Der letzte linke Kleingärtner, Teil 3
: Kleingärtner vs. Metropolenlinke


von | 15.10.2018

Klischees über die Klischees der anderen, oder: Was der Depp vom Land über die Stadtmenschen zu wissen meint. Und andersrum natürlich auch.

Auch Metropolenlinke finden Kleingärten gut: solange nur das Anbauprodukt stimmt. (Foto: Wikimedia)

Für Betrachter von außerhalb meines Gartens ist die Arbeit dort im Herbst weitestgehend gelaufen. So ganz stimmt dies zwar nicht, aber richtig ist, dass unsereiner weniger zu tun hat. Die ganz große Wachstumseuphorie ist vorbei. Mit der frei gewordenen Zeit lassen sich alternativ zwei Dringe anfangen: Erstens ein paar Kolumnen auf Vorrat schreiben. Da ich mich als Kleingärtner gut in die Zukunft hineindenken kann, wäre dies kein Problem. Meine Prognosen gingen bisher alle auf. Zweitens wäre zu überlegen, ob ich mich nicht mal wieder der Spezies der Metropolenlinken widmen könnte. Das ist intellektuell weniger anstrengend, als eine neue Kolumne oder gar mehrere davon zu schreiben.

Normalerweise lästert der gepflegte Metropolenlinke, so wie ich ihn mir vorstelle, mit seinem Adorno-Buch im Gepäck und im Phrasen-Repertoire über die Deppen vom Land. Weil die ja rückständig sind und so. Überhaupt sind Begriffe wie „Land“, „ländlich“ oder „Provinz“ für den städtischen Bescheidwisser nur Synonyme für „hinter dem Mond“ und „nicht auf der Höhe der Zeit“.

Die ganz große Wachstumseuphorie ist vorbei.

Demnach bietet nur das städtische Leben die Chance auf Verwirklichung durch argumentatives Yoga und ähnliches Gedöhns. Und mit der U-Bahn kommt man ja so schnell von A nach B. Auch wenn es eine Stunde dauert. Das ist schnell. Schneller jedenfalls als auf dem Land, denn eine Stunde dort ist doppelt so lang wie eine Stunde in der Metropole.

Hinter solcher Logik verbirgt sich allerlei Naturromantik. Demnach gilt allein die Stadt als vom Menschen im Geiste der Aufklärung gestaltete Kulturlandschaft, wo der Mensch Herr und Herrin der Dinge ist. Und irgendwo „dort unten“ im Land existiert, lange bevor man die Region des globalen Südens erreicht, die ebenfalls merkwürdigerweise „da unten“ liegt, der Landmensch.

Okay, okay, ich weiß: in Luxemburg findet er sich natürlich eher oben, im „Éislek“. Aber dann funktioniert mein Bild nicht mehr so gut. Jedenfalls ist dieser fantasierte Landmensch wie eh und je noch immer dabei, einer Ödnis von unberührter Naturlandschaft das zum Leben Nötige abzuringen. Er lebt noch heute in einer Behausung, die sich mit dem städtischen Komfort in keiner Weise messen kann, und gibt sich allerlei Formen der Inzucht hin.

Was in diversen Sprüchen flott daher gesagt und vermeintlich witzig klingt, ist nichts anderes als ein selbst gestricktes Klischee vom vermeintlichen Landdeppen. Erst wenn man dessen Existenz eindringlich im eigenen Kopf verankert und festgezurrt hat, ergattert man sich dadurch das klitzekleine Selbstbewusstsein, das es braucht, um sich endlich mal wieder gut zu fühlen. Besser jedenfalls als die Landdeppen. Besonders schwierig haben es die Landmenschen, die in die Stadt gezogen sind und seitdem hin und her gerissen werden, weil sie sich nicht entscheiden können, in welcher Heimat sie zu Hause sind. Sie sind sozusagen die wahlentscheidende Mitte, um deren Sympathie es zu ringen gilt.

Richtige Metropolenlinke sind schon seltsame Menschen, aber eben doch unsere Mitbürger. Sie wissen alles, kennen alles, tragen ihre Nase hoch und lästern bevorzugt über Menschen, die nicht aus Metropolen kommen. Ganz schwierige Klientel. Therapie wirkt nur langsam. Aber weil sie unsere Mitmenschen sind, sollten wir, also die Gesellschaft und wir Kleingärtner, die Integration versuchen. Und irgendwie sind sie auch der tollpatschige Ausdruck des real existierenden Stadt-Land-Konfliktes in politischen Bewegungen.

Aber das ist jetzt ein anderes Thema. Auch wenn mich im Moment weniger Gartenarbeit bindet, arbeitslos ist man als Kleingärtner zu keiner Jahreszeit. Lassen wir diesen Linken also ihren Metropolenkosmos, auch wenn sie mit ihren seltsam naturromantischen Vorstellungen näher bei den von ihnen fantasierten Landmenschen sind, als ihnen lieb sein kann. Mir soll es recht sein. Wenn sie dadurch glücklicher sind, gehen sie seltener zum Arzt. Das spart uns allen Kosten. Mir reicht es, dass ich bereits für die wirklichen Deppen auf dem Land, die es natürlich gibt, Steuern zahlen muss. Ohne meine Steuern als Kleingärtner und die meiner vielen Kollegen, wäre Deutschland ärmer. Garantiert.

Aber in einem Punkt hat die Spezies der Metropolenlinken recht und den richtigen Riecher. Während in Städten Gartenflächen wie die Nadel im Heuhaufen gesucht werden, lässt man sie in ländlichen Regionen verkommen. Jedes Jahr sehe ich in meiner direkten Umgebung, wie Gartenfläche auf Gartenfläche stillgelegt wird. Wo soll das enden? Vielleicht ist doch was dran am Geschwätz der Metropolenlinken, von wegen Deppen und Rückständige auf dem Land. Auszuschließen ist es nicht. Wie ein blindes Huhn manchmal ein Korn findet, kann auch der gemeine Metropolenlinke versehentlich Recht haben. Es geschieht selten, aber es geschieht.

Trotzdem: Am Ende der Kolumne soll der Metropolenlinke gefälligst dumm aus der Röhre schauen. Dann zum Beispiel, wenn unsereiner statt im Bio-Laden in der nächstgelegenen Kelterei seines Vertrauens vorbeifährt und ein paar Liter frisch gepressten, aber nicht abgekochten Apfelsaft für wenig Geld ersteht und sich daran die nächsten Tage labt. Köstlich und extrem naturverbunden. Saugeil.

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