Der letzte linke Kleingärtner, Teil 7: Hilde und Bob

Rockt nicht wirklich: Unser Kleingärtner ist von den Performances auf der Berliner Agrardemo wenig begeistert.

Klare Ansage: 
Die Öko-Antifa auf 
der Agrardemo. (Foto: Aktion 3.Welt Saar/Roland Röder)

Als diese Kolumne niedergeschrieben wird, sind es draußen satte 14 Grad. Und das im Februar. Da hüpft das Kleingärtnerherz und drängt mich zu großen raumordnenden Taten, am Horizont zeichnen sich visionär blühende Landschaften ab. Nein, ein Kleingärtner sollte sich nicht aus der Ruhe bringen lassen. Für das meiste Grünzeugs – als Samen natürlich – ist es zu früh. Man darf sich von der warmen Februarsonne nicht täuschen lassen, sondern muss sich seinen gesunden Pessimismus bewahren. Wer zu optimistisch ist, fällt tief. Theoretisch könnte ich jetzt dicke Bohnen legen. Der Ehrlichkeit halber sei gesagt, dass ich das schon mal gemacht habe. Aber sie werden nicht früher reif als die im März gelegten. Also keine Hektik.

Was bin ich froh, wieder bei meinen Hühnern zu sein. Der Januar-Trip nach Berlin zur Agrardemo „Wir haben Agrarindustrie satt“ hat gehalten, was der Titel erwarten ließ. Bedeutungsschwangere Reden und viel Empörung. Die große Erzählung von der bösen kalten Industrie und dem guten warmen Bauernhof. Wenn man die ersten zwei, drei Reden gehört hatte, kannte man das nächste Dutzend und erinnerte sich zugleich an das Gros der Reden aus den Jahren davor. Es ist wie bei einer Band, die seit Jahren auf Tour ist und immer die gleichen Songs in der gleichen Interpretation raushaut. Also nicht so wie bei der Never ending Tour von Bob Dylan; so viel Abwechslung wie der auf die Bühne bringt, kann kein Metropolenöko mit seinen Politreden erreichen.

Trotzdem ist ja nicht alles falsch, was die Ökos erzählen. Aber es fehlt jedwede linke Perspektive oder gar Analyse. Ein bisschen Skandalisierung, ein bisschen Konsumveränderung und schwups! – fertig ist die heile Ökowelt, wie sie mir gefällt. Ich bin übrigens dafür, dass die Auftakt- und Abschlusskundgebung der Agrardemo künftig in einem Fußballstadion stattfindet. Dann hört endlich mal der Unfug auf, die Teilnehmerzahl ins Astronomische steigen zu lassen. Als regelmäßiger Demoteilnehmer sowie noch regelmäßigerer Fußballstadionbesucher frage ich mich jedes Jahr, woher die hohen Teilnehmerzahlen kommen.

Es ist wie bei einer 
Band, die seit Jahren 
auf Tour ist und immer die gleichen Songs raushaut.

Es ist doch ein riesiger Erfolg, wenn man im kalten Januar 20- oder 25.000 Menschen nach Berlin und für eine nachhaltigere Landwirtschaft auf die Beine bekommt. Wozu dann noch die Teilnehmerzahl in immer schwindelerregendere Höhen treiben. Als Kleingärtner bevorzuge ich lieber die sachliche Darstellung in meiner kleinen analogen Welt.

Und dann die mediale Eigendarstellung: So als gäbe es nur junge, fröhliche, tanzende und gesunde Menschen. Auf Dauer nervt der Jugendwahn der Metropolenökos. Es gibt schließlich auch ein Recht auf Missmut und darauf, wenig Bock zu haben, egal auf was. Diese Ökos kopieren mit ihrem Gute-Laune-Gedudel die dogmatische Arbeitswut der frühen und späteren Arbeiterbewegung, die kein süßes Nichtstun und keine Faulheit kannte. Da fehlt mir als bekennender und praktizierender Kleingärtner die Vielfalt. Das Leben hat unfassbar viel mehr zu bieten als Ökos und Arbeitsfanatiker dies wahrhaben wollen.

Der Jugendwahn hat sich übrigens auch bei der Auswahl der „Testimonials“ niedergeschlagen, also den Slogans, mit denen für die Demo geworben wurde. Die Vorgabe war eine Drittel-Quotierung: Ein Drittel der Zitatgeber sollte nicht männlich sein, ein weiteres Drittel unter 35. Das letzte Drittel würde sich aus allen übrigen bilden.

Ich klärte diesen Bullshit flugs mit meinen Hühnern ab. Und siehe da, Hilde 2,5 Jahre alt, erklärte sich bereit, in die Bresche zu springen und meine Fahne hochzuhalten. Weiblich und extrem jung, das musste funktionieren. Da konnte nichts schief gehen. Hilde bot dem Agrarbündnis also zwei Zitate an und schickte ihr wunderschönes Selfie mit: „Ich schlage Alarm für ein neues Wirtschaftssystem. In eurem Kapitalismus wandern wir Bio-Hühner nach 14 Monaten in den Kochtopf, weil wir ab dann zu wenige Eier legen.“ Und: „Ich schlage Alarm gegen die doofen NS-Vergleiche mancher Ökos. Es gibt keine Hühner KZs und ein Schlachthof ist keine Gaskammer. Und Öko-Nazis sind auch Scheiße. Kapiert?“. Unterschrieben war das Ganze mit „Hilde, (2,5 Jahre), das Huhn der Aktion 3. Welt Saar e.V.“

Aber ich hatte die Rechnung ohne die Ökos gemacht. Rien ne va plus. Hilde sei zu spät dran gewesen. Da war nichts zu machen. Aber mal Hand aufs Herz: Genau wie das Bündnis peinlich darauf achtete, dass kein linker Redebeitrag gehalten wurde, wurde auch im Vorfeld darauf geachtet, dass es kein linkes Genörgel gab. Da half es auch nichts, weiblich und saujung zu sein. Öko und Jugendwahn sind eben nur die Maskerade. Der letzte linke Kleingärtner hat euch enttarnt. Das hilft der Welt und meinem Garten zwar auch nicht wirklich weiter. Aber ein bisschen Genugtuung bleibt doch übrig von meinem Metropolentripp. Denen haben ich und Hilde, das Huhn, es gezeigt.


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