Fünf Fragen an: Lucie Kunakova

Im Vorfeld der Gemeindewahlen interviewt die woxx jede Woche eine Kandidatin. Dieses Mal haben wir Lucie Kunakova getroffen, die für die Piratenpartei in der Stadt Luxemburg antritt.

(Foto: Oli Kerschen)

woxx: Wie sind Sie dazu gekommen, sich politisch zu engagieren? Und warum bei den Piraten?

Lucie Kunakova: Vor ungefähr vier Jahren, als meine Kinder schon etwas selbständiger waren, bin ich sozusagen zur Ruhe gekommen. Durch Facebook-Links von Freunden ist mir bewusst geworden, was in der Welt alles schief läuft. Ich habe mir gesagt, wenn wir darauf warten, dass jemand das zum Besseren ändert, kann das lange dauern. Also habe ich beschlossen, selber aktiv zu werden. Über eine Facebook-Bekanntschaft bin ich dann zu den Piraten-Stammtischen gekommen, damals noch in Esch. Ich hatte den Eindruck, ich könnte dort meine Ideen einbringen. Ich hatte schon zuvor bei den Chamber-Wahlen einen Teil meiner Stimmen den Piraten gegeben – damals hatte ich vor allem Frauen auf verschiedenen Listen gewählt, um ihre Präsenz in der Politik zu stärken. Von allen Parteien haben die Piraten mir am meisten zugesagt. In einer kleinen Partei wird man vielleicht eher gehört – bei anderen Parteien hatte ich den Eindruck, dass das sehr langwierig ist.

Die globalen Probleme sind Ihnen wichtig – jetzt kandidieren Sie aber lokal für die Gemeindewahlen in der Stadt Luxemburg.

Man kann bei den kleinen Dingen anfangen und sich zu den großen durchkämpfen. Ich wohne ja in der Stadt, und manches hat mich schon immer geärgert. Zum Beispiel, dass man mit einem Kinderwagen auf dem Bürgersteig nicht überall durchkommt. Oder die Busverbindungen. Auch wenn man keine Politik macht, fragt man sich: Warum bekommen die das nicht hin, dass die Anschlüsse funktionieren oder dass man nicht so oft umsteigen muss? Ein zentrales Thema ist auch das Wohnungsproblem. Die Gemeinde könnte sehr viel mehr in den sozialen Wohnungsbau investieren, sie könnte auch etwas gegen leerstehende oder als Büroräume genutzte Wohnungen tun. Der Umweltbereich ist mir auch wichtig, da hat die Stadt so manches getan. Ich wäre dafür, die Gemeinschaftsgärten noch weiter auszubauen und auf den Grünflächen statt Blumen auch Essbares anzupflanzen.

Sie waren auch zivilgesellschaftlich aktiv, zum Beispiel gegen TTIP. Sehen Sie Unterschiede zum parteipolitischen Engagement?

Bisher nicht, ich habe mir die Frage eigentlich nicht gestellt. Die Piraten sind auch noch ein bisschen anders. Ich würde auch nicht sagen, ich will Politikerin werden – ich kandidiere für ein Mandat als Volksvertreterin. Ich finde, die Politik hat sich stark von den Menschen entfernt, dem möchte ich entgegenwirken, irgendwie … (zögert) Nein, nicht „irgendwie“, dem möchte ich ganz bestimmt entgegenwirken (lacht). Ja, diese ewigen Selbstzweifel, die man eingeimpft bekommt, besonders die Frauen. Wenn man eine Frau fragt, machst du bei uns mit, kommst du auf die Wahlliste, dann sagt sie: Ich weiß nicht, ob ich mir das zutraue, und was die Leute wohl sagen … Frag einen Mann, der sagt: Natürlich, ich mach‘ das, ich kann das (lacht).

Gerade in Ihrer Partei sind die Männer eher überrepräsentiert. Wie ist das als Frau unter Piraten?

Ja, da ist man ein bisschen einsam – mehr Frauen wäre toll. Aber ich bin es gewohnt, mehr mit Männern zu tun zu haben als mit Frauen. Zum Beispiel im Aikido-Club oder in der Mittelalterszene waren auch mehr Männer. Da war ich die Prinzessin (lacht) … aber ich habe auch als Ritter gekämpft, und alle waren erstaunt, als ich den Helm abgenommen habe. Ich kann mich unter Männern behaupten. Und manches überhören, weil ich weiß, das ist nicht so gemeint. In meinem Ursprungsland Tschechien pflegen wir auch einen etwas herberen Humor. Aber die Jungs können sich gut benehmen.

Die Wahlkampagnen der Piraten sind je nach Gemeinde relativ unterschiedlich. Die Schwerpunkte reichen von sozialen und ökologischen Forderungen in der Hauptstadt bis zu den Interessen des Einzelhandels in Remich oder der Sicherheit in Petingen – also eher liberalen oder rechten Themen.

Ein gemeinsamer Schwerpunkt ist auf jeden Fall das Wohnungsproblem. Die Sicherheit ist natürlich auch für uns in der Stadt Luxemburg ein Thema. Aber jede Gemeinde hat ihre spezifischen Probleme. Deshalb hat unsere Partei den einzelnen Sektionen viel Freiraum gelassen – wir sind ja nicht dafür, Dinge von oben herab zu diktieren. Die Autonomie der Sektionen ist Teil unserer Philosophie. Manchen sind wir zu liberal, das ist klar. Als rechts zu gelten, wäre natürlich nicht so schön, aber davon sind wir weit entfernt.


Warten, dass andere die großen und kleinen Probleme lösen, will die 44-Jährige nicht mehr. Lucie Kunakova ist alleinerziehende Mutter von zwei Söhnen und kandidiert in der Hauptstadt, einer der sechs Gemeinden, in denen die Piratenpartei antritt. Sie stammt aus Tschechien und hat seit über zehn Jahren die luxemburgische Staatsbürgerschaft. Die Kandidatin bedauert, dass sie den Kontakt zu manchen ihrer Luxemburger Freunde verliert, wenn diese „zu Ausländern werden“ – indem sie wegen der Wohnungsnot nach Deutschland ziehen.


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