Der letzte linke Kleingärtner, Teil 6: Kleingärtners Kränkungen

Auch die Öko-Szene hat ihr engstirniges Establishment, das unseren letzten linken Kleingärtner in der neuesten Folge seiner Kolumne ganz schön wurmt.

Auch der Agrar-Agitator weiß: Auf den richtigen Demo-Slogan kommt es an. (Foto: Aktion 3.Welt Saar)

„All die ganzen Öko-Affen dürfen da reden, nur der kleine linke Gärtner nicht. Der darf das nicht.“ Diese Zeilen trällere ich seit ein paar Tagen vor mich hin. In Erinnerung daran, dass Udo Lindenberg 1983 einen Sonderzug nach Pankow zu Erich Honecker besang und meinem Gedanken damit Pate stand: „All die ganzen Schlageraffen dürfen da singen. Nur der kleine Udo nicht, der darf das nicht.“

Ganz ähnlich nämlich wie es damals dem kleinen Udo erging, ergeht es heute dem letzten linken Kleingärtner. Während all die supernetten Ökos bei der Empörungs-Demonstration „Wir haben Agrarindustrie satt“ an diesem Samstag vor dem Brandenburger Tor singen – pardon: reden – dürfen, bleibt unsereiner wieder mal außen vor. „Irgendwas mit links“ passt nicht ins traute Ökoheim und der nach außen gekehrten Vielfalt. Zum sechsten Mal in Folge wurde ein Redebeitrag der Aktion 3.Welt Saar bei dieser seit 2011 jährlich stattfindenden Demonstration abgelehnt.

Trotzdem ist die Demo zu Beginn der Internationalen Grünen Woche wichtig. Immerhin geht es ums Fressen und Saufen. Okay, weil das zu grob klingt, nennt man es Ernährung. Einverstanden. Dennoch wurmt es, dass wir schon wieder nicht für die Rednerliste nominiert worden sind. Dabei habe ich mir richtig viel Mühe mit der Kolumne gegeben: zig mal das Wort Öko in der Kolumne verwendet, zig mal etwas von Vielfalt geschrieben, zig mal für Selbstgemachtes geworben, zig mal nur Positives beschrieben. Wenn die Ökos nur nicht so borniert wären und sich nicht nach links abschotten würden.

Ich hatte echt geglaubt, ich und meine Hühner seien voll integriert und würden dafür mit einem Redebeitrag belohnt würden. Denkste. Scheinbar funktioniert Integration nur dann, wenn die (Öko-)Obrigkeit es will, ihr Reich der Hegemonie mit paternalistischer Geste öffnet und sich dafür dann selbst einen Integrationspreis verleiht. Ich hätte es wissen können. Die Spielregeln sind bekannt. Doch wieder einmal bin ich dem Glauben an das ökologisch Gute im Menschen verfallen.

Ich hatte echt geglaubt, ich und meine Hühner seien voll integriert.

Schon tausend Mal habe ich mir „nie wieder“ geschworen. Vielleicht habe ich nicht genug gegen die böse Agrarindustrie und fremde „außerlandwirtschaftliche Investoren“ gepöbelt und das leuchtende Bild einer blütenweißen, bäuerlichen Landwirtschaft nicht hoch genug gehalten. Ach, hätte man nicht die Industrie als Feindbild, man müsste sie glatt erfinden. Ich allerdings verstehe die Wehklage gegen die Industrie nicht.

Dabei ist vieles, was ihre Kritiker konkret fordern, vollkommen richtig: Für Saatgutvielfalt und gegen die Normierung von Saatgut. Für ein klares Nein zur EU-Agrarpolitik, die große Höfe mit viel Land massiv subventioniert und kleinere Höfe hops gehen lässt. Aber wieso muss man das ganze Agrarindustrie nennen und damit geflissentlich einen Gegensatz zur vermeintlich heilen bäuerlichen Welt konstruieren? Das Problem ist doch nicht, ob ein Bauernhof groß oder klein(er) ist.

Das Problem ist, ob „wir“ weiter im Kapitalismus wirtschaften oder etwas Besseres hinbekommen. Wer das kapiert, kann sich die moralischen Appelle an die regierende Obrigkeit und die eigene Klientel ersparen.

Die immer gleichen ermahnenden Worte, was diese oder jene Agrarministerin machen muss und darf und soll oder eben nicht darf und soll, ermüden mich. Die gerne beschworene heile, ökologische und biologische Landwirtschaft ist für Hühner 14 Monate über ein Ort des Lebens. Dann wird das Biohuhn aus der Eierlegehaltung heraus genommen und wandert zum Schlachter. Es rentiert sich einfach nicht mehr, weil es nach 14 Monaten zu wenige Eier legt und zu viel frisst. Der ökonomische Gesamtzusammenhang dahinter heißt Kapitalismus und nicht Agrarindustrie.

Ich muss jetzt höllisch aufpassen, dass ich dies meinen Hühnern nicht erzähle. Das könnte fatale Folgen haben. Sie bekämen es mit der Angst zu tun, dass ich als ihr Chef jetzt zum Messer greife. Nein, das mache ich nicht. Alles bleibt friedlich. An meinen Händen klebt kein Blut. Bei mir bestimmen die Hühner selbst über ihr Ableben. Manchmal leisten dabei der Fuchs, der Marder oder ein Greifvogel ein bisschen Entscheidungshilfe. Aber meine Hand hat noch nie ein Huhn getötet. Großes kleingärtnerisches Ehrenwort.

Irgendwann wird die Welt unser sein und uns Kleingärtnern gehören. Dann ziehe ich, mit Karawanen von Kleingärtnern, von Nord, von Süd, von West und von Ost nach Berlin. Dann werden wir das Geschwätz von der bösen Industrie und der edlen bäuerlichen Landwirtschaft beenden. Das ist meine Vision für ein besseres Morgen. Jedenfalls bin ich, wenn diese Kolumne erscheint, bereits auf meinem Ökotrip nach Berlin. Denn auch wenn ich nicht auf der Demo reden darf, gehe ich natürlich trotzdem hin.

Um ehrlich zu sein und was kaum jemand von mir weiß: Ich liebe Schlager- und Ökoaffen. Sie haben große Gefühle und eine einfache Sicht auf die Welt. Mehr Orientierung braucht es nicht, um zwischen Gut und Böse unterscheiden zu können. Das Leben ist einfach.


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