Wertschein“. Mit „nicht-ersetzbar“ ist gemeint, dass ein NFT nicht wie die Einheit einer Währung getauscht oder geteilt werden kann. Während man einen Euro oder einen Bitcoin gegen jeden anderen Euro oder Bitcoin tauschen kann, ist das beim NFT nicht möglich, da er ein Unikat darstellt.

Ein NFT entsteht genauso wie ein Bitcoin oder eine Einheit einer anderen Kryptowährung: Computer lösen komplizierte kryptografische Rätsel, bis einer von ihnen den „Zuschlag“ erhält. Diese Information wird in die sogenannte Blockchain, eine lange Liste aller Transaktionen in Verbindung mit einer bestimmten Kryptowährung, gespeichert. Die meisten NFTs befinden sich in der Blockchain von Etherum, der zweitwichtigsten Kryptowährung neben Bitcoin. Damit die dezentrale Idee der Kryptowährungen funktioniert, müssen alle – oder die meisten – der daran Teilnehmenden die gesamte Blockchain herunterladen. Um zu vermeiden, dass diese zu groß wird, werden bei NFTs keine Bilder eingebunden, sondern lediglich Links.

Der Besitz eines digitalen Bildes ist ohnehin ein sehr schwammiges Konzept. Meistens bleibt, wie auch bei Winkelmann, das Copyright bei den Künstler*innen. Alle, die sich das Bild ansehen, laden sich zumindest temporär eine Kopie auf ihren Computer und können es mit einem Rechtsklick für immer abspeichern. Wie schon bei Kryptowährungen gilt das Prinzip, dass der Wert dadurch entsteht, dass viele Menschen daran glauben – oder damit spekulieren. Da es sich bei den allermeisten NFT-Plattformen um sehr neue Start-ups handelt, ist es schwierig vorherzusehen, ob diese in ein paar Jahren oder Jahrzehnten noch vorhanden sein werden. Wenn etwa OpenSea offline gehen würde, bestünden die NFTs in der Blockchain zwar weiter, der Link zu dem Kunstwerk wäre jedoch weg. Im schlimmsten Fall könnte jemand anderes die Domain kaufen und die Bilder durch andere ersetzen. Wäre ein NFT in einem solchen Fall wertlos?

Heute Millionen wert, 
morgen wertlos?

Schaut man sich auf Plattformen wie OpenSea um, wird eins klar: Viele der sogenannten Cryptoart-Werke beschäftigen sich mit Blockchain, Kryptowährungen und dem Traum vom Reichsein. So gibt es nicht nur viele Abbildungen des Bitcoin-Logos in allerlei Variationen, sondern auch erstaunlich viele Bilder von Milliardären. Besonders beliebt ist der Tesla-Gründer Elon Musk, der durch seine Tweets regelmäßig die Kurse mancher Kryptowährungen in die Höhe treibt. Paradoxerweise wird immer wieder die Exklusivität und Rarität der NFTs angepriesen. Die Botschaft lautet: Kaufe schnell, denn es gibt dieses Kunstwerk nur einmal und du könntest es haben. Der Eindruck, dass es dabei mehr um Spekulation und eventuell die Befriedigung einer Sammelleidenschaft geht, ist auf jeden Fall stark.

Wie auch bei Bitcoin und anderen Kryptowährungen stellt das „Prägen“ von NFTs eine gewaltige Umweltbelastung dar. Um die Transaktionen in die Blockchain schreiben zu können, müssen kryptografische Rätsel gelöst werden, die immer schwieriger werden und mehr Rechenleistung verbrauchen. Während diese Erhöhung der Schwierigkeit keine technischen Gründe hat, ist sie in die meisten Kryptowährungen eingebaut, um die Währung attraktiv zu machen – was morgen schwieriger zu bekommen sein wird, wird auch wertvoller sein. Längst ist es unmöglich, mit einem haushaltsüblichen Rechner zu „minen“. Professionelle Miner kaufen sich Unmengen leistungsstarker Grafikkarten – oder gleich ein Rechenzentrum. Dementsprechend groß ist der Energiehunger, der zu hohem CO2-Ausstoß führt. Schätzungen gehen davon aus, dass das Kryptowährungssystem so viel Treibhausgase emittiert wie Argentinien.

Der hohe und stetig steigende Energieverbrauch ist in Kryptowährungen eingebaut, er verleiht ihnen überhaupt einen Wert. Oder wie es Twitter-Nutzer WKDart ausdrückte: „Kryptowährung ist buchstäblich wie die Vorstellung eines Achtjährigen von einem bösen Geschäftsmann. Er stöpselt einfach seine Verschmutzungsmaschine ein und bekommt dafür Geld.“ Das betrifft auch NFTs, deren CO2-Ausstoß leicht den eines Langstreckenflugs erreichen kann – in manchen Fällen sogar viel mehr, nämlich mehrere Tonnen.

Screenshot: OpenSea.io/theportraitist

Reiche Künstler*innen werden noch reicher

Es gibt Ansätze, die Transaktionen in der Blockchain nachhaltiger zu machen. Doch bisher gibt es kein Modell, das auf längere Zeit mit einem alternativen Ansatz erfolgreich gewesen wäre. Als möglicher Ersatz für Rechenleistung gelten der Besitz von Kryptowährung, Festplattenplatz, vernetzte Geräte oder getätigte Spenden. In einem langen Blogpost hat Everest Pipkin, Künstler*in aus den USA, die verschiedenen Argumente zu möglicher nachhaltiger Cryptoart analysiert und ist zu folgendem Schluss gekommen: „Es gibt keine Idee, die nicht diejenigen belohnt, die bereits reich sind, die bereits [in Kryptowährungen] eingekauft sind, die bereits über überschüssiges Kapital oder Zugang zu gigantischer Rechenleistung verfügen. Fast durchgängig gewähren sie den bereits Mächtigen Macht.“

Pipkin sieht nicht nur ein gewaltiges ökologisches Problem, sondern auch ein soziales – und betont, dass beide zusammenhängen. Warum sollten ein paar Reiche entscheiden, dass sie die Klimakrise verschärfen können, nur weil sie digitale Kunst „besitzen“ wollen?

Künstliche Verknappung

Pipkin macht sich in seinem*ihrem Artikel auch Gedanken darüber, ob es für digitale Künstler*innen überhaupt erstrebenswert ist, mit NFTs eine künstliche Verknappung einzuführen und so zu vermarkten. Im Gegensatz zu physischen Kunstgegenständen wie Skulpturen oder Bildern kann man eine Bilddatei unendlich oft kopieren. Allerdings enthält sie auch – paradoxerweise mag man meinen – viel weniger Informationen. Während ein berühmtes Renaissance-Kunstwerk noch heute durch die verwendeten Materialien, Unterlagen und Farben analysiert werden kann, wird eine JPG-Datei in 300 Jahren immer noch genau gleich sein – falls es dann immer noch Programme gibt, die JPGs öffnen können. Daher ist die beliebige Reproduzierbarkeit eins der einzigen Vorteile, die digitale Kunst hat: Alle können sie anschauen, ohne dabei das Gefühl zu haben, lediglich in der zweiten Reihe zu sitzen.

„Cryptoart schafft eine künstliche Verknappung für digitale Objekte, indem ein ‚Original‘ geschaffen wird, das zum Zweck des Weiterverkaufs besessen werden kann. Cryptoart stellt einige der schlimmsten Aspekte der existierenden Kunstmärkte nach, indem es den Superstar-Status derjenigen, die Glück hatten oder bereits über Geld und Verbindungen verfügen, gegen die Realitäten zahlloser anderer ausspielt, die keine solche Rendite sehen werden“, schreibt Pipkin dazu.

Die Aussicht, quasi aus dem Nichts enormen Reichtum erschaffen zu können, zieht viele Menschen an. Auch in Luxemburg gibt es bereits Beispiele. Eine Künstlerin, die sich JessicArtEsch nennt, verkauft Cryptoart auf OpenSea. Unter ihren Werken findet sich neben animierten Bitcoin-Logos auch ein Bild von Elon Musk mit einem Shiba Inu. Einen anderen Weg geht das Luxemburger Start-up Mu-Design, das einen intelligenten Blumentopf entwickelt. Das Design des Produktes wird als NFT verkauft – die Käufer*innen erwerben dadurch aber lediglich das Recht, das Produktdesign unkommerziell zu verwenden. Der NFT-Verkauf ist hier also nicht viel mehr als ein kryptisches Crowdfunding.

Es ist schwierig zu beurteilen, ob Cryptoart und NFTs länger für Diskussionen in der Kunstwelt sorgen werden oder ob es bei einem kurzzeitigen Hype in der Kryptowährung-Blase bleiben wird. Eins ist sicher: Die ökologischen Probleme und die Frage nach der Rolle digitaler Kunst im Zeitalter ihrer totalen Reproduzierbarkeit werden uns noch länger beschäftigen.


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