Film „D’Land am Schiet“: Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht

Mit ihrem Film „D’Land am Schiet“ brechen Regisseur und Produzent*innen eine Lanze für gesellschaftlichen Zusammenhalt und eine offene Haltung gegenüber geflüchteten Menschen. Dabei greifen sie selbst auf Klischees zurück und lassen die Geflüchteten kein einziges Mal für sich selbst sprechen.

Die einen Dorfbewohner*innen wünschen sich Kontakt zu Flüchtlingen, die anderen möchten nichts mit diesen Menschen zu tun haben – eine souveräne Lösung des Konflikts ist nicht in Sicht. (© respect.lu)

Nach dem missglückten Drama „Operatioun Pauly“ (woxx 1806) ist nun die zweite Luxemburger Low-Budget-Produktion innerhalb kurzer Zeit in den hiesigen Kinos angelaufen: „D’Land am Schiet“ heißt das Spielfilmdebüt des jungen Regisseurs Lukas Grevis, das während des diesjährigen LuxFilmFest seine Vorpremiere feierte und auf Filmfestivals in Portugal und der Schweiz gezeigt wurde.

Ohne moralischen Zeigefinger kann und will das Gesellschaftsdrama nicht auskommen, ist ihm doch eine starke kritisch-aufklärerische Note inhärent. Gegen politische Spaltung, Hetze und Extremismus, für eine offene, xenophile, ihre Pluralität feiernde Gesellschaft – das ist die Botschaft, die „D’Land am Schiet“ vermittelt. Produziert wurde der Film von „respect.lu“, einer Vereinigung, die Menschen, die von „gewalttätiger Radikalisierung jeglicher Art“ betroffen sind, berät und begleitet. Finanziell gefördert wurde die Filmproduktion vom Ministerium für Kultur, dem Ministerium für Familie, Solidarität, Zusammenleben und Unterbringung von Flüchtlingen, der Fondation Sommer und der Œuvre Nationale de Secours Grande-Duchesse Charlotte.

Entzweiung und Verfeindung

Schauplatz des Geschehens ist das fiktive Dorf Lëtzweiler, in dem die Cafébetreiberin Sara (Marie Jung) gemeinsam mit ihrem Partner Jos (Max Thommes) und ihrem Sohn Eli (Lionel Robeiro) auf einem Hof lebt. Das Paar hegt den Traum, ein Kulturzentrum aufzubauen, das als Begegnungsstätte mit den im Tal lebenden Flüchtlingen dienen soll – eine Baugenehmigung liegt schon vor. Das Projekt gerät jedoch ins Wanken, als „de wëllen Hond“, ein als Maskottchen des Dorfs und des lokalen Fußballvereins bekannter, streunender Hund, von jemandem mit einem Stein erschlagen wird.

Da die allgemeine Stimmung ohnehin wegen des Vorhabens von Sara und Jos aufgeheizt ist, dauert es nicht lange, bis letzterer ins Visier gereizter Dorfbewohner*innen gerät und verdächtigt wird, das Tier getötet zu haben. Bürgermeister Jules (Joseph Tomassini) schlägt ein Referendum vor, bei dem entschieden werden soll, ob das soziale Bauprojekt umgesetzt wird oder nicht. Indes schaukelt sich die Stimmung unter den Dorfbewohner*innen hoch, wütende Stimmen – besonders die des alteingesessenen Jägers Frenz – werden laut und die kollektiven Ressentiments gegen die Fremden, die bald in die Dorfgemeinschaft integriert werden sollen, gewinnen beängstigend schnell an Virulenz.

Leider zu viele Stereotype

Durchaus ehrenvoll und wichtig ist die Intention der Produzent*innen, die mit „D’Land am Schiet“ auf die Gefahren gesellschaftlicher Zerwürfnisse aufmerksam machen wollen, bei denen sich Fronten rasch verhärten und sich Hass und Gewalt Bahn brechen können. Leider schwächelt der Film in verschiedener Hinsicht, bedient sich zum Beispiel einer, sich in Dekor und Figurendarstellung niederschlagenden, etwas plumpen Symbolsprache: Auf Jules’ Schreibtisch steht eine übergroße Hundefigur – so erscheint es nicht unbedingt überraschend, dass sich das Oberhaupt der Gemeinde von dem Sündenbock Jos im Verlauf des Films mehr und mehr distanziert. Jos’ Schwester Zoe (Jil Divresse) hat ihrerseits in einer Szene ein wie ein Warnhinweis drapiertes Buch von Aldous Huxley, Autor des Klassikers „Brave New World“, vor sich liegen. Letztlich symbolisiert die Figur des Jungen Eli die neue, aufgeschlossene und unschuldige Jugend, für die Multikulturalität oft ein biografisches Faktum, eine selbstverständlich gelebte Realität darstellt. Unwissentlich filmt er den gewaltvollen Tod des Tieres; die Aufnahme könnte aber auch seinen Stiefvater entlasten, der am Ende der Aufzeichnung – weit weg vom Tatort – auftaucht (etwas, das im Film eigentlich überhaupt nicht angesprochen wird). Nähmen die Erwachsenen seine Perspektive ein, läge für sie die Wahrheit auf der Hand – so die naheliegende Deutung.

Auch bedient sich der Film, der ja eigentlich gegen die Brandmarkung verschiedener Personengruppen argumentieren möchte, einer Reihe von Stereotypen und klischeehaften Bildern, durch welche die Charakterdarstellung ihre Nuancen verliert: Da hätten wir zum einen die abgehängte, frustrierte und bornierte Dorfjugend, die, weil sie nie aus dem engen Kreis der Dorfgemeinschaft ausbrechen konnte, ihren geistigen Horizont nie erweitert hat und so Veränderungen skeptisch bis ablehnend gegenübersteht.

Dann gibt es Zoe, die demgegenüber die weltoffene Selbstverwirklicherin repräsentiert, die „es geschafft hat“, was in ihrem Fall heißt, dass sie im Ausland studiert – wenn ihr Weg sie auch nur bis nach Koblenz führte. Die junge Frau ist auf der Seite derjenigen, die das Dorf voranbringen und im 21. Jahrhundert ankommen lassen möchten. Jules entpuppt sich als der wankelmütige, feige Anführer, der einen Rückzieher macht, wenn es brenzlig wird. Frenz nimmt die Rolle des, um es salopp zu formulieren, vierschrötigen, ewiggestrigen „Mir wëlle bleiwe wat mer sinn“-Typs und durchtriebenen Dorfdemagogen ein, der weiß, wie man Menschen gegen alles, was neu und anders ist, aufwiegelt. Jos’ Mutter Charlotte wird grob als der frühere Fremdkörper in der Gemeinschaft gezeichnet, die Zugezogene, die man hat spüren lassen, dass sie doch nicht wirklich dazugehört – und die, weil sie eben keine eingefleischte Lëtzweilerin ist, ohne Weiteres zu den fortschrittlichen, progressiven Kräften im Dorf gezählt wird.

Und wo sind die Geflüchteten?

Das größte Manko des Films ist jedoch, dass die homogene wie amorphe Gruppe „der Flüchtlinge“ nie selbst das Wort ergreift, nie auch nur gezeigt wird. Die Menschen, wegen denen etliches im Dorf passiert, die im Zentrum des Konflikts stehen, die Diskriminierten, die ohnehin kaum Gehör finden in unserer Gesellschaft, erhalten kein individuelles Gesicht, kein Profil, keine Geschichte. Selbst das Projekt von Sara und Jos wirkt paternalistisch, weiß man doch gar nicht, was die Bedürfnisse und Wünsche der Geflüchteten sind – denn ihnen wird kein einziges Mal das Wort überlassen. Für ein filmisches Werk, das doch für ein tolerantes, warmherziges Miteinander plädiert, ist das definitiv ein großes, ja, gemessen an seiner pädagogischen Absicht, unverzeihliches Versäumnis. Das ist bedauernswert, immerhin war – daran lässt der Film keine Zweifel – der gute Wille bei Regisseur und Produzent*innen vorhanden. Aber gut gemeint ist eben nicht immer gut gemacht.

In Le Paris, Orion, Prabbeli, Kinoler, Kulturhuef, Kursaal, Scala, Starlight, Waasserhaus und Utopia.

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