Der letzte linke Kleingärtner, Teil 64: Vergorenes Gerede

Aufregung bei der woxx, aufgebrachte Leser*innen am Telefon: Lange habe man nichts mehr vom Kleingärtner gehört! Ob er am Ende gar tot und in seinem eigenen Garten verscharrt worden sei? Nein, er hat nur nachgedacht, über den Zusammenhang von Kompost und politischer Kommunikation.

Des Kleingärtners Utopie: Politischen Wortmüll kompostieren wie biologisch abbaubaren Hausmüll – dann wäre er endlich mal für was gut. (Foto: European Union 2023)

Der Kleingarten hat zwei Zentren. Eins davon bin ich, das ist ja wohl klar. Das zweite ist der Komposthaufen. Beide Zentren haben etwas Magisches, am meisten der Komposthaufen, der ein Ort der Verwandlung par excellence ist. Dort häuft man wertloses Zeug – Blätter, kleine Äste, Pflanzenreste und so weiter – an, wartet ein paar Monate und aus dem Abfall wird Gold für den Garten: Wertvoller, nährstoffreicher, humushaltiger Boden, den der Kleingärtner das ganze Jahr verwenden kann. Je nachdem, wieviel Kompost zu welcher Jahreszeit verfügbar ist. Kann man zu viel Kompost haben? Genauso gut könnte man fragen, ob man zu viel Intelligenz haben kann. Nein, man hat nie genug davon.

Manchmal wünsche ich mir in der Parteipolitik und in den öffentlichen Diskussionen einen ähnlichen Verwandlungseffekt. Was wäre, wenn man die ganzen parteipolitischen Aufgeregtheiten über die Dummheit des politischen Gegners und das Gerede über das vermeintlich von Migranten so bedrohte Europa einfach auf den gärtnerischen Komposthaufen werfen könnte? Nach ein paar Monaten würde man, wie es der ehemalige deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl einmal ausdrückte, „blühende Landschaften“ (er meinte den Osten der Republik) ernten.

Kann man zu viel Kompost haben? Genauso gut könnte man fragen, ob man zu viel Intelligenz haben kann.

Mensch, was würde ich mir feist und vor Glück grunzend auf die eigenen Schenkel schlagen. Ich würde sogar noch einen Schritt weiter gehen und mir ein paar Premium-Parteipolitiker einfangen, sie in ein Gehege setzen – mit Gittern aus luxemburgischem Stahl (sehr regional und bald CO2 frei) – und mich diebisch über ihre Aufgeregtheiten freuen, die sie nonstop produzieren und die ich dann nur noch auf das mittlerweile weltumfassende System von Komposthaufen bringen muss, die ich ebenfalls in Gitterstäbe aus luxemburgischen Stahl einfassen würde. Damit dieser Quell meiner Reichtumsvermehrung nie versiegt, würde ich die zweibeinigen Herdentiere natürlich ordentlich füttern. Und zwar mit ihren eigenen verbalen und schriftlichen Ausscheidungen der letzten Jahre. Denn nur wer gut isst, kann gut arbeiten.

Wenn es also gelänge, allen sprachlichen wie schriftlichen Bullshit der weltweiten Kaste der Parteipoliti- ker*innen und Autokrat*innen auf dem Komposthaufen landen zu lassen, hätte das zwei Riesenvorteile: Erstens würde diese Art von Sondermüll ökologisch entsorgt und wäre fortan Teil einer Kreislaufwirtschaft. Kleingärtner vollzögen also ein Werk der Integration, indem sie den Auswurf schrulliger Gestalten wie Putin, Bolsonaro, Trump, Orbàn, Le Pen, Meloni, Erdoğan, Weidel und wie sie alle heißen, rückstandsfrei entsorgen und ihre Verursacher damit wieder zu vollwertigen Mitgliedern der Gemeinschaft machen würden. Auch der zweite Vorteil liegt auf der Hand: Die Genannten könnten so viel Mist produzieren, wie sie wollen, durch die Verwandlungskünste des Komposthaufens und die organisatorische Regelkompetenz von uns Kleingärtnern bliebe alles im grünen Bereich und die ganze Menschheit würde endlich mal von derlei politischem Unrat profitieren.

So also stelle ich mir eine kluge ökologische Kreislaufwirtschaft vor, die der gesamten Menschheit nützt – wir Kleingärtner haben nämlich nicht nur die Arbeiterklasse im Visier, sondern gleich alle auf Erden. Und als kleines ökonomisches Bonbon könnte unsere – nun gut, die luxemburgische – Stahlindustrie fleißig Gitterstäbe produzieren für die Einhegung der riesigen Kompostberge. So hätte die Menschheit dank uns Kleingärtnern zumindest eines ihrer relevanten Probleme gelöst und dadurch Zeit, zu neuen Ufern aufzubrechen.

Beispielsweise gilt es weiterhin, alle Menschen satt zu machen; werden doch seit Jahren ausreichend Lebensmittel für alle produziert. Eigentlich. Und klar, der Chef von uns Kleingärtnern, die die weltumspannende Logistik zur Rund-um-die-Uhr-Aufrechterhaltung der permanenten Kompostproduktion am Laufen halten, wäre ich. Wer sonst? Mein Kontostand würde sich dabei unentwegt erhöhen. Ich wäre die personifizierte nachhaltige Geldanlage und würde ökologisch korrekt in die jeweils nächsten Komposthaufen investieren. Bis …, ja, bis die Welt ökologisch korrekt am Kompost regelrecht erstickt. Mir soll es recht sein. So würde die Welt langsam zusammenwachsen und wäre am Ende ein einziger großer Komposthaufen.

Und da man dem Müll seine Herkunft nicht ansieht, würde ich die zum Teil ebenfalls wenig geistreichen Ausscheidungen mancher NGOs gleich mitentsorgen – gut durchmischt mit den Ausscheidungsprodukten der Autokrat*innen. Das wäre die ökologische Vollendung.

Drei Praxistipps:
1)
Schimpfe nie über den Komposthaufen.
2)
Grüße ihn freundlich.
3)
Sei zärtlich zu ihm.


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