Der junge luxemburgische Künstler Yann Annicchiarico gestaltet in seiner aktuellen Einzelausstellung „La moitié des yeux“ den Galerieraum Nosbaum Reding um. Dabei führt er die Besucher*innen durch ein Labyrinth der Kunst(geschichte).
Betritt man zurzeit die Galerie Nosbaum Reding in der Rue Wiltheim Nr. 4, sieht man sich dicht hinter der Tür konfrontiert mit einer raumfüllenden Konstruktion. Breite, doppelwandige Holzkonstruktionen mit tür- und fenstergroßen Öffnungen oder stufenförmigen Kanten erinnern an Bühnenkulissen oder Filmsets. Auch die Belichtung durch sorgfältig platzierte kleine Scheinwerfer auf Ständern verstärkt diesen Eindruck der Inszenierung. Man sieht in die offenen Strukturen hinein und durch sie hindurch, schwarze Panels verkleiden nur teilweise den Aufbau. Der Kunsthistoriker Frank-Thorsten Moll formuliert treffend, dass Annicchiarico durch diesen Aufbau sowohl den Blick als auch den Körper der Besucher*innen leitet. Während man also durch die Rahmen hindurchgeht und um sie herum, entdeckt man dabei etwas kleinere Einzelwerke. Auch sie sind geometrische Konstruktionen sich überlappender Formen. Die Materialästhetik von Aluminium, farbigem Plexiglas und Messing wird durch die Beleuchtung betont. Die beiden Arbeiten „À géométrie variable“, scheinen die doppelte Ausführung, einmal silber- und einmal goldfarben, einer gleichen Rasterkonstruktion zu sein. Sieht man sich die flachen Elemente etwas genauer an, entdeckt man Abweichungen. Die Rautenmuster und Glöckchen zusammen mit dem Titel der Rauminstallation „Serviteur de deux patrons“ geben einen leisen Hinweis auf die Bühnenfigur des Harlekins, der sich als heimlicher Diener zweier Herren in so manche verzwickte Situation bringt.
Verlässt man den Vorderraum der Galerie trifft man im Hinterzimmer doch wieder auf die Holzkonstruktion, dieses Mal erscheint sie in der Videoarbeit „L’espace de Monsieur Polyèdre“. In Bezug zum Ausstellungsanfang entsteht eine Art Mise en Abyme, ein Bild im Bild. Aber ist es wirklich dieselbe Architektur, die man soeben selbst durchquert hat? Die Projektion zeigt jedoch nicht nur den Raum, sondern auch eine merkwürdige Figur, die ihn sich durch Tasten erschließt. Monsieur Polyèdre trägt, wie sein Name es verrät, keinen Kopf, sondern ein großes Polyeder auf den Schultern. Dieses besteht aus spiegelnden Flächen, welche das Licht im Raum reflektieren. Lichtreflexe und Schatten kündigen den mit ausgestreckten Armen Suchenden an. Lautlos und geduldig bewegt er sich drehend von einem filmischen Zwischenraum in den nächsten.
Der Künstler bleibt mit diesen künstlerischen Arbeiten seinem bisherigen Stil treu, sodass man auch einige Elemente vorheriger Arbeiten, wie Monsieur Polyèdre, wiederfindet. Mit Bezügen und Andeutungen holt Annicchiarico jedoch weit aus. Seine Werke arbeiten weniger mit (persönlichen) Assoziationen als mit kunst- und kulturhistorischen Referenzen. Die Geschichte der Fotografie greift er mit „Palo Alto after Muybridge (measuring distance in time)“ deutlich auf. Den historischen Aufbau zum ersten fotografischen Nachweis der Bewegungsabfolge eines Pferdegalopps ergänzt Annicchiarico durch eine eigene Variante der Bildabfolge süffisant. Ob er sich nun auf die Commedia dell’arte, Dürer, Muybridge oder Heidegger bezieht, Yann Annicchiarico spielt mit der Andeutung. Sinn und Zweck des Hindernisparcours durch den realen und bildlichen Kunstraum erschließen sich dabei nur teilweise.
Bis zum 6. April in der Galerie Nosbaum Reding.
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